Grippe im Anmarsch

INFLUENZA

Viele Laien können nicht unterscheiden, ob sie sich einen grippalen Infekt oder die „echte Grippe“ eingefangen haben. Beraten Sie Ihre Patienten zu präventiven und medikamentösen Maßnahmen.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Laut Robert Koch-Institut betrug in der letzten Grippesaison die Zahl der influenzabedingten Arztbesuche in Deutschland etwa 2,12 Millionen. Einer Schätzung zufolge fallen jährlich 800 000 bis 1,6 Millionen Arbeitstage wegen Arbeitsunfähigkeit durch Grippe aus, zusätzlich gibt es 10 000 bis 20 000 influenzabedingte Krankenhauseinweisungen. Jetzt, zu Beginn der Saison 2011/2012, ist es höchste Zeit für die neue Schutzimpfung. Diese wird Menschen mit einem erhöhten Risiko für schwere Krankheitsverläufe empfohlen, dazu gehören: Senioren über 60 Jahre, Schwangere, Chroniker, Bewohner von Alten- und Senioreneinrichtungen und medizinisches Personal.

Impfstoff Die Weltgesundheitsorganisation stellt jedes Jahr Daten über die Entwicklung verschiedener Virustypen zusammen, sodass zu Beginn jeder Saison ein neuer wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht. Je größer die Übereinstimmung zwischen denen im Impfstoff enthaltenen Varianten mit den tatsächlich zirkulierenden Viren, desto besser der Schutz. In diesem Jahr enthält der Impfstoff die gleiche Zusammensetzung wie 2010/2011. Der aktuelle Impfstoff enthält zwei Influenza-A-Virusstämme, dabei auch das neue H1N1-Virus, den Erreger der Grippepandemie 2009, und einen Influenza-B-Virusstamm.

Geimpft wird ein Totimpfstoff, bestehend aus hoch gereinigten Spaltprodukten von Influenzaviren oder Oberflächenantigenen (Subunitimpfstoffe). Etwa zwei Wochen nach der Impfung setzt die Schutzwirkung ein und hält etwa für eine Grippesaison an. Wer also zu den Risikogruppen zählt, sollte sich jährlich im Herbst impfen lassen. Bei älteren oder immunsuppressiven Menschen kann die Wirksamkeit abgeschwächt sein. In diesen Fällen verläuft die Erkrankung aber milder und in der Regel komplikationslos.

Infektionswege Die Erreger der Influenza werden in der Regel über Niesen, Husten oder Sprechen auf dem Weg der Tröpfcheninfektion übertragen. Dies geschieht besonders leicht, wenn viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen. Atemmasken und häufiges Lüften bieten einen gewissen Schutz. Aber auch über den Kontakt mit kontaminierten Gegenständen (z. B. Türklinken oder glatten Oberflächen) ist eine Ansteckung möglich. Gründliches und regelmäßiges Händewaschen gilt als wichtigste und einfachste Hygienemaßnahme. Erreicht das Virus über die Schleimhäute das Körperinnere, löst es nach einer Inkubationszeit von Stunden bis wenigen Tagen die typischen Grippesymptome aus.

TIPPS ZUR LINDERUNG
Das A und O bei einer Grippe ist Schonung. Bettruhe, Wadenwickel und viel Trinken sind wichtige Hinweise für den Patienten. Die Kopf- und Gliederschmerzen können durch die Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika (z. B. Acetylsalicylsäure, Paracetamol oder Ibuprofen) gelindert werden. Um die Mundtrockenheit und den rauen Husten zu mildern, sind Salbeibonbons, Hustentees
oder vitaminhaltige Heißgetränke eine gute Zusatzempfehlung.

Grippe oder grippaler Infekt? Im Volksmund wird eine harmlose Erkältung oft fälschlicherweise als Grippe bezeichnet. Die Symptomatik beider Erkrankungen lässt sich aber klar unterscheiden: Die Grippe beginnt plötzlich und unvermittelt mit starken Kopf- und Gliederschmerzen, hohem Fieber und Abgeschlagenheit. Symptome wie trockener Husten und Heiserkeit setzen etwas später ein.

Der für eine Erkältung typische Schnupfen tritt – wenn überhaupt – nur in leichter Form auf. Eine Erkältung bahnt sich über zwei bis drei Tage an, Husten, Schnupfen und Halsschmerzen verstärken sich. Ein komplikationsloser grippaler Infekt ist innerhalb einer Woche überwunden, die „echte Grippe“ erzeugt bei den Erkrankten ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl. Häufig dauern die körperlichen Beschwerden bis zu zwei Wochen an.

Um bei Risikopatienten innerhalb der ersten 48 Stunden nach Ausbruch noch medikamentös zu intervenieren, führen einige Ärzte einen Grippeschnelltest durch. Über einen Abstrich der Nasen- oder Rachenschleimhaut können Influenzaviren mittels Antikörpermarkierung in der Arztpraxis nachgewiesen werden. Schon nach 15 Minuten erfolgt die Auswertung. Bei Kindern wird dieser Test von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Schwere Verläufe der Influenza können mit Lungenentzündungen oder Störungen des Herzens einhergehen. Auch bakterielle Sekundärinfektionen können Komplikationen hervorrufen. Als Risikopatient ist mit einer Grippe nicht zu spaßen – schließlich sterben jedes Jahr in Deutschland zwischen 5 000 und 10 000 Menschen an der Folge einer Influenza.

Früher Therapiebeginn Die Influenza kann effektiv mit Neuraminidasehemmstoffen (Amantadin, Oseltamivir und Zanamivir) behandelt werden. Diese Wirkstoffe müssen bis zu 48 Stunden nach Auftreten der ersten Grippesymptome eingenommen werden, um die Beschwerden zu lindern und die Krankheitsdauer zu verkürzen. Sie eignen sich nicht zur Prophylaxe. Die Arzneistoffe blockieren die Neuraminidase, die für die Freisetzung neu gebildeter Viren aus der Wirtszelle sorgt.

Die Hemmung dieses Enzyms verhindert die Ausbreitung der Viren in andere Körperzellen. Da sich die Bindungsstelle der Neuraminidase nicht durch Mutationen ändert, kommt es bei neuen Virusvarianten nicht wie bei den Impfstoffen zum Wirkungsverlust. Zanamivir wird wegen seiner geringen Bioverfügbarkeit bei oraler Gabe inhaliert. Es wird eine zwei Mal tägliche Anwendung über die Dauer von fünf Tagen empfohlen. Oseltamivir ist ein Prodrug und wird gut aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert. Es wird zwei Mal täglich in einer Tagesdosis von 150 Milligramm über fünf Tage oral gegeben. Um mögliche Magen- und Darmbeschwerden zu vermeiden, sollte die Substanz zu den Mahlzeiten eingenommen werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/11 ab Seite 48.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

×