verschiedene rote Tomaten© Vi Stadnik / iStock / Getty Images Plus
Das Tomatenfieber heißt so, weil die roten Bläschen des Ausschlags wohl so groß werden können wie eine Tomate.

Indien

WAS IST DAS TOMATENFIEBER?

In Indien ist bei 108 Kindern das sogenannte Tomatenfieber aufgetreten. Was den roten, schmerzhaften Ausschlag verursacht, ist noch unklar. In den sozialen Medien wird Sorge laut: Kommt jetzt die nächste Pandemie? Lesen Sie hier, was wir bislang über die Krankheit wissen.

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In drei indischen Bundesstaaten, dem südlichen Kerala, der Region Tamilnadu und dem nördlicheren Odisha, sind seit Anfang Mai 108 Kinder unter neun Jahren am sogenannten Tomatenfieber erkrankt. Allein in Kerala waren es bis Ende Juli 82 Kinder unter fünf Jahren. Das berichten Forschende um Vivek Chavda von der pharmakologischen Abteilung des LM College of Pharmacy in Ahmedabad: Ihr Bericht „Ausbruch der Tomatengrippe in Indien“ erschien am 17. August im Fachjournal „The Lancet Respiratory Medicine“.

Das markanteste Symptom sind rote, schmerzhafte Bläschen am ganzen Körper. Außerdem kann es zu

  • Fieber,
  • Müdigkeit,
  • starken Gelenkschmerzen,
  • Übelkeit und
  • Durchfall

kommen. Die roten Bläschen können wohl die Größe einer Tomate erreichen (daher der Name), auf den veröffentlichten Bildern sind bislang aber nur kleinere dieser Effloreszenzen zu sehen.

Wie gefährlich ist das Tomatenfieber?

Nach Angaben der Wissenschaftler*innen ist die Krankheit nicht lebensbedrohlich. Zwar ist der Erreger des Tomatenfiebers noch unbekannt und deshalb keine kausale Therapie möglich. Dennoch sind alle Kinder mittlerweile genesen und haben nach aktuellem Kenntnisstand keine anhaltenden Schäden davongetragen.

Was wissen wir über den Erreger des Tomatenfiebers?

Das Team um Chavda schreibt, die Hauptsymptome Fieber, Ausschlag und starke Gelenkschmerzen ähneln Chikungunya, einer Viruserkrankung, die durch Stechmücken übertragen wird und hauptsächlich in Afrika und Südostasien vorkommt. Die grippeähnlichen Begleitsymptome seien typisch für Viruserkrankungen und ähnelten dem Dengue-Fieber. Die roten Bläschen hingegen erinnern die Forscher*innen an Affenpocken.

Ein verursachendes Virus wurde bislang nicht entdeckt. Aktuell läuft die Diagnose so: Werden in Tests keine Dengue-, Chikungunya, Zika-, Varizella-Zoster- oder Herpesviren gefunden, wird die Infektion mit dem Tomatenvirus als Ausschlussdiagnose bestätigt.

Ein britischer Mediziner berichtete am 19. August im „The Pediatric Infectious Disease Journal“ von einem fünf Jahre alten Jungen und seiner 13 Monate alten Schwester. Sie wurden nach einem Urlaub in Kerala in England behandelt, denn sie hatten Hautausschläge und schmerzhafte Läsionen im Mund. In Indien hatten sie mit einem Kind gespielt, das nach Angaben der Eltern zuvor am Tomatenfieber gelitten habe. Bei den beiden britischen Kindern wurde das Coxsackie-Virus nachgewiesen; sie hatten die Hand-Fuß-Mund-Krankheit.

Schon 2007 wurde in Indien ein Fall von Tomatenfieber beschrieben. Damals wurden die Symptome als Nachwirkung von Chikungunya interpretiert; als eine Fehlfunktion des Immunsystems bedingt durch die Virusinfektion. Chavda und sein Team halten das auch bei den aktuellen Fällen für möglich.

Wie wird das Tomatenfieber behandelt?

Die Therapie erfolgt symptomatisch. Paracetamol wird gegen das Fieber und die Gliederschmerzen eingesetzt. Chavdas Team schreibt: „Da die Tomatengrippe der Chikungunya- und Dengue-Krankheit sowie der Hand-Fuß-Mund-Krankheit ähnelt, ist auch die Behandlung ähnlich, das heißt Isolierung, Ruhe, viel Flüssigkeit und ein Schwamm mit warmem Wasser zur Linderung von Reizungen und Hautausschlägen.“

Kommt das Tomatenfieber auch nach Deutschland?

In ihrem Bericht schreiben die Wissenschaftler*innen, angesichts der Erfahrungen mit der Corona-Pandemie solle man wachsam bleiben.

Tim Niehues ist Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin am Helios Klinikum Krefeld und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Er äußerte sich gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu der Hypothese, das Tomatenfieber sei eine Nachwirkung von Chikungunya: „Dies erscheint medizinisch plausibel.“ Ansonsten könne man fachlich noch nicht viel sagen.

Niehues gibt allerdings Entwarnung: In Deutschland müssten sich Eltern nicht sorgen. Dengue- und Chikungunya-Fieber würden durch Vektoren wie Stechmücken übertragen, die hierzulande bislang selten vorkommen. In Indien müsse man die Situation beobachten. Er schätzt ein: „Die 82 Fälle wurden von Mai bis Juli beschrieben. Gäbe es eine exponentielle Verbreitung, würde man derzeit hunderte oder tausende Fälle erwarten.“

Quellen:
dpa
Chavda V P, Patel K, Apostolopoulos V: „Tomato flu Outbreak in India“, The Lancet Respiratory Medicine, 17. August 2022. 
Frankfurter Allgemeine Zeitung

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