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Vollmond

IN ALLER MONDE

Wer schon durch das Nordseewatt gestapft ist, hat die Kraft des Mondes erlebt. Besonderer Einfluss auf unser Wohlbefinden wird dem Vollmond nachgesagt. Unsinn, sagen manche, andere halten daran fest.

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Der Mond selbst leuchtet nicht. Das, was wir von ihm ausmachen können, ist reflektiertes Sonnenlicht, das uns wie über einen Spiegel entgegenstrahlt. Wieviel von unserem natürlichen Erdsatelliten wir dabei zu sehen bekommen, hängt vom Winkel ab, in dem die Himmelskörper sich gegenüberstehen. Bilden Sonne, Erde und Mond eine gerade Linie, bei der der Mond in der Mitte steht, erreicht uns kein reflektiertes Licht, das ist der Neumond. Vollmond hingegen haben wir, wenn die Erde im Mittelpunkt dieser gedachten Gerade steht, aber nur, wenn sie den Mond dabei nicht in ihren Schatten stellt. Das wäre eine Mondfinsternis.

Ein vollständiger Phasenzyklus von einem Neumond bis zum nächsten dauert ungefähr 29,5 Tage und trägt den schönen Namen Lunation. Der Mond hat einen gewaltigen Einfluss auf unser Leben. Der westliche Kalendermonat ist nach ihm benannt und orientiert sich grob am Mondzyklus, der islamische Kalender mit 354 oder 355 Tagen richtet sich vollständig nach ihm. Die Gravitation des Mondes verursacht auf der Erde die Gezeiten: Ebbe und Flut der Meere. Aber auch der Erdmantel hebt und senkt sich. Das Verhalten von Zugvögeln, nachtaktiven Insekten und anderen Lebewesen orientiert sich am Mond. Auf die Gesundheit des Menschen soll der Erdtrabant sich ebenfalls auswirken: Ihm wird ein Einfluss auf Schlafstörungen, Operationskomplikationen und den weiblichen Zyklus nachgesagt.

Schlechter Schlaf bei vollem Mond Unter den zahlreichen Mythen um den Mond hat es eine bis ins Wörterbuch geschafft: der historische Begriff für Schlafwandeln war Lunatismus – Mondsucht. Heute spricht man von Somnambulismus, also Schlaf-Spazieren. Tatsächlich bewegen die nächtlichen Spaziergänger sich Lichtquellen entgegen, in Zeiten der Elektrizität kann das aber auch eine andere Quelle als das Mondlicht sein. Vollmondnächte sind 250-mal heller als ein sternenklarer Nachthimmel. Wer sein Zimmer also nicht gut abgedunkelt hat, für den ist die Wahrscheinlichkeit des Schlafwandelns bei Vollmond wirklich erhöht. Auch wer nicht nächtlich umher wandelt, hatte vielleicht schon einmal den Eindruck, bei Vollmond schlechter zu schlafen.

Lange galt dies als Unsinn, eine Studie der Universität Basel konnte aber erstmals aufzeigen: Probanden benötigten fünf Minuten länger zum Einschlafen, der Schlaf dauerte 20 Minuten weniger, der Spiegel des Schlafhormons Melatonin war niedriger und die Tiefschlafphasen um 30 Prozent kürzer. Leider weist die Studie einige Schwächen auf. Es wurden nur dreieinhalb Tage betrachtet, kein ganzer Mondzyklus. Und falls Probanden gewusst haben, dass es Vollmondzeit war, könnte die Sorge um möglicherweise schlechten Schlaf überhaupt erst zu einer unruhigen Nacht geführt haben – eine selbsterfüllende Prophezeiung also. Dennoch wirft die Untersuchung die Frage auf: Gibt es neben unserem zirkadianen Rhythmus, der vom Sonnenlicht gesteuert wird, auch eine innere Monatsuhr, die sich an den hellen Vollmondnächten auslotet?

Erhöhtes Operationsrisiko Schon lange bevor die Studie veröffentlicht wurde, gab es die lunatische Gesundheitsastrologie: Ratgeber zu Mondgymnastik, Mondernährung und Mondkalender empfehlen, den Alltag nach Phase und Stellung des silbernen Satelliten zu planen. So soll dessen Einfluss den eigenen Vorhaben gutes Gelingen bringen. Mondkalender raten zum Beispiel von Operationen am Vollmondtag ab, es komme häufiger zu starken Blutungen und das Komplikationsrisiko sei erhöht. Hat der Chirurg vielleicht schlecht geschlafen? Die zahlreichen Studien zum Thema konnten bislang keinen Zusammenhang belegen. Immerhin, wer bei Eingriffen den Termin planen kann, hat so die Möglichkeit, mit einem besseren Bauchgefühl in den Operationssaal zu gehen, und die innere Einstellung ist für den Heilungserfolg erheblich, wie wir unter anderem vom Placebo-Effekt wissen.

Ovulation im Mondschein Der weibliche Zyklus ist ungefähr 28 Tage lang, entspricht also grob der Lunation. Die Anhänger einiger esoterischer Kreise gehen davon aus, dass Frauen ihren Eisprung ohne störende Einflüsse bei Vollmond hätten und dementsprechend bei Neumond menstruieren. Beide Kreisläufe würden somit gleichzeitig neu beginnen. Gynäkologen widersprechen dieser Theorie jedoch schon lange, Apps mit Periodentracker unterstützen ihre Aussage nun. Die Anthropologin Beverly Strassmann hat den Mond als Menstruationstaktgeber ebenfalls widerlegen können: Sie hat die Frauen der Dogon, einer afrikanischen Volksgruppe in Mali, untersucht, die ohne Empfängnisverhütung und ohne elektrisches Licht leben und deren Zyklus damit keinen künstlichen Einflüssen unterliegt. Gesundheitliche Auswirkungen des Vollmonds sind also nur in wenigen Fällen belegt. Die jahrtausendealte Faszination für unseren Trabanten schmälert das jedoch nicht.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/2020 ab Seite 112.

Gesa Van Hecke, PTA/Redaktionsvolontärin

Die nächsten Vollmonddaten im Überblick:

Donnerstag, 7. Mai
Freitag, 5. Juni
Sonntag, 5. Juli
Montag, 3. August
Mittwoch, 2. September

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