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First-Night-Effect

IN FREMDEN BETTEN

Das Phänomen, andernorts anfangs schlecht zu schlafen, heißt First-Night-Effect. Unsere Vorfahren haben sich damit vor bösen Überraschungen bewahrt. Lässt der Schutzmechanismus sich austricksen?

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In der ersten Nacht in einem Hotel kann man oft schlecht einschlafen und selbst, wenn man dann mal schläft, wacht man häufiger auf als daheim. Das Ergebnis: Man startet wenig erholt in den nächsten Tag. Hirnforscher haben diese Besonderheit untersucht und Erstaunliches herausgefunden: In fremder Umgebung bleiben Teile des Gehirns wach. Das Default-​Mode-Netzwerk, ein Areal in der linken Hemisphäre, ist auffallend stark mit anderen Bereichen des Hirns vernetzt. Die Region arbeitet normalerweise dann, wenn wir nicht bewusst nachdenken, also beim Tagträumen. Die Forschung im Schlaflabor hat aber gezeigt, dass genau dieser Bereich auch bei aushäusigen Übernachtungen aktiv ist. Das Gehirn hält also halbseitig die Stellung – nur wozu?

Hinterlassenschaft unserer Ahnen In Zeiten, als unseren Vorfahren im Schlaf noch echte Gefahren drohten, war es notwendig, leicht aufzuwachen. Man schläft in einer fremden Höhle und der eigentliche Besitzer kehrt zurück? Bei einer Übernachtung unter freiem Himmel pirscht sich ein Raubtier heran? Dann ist es überlebenswichtig, beim ersten ungewohnten Geräusch fluchtbereit zu sein. Dieses Verhalten findet sich auch im Tierreich: Delfine schlafen nur mit einer Hirnhälfte, halten dabei ein Auge offen und schwimmen im Kreis. Nach einer Weile darf sich die andere Hemisphäre ausruhen.

Das heißt also, dass unser innerer Steinzeitmensch uns in der ersten Hotelnacht am Durchschlafen hindert. Hinter jedem Lichtreflex, bei jedem Rascheln vermutet er einen Säbelzahntiger, lässt uns aufschrecken, die Umgebung prüfen und erst dann wieder einschlummern. An diese kurzen Wachphasen erinnern wir uns am nächsten Morgen nicht mehr, aber sie haben uns wertvolle Erholungszeit gekostet. Tröstend ist, dass uns das Zimmer schon in der zweiten Nacht weniger exotisch vorkommt. Tiefschlaf ist nun wieder möglich. Und es gibt weitere gute Nachrichten: Man kann dem First-Night-Effect entgegensteuern!

Nicht ohne meine Schmusedecke Wir können unser Gehirn aus seiner Habachtstellung befreien, indem wir ihm vor- gaukeln, uns in vertrauter Umgebung zu befinden. Das funktioniert am besten über den Geruchs- und Tastsinn: Wer sein eigenes Kopfkissen dabeihat, kennt das Gefühl des Stoffs auf der Wange und riecht sein Zuhause. Auch der Lieblingsschlafanzug hat diese Wirkung. Wenn auch neben dem eigenen Bett ätherische Schlaföle wie Lavendel, Zirbe oder Sandelholz stehen, nimmt man diese mit auf Reisen, zum Beispiel als Duftsäckchen. Einschlafrituale wie ein heißes Bad vor dem Zubettgehen oder eine Tasse Tee zur Gute-Nacht-Lektüre sind allgemein beruhigend. Wer sie daheim anwendet, kann so auch ein Stückchen Zuhause in die neue Umgebung transportieren. Vor allem aber: keinen Stress! Eine entspannte Einstellung ist das A und O.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/2020 auf Seite 130.

Gesa Van Hecke, PTA/Redaktionsvolontärin

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