Eine behandschuhte Hand trägt Impfdaten in den gelben Impfpass ein.© Diy13 / iStock / Getty Images Plus
Der gelbe Impfpass ist nicht fälschungssicher - das nutzen Betrüger in letzter Zeit gehäuft aus. Der Schwindel fliegt meist auf, wenn das manipulierte Dokument in die Apotheke gebracht wird, um den digitalen Impfnachweis zu erstellen.

Impfzertifikat

GEFÄLSCHTER IMPFPASS – WAS TUN?

In den letzten Wochen berichten Apotheken in Deutschland über immer mehr gefälschte Impfausweise. Wie gelangen die Betrüger an die Dokumente und wie sollten sich Apotheker und PTA im Verdachtsfall verhalten?

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Der Druck auf Nicht-Geimpfte steigt. Corona-Schnelltests sind seit dem 11. Oktober kostenpflichtig, vielerorts lässt die 2G-Regel nur Geimpfte und Genesene zu Veranstaltungen zu. Statt sich jedoch für den Piks zu entscheiden oder die Einschränkungen hinzunehmen, greifen manche zu betrügerischen Mitteln. Die Zahl der gefälschten Impfnachweise steigt.

Das berichteten Apothekenmitarbeiter unter anderem aus Gladbeck, Osnabrück, Ludwigsburg, Iserlohn und Neuruppin. Ihnen waren in den letzten Wochen gefälschte Impfpässe vorgelegt worden, um daraus den digitalen Impfnachweis zu generieren. Die Apothekensprecherin des Kreises Recklinghausen, Dorothee Pradel, berichtete gegenüber der Recklinghäuser Zeitung schon im September von mehr als zehn Fälschungen pro Woche, die ihr in ihrer Apotheke untergekommen waren. Bis dahin seien es im gesamten Impfzeitraum gerade einmal eine Handvoll gewesen. In allen Fällen ermittelt nun die Polizei. Ein Kunde habe sie sogar gefragt, ob er Blanko-Impfausweise bei ihr kaufen könne.

Wie gelangen die Betrüger an die gefälschten Impfpässe?

Der Messengerdienst Telegram dient Coronaleugnern bekanntlich als Kommunikationsplattform. Einige Prominente verbreiten dort in Gruppen Verschwörungserzählungen, auch die sogenannten Querdenker organisieren sich teilweise über den Messenger. Insofern ist es für Betrüger naheliegend, auch die gefälschten Nachweise dort anzubieten. Laut Miro Dittrich vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) haben Sicherheitsbehörden die Online-Plattform lange unterschätzt: "Das Wegschauen der Sicherheitsbehörden hat dazu geführt, dass sich auf Telegram ein großer Schwarzmarkt etabliert hat." Dittrich hält gefälschte Impfnachweise für lediglich ein weiteres Geschäftsfeld von Drogen- oder Waffenhändlern.

Über die Suchfunktion (Schlagwort: „Impfpass“) lassen die kriminellen Händler sich auf Telegram finden. Rund 100 bis 150 Euro kostet das manipulierte Dokument inklusive zwei eingetragenen BioNTech-Impfungen, zu zahlen in Kryptowährungen. Viele Anbieter streichen das Geld ein, schicken aber keinen Impfpass – klassische Betrugsfälle. Einige jedoch versenden tatsächlich gefälschte Dokumente.

Welche Strafe droht den Fälschern?

In Köln ermittelt schon seit mehreren Monaten ein dreiköpfiges Spezialteam, die Einsatzgruppe „Stempel“, gegen Impfausweis-Fälscher. Anzeige erstatten beispielsweise Apotheken oder auch Ärzte, deren Stempel missbraucht werden. Werden die Täter geschnappt, drohen ihnen empfindliche Strafen, denn ein Impfnachweis ist eine Urkunde. Das gilt auch für diejenigen, die versuchen, mit einem gefälschten gelben Impfpass in der Apotheke einen digitalen Impfnachweis zu erlangen.

Strafgesetzbuch § 267 Urkundenfälschung
(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
[…]

Woran erkennen Sie einen gefälschten Impfpass?

Pradel aus dem Kreis Recklinghausen meint, Apothekenmitarbeiter könnten Fälschungen  leicht erkennen. „Denn die Einträge weisen meist leicht zu erkennende Fehler auf“. Das können unter anderem sein:

  • Falsche Chargennummern
  • Falsches Impfdatum
    War der Impfstoff zu diesem Zeitpunkt schon zugelassen?
  • Falscher Arzt
    Hausärzte dürfen erst seit April gegen COVID-19 impfen
  • Falsche Seite im Impfpass
    Ältere Impfpässe enthielten die Seite für COVID-19-Impfungen noch nicht. Gab es die Zusatzseite schon zum Impfdatum?
  • Falscher Stempel
    Gibt es die Arztpraxis noch, wird das Impfzentrum noch betrieben?

Kommen Ihnen Zweifel am Dokument, vertrösten Sie den Kunden oder die Kundin am besten auf später und behalten Sie Impfpass und Personalausweis in der Apotheke, sofern der Kunde zustimmt, oder machen Sie eine Kopie. Nun können Sie in Ruhe beim impfenden Arzt oder Impfzentrum nachfragen, ob die Person tatsächlich wie angegeben geimpft wurde. Handelt es sich tatsächlich um eine Fälschung, informieren Sie die Polizei.

Kritik: Wie sollen Apotheken die Echtheit der Dokumente prüfen?

Das Bundeskriminalamt hält den gelbe Impfpass nicht für fälschungssicher, da er keine Sicherheitsmerkmale aufweise. „Es ist auch ein Unding, dass jeder die Hefte bekommen kann“, sagte Apotheker Carl Henrik Leue aus Osnabrück gegenüber apotheke adhoc. Er findet es beinah unmöglich, einzuschätzen, ob ein Impfpass gefälscht ist oder nicht, auch, da die impfenden Ärzte oft nicht erreichbar seien. „Wir bräuchten eine Datenbank zum Abgleich“, schlägt er vor.

Er zieht die Polizei erst hinzu, wenn er sich einer Fälschung sicher ist - er habe auch schon falsch gelegen. So sei es vorgekommen, dass der impfende Arzt einen Buchstabendreher in seiner Datenbank hatte und deshalb angab, es läge keine Impfung vor. Das beträfe vor allem Kundinnen und Kunden mit Migrationshintergrund. Auch hatten Polizeibeamte eine Kundin „von der Ansprache her heftig angegangen.“ Später hatte sich herausgestellt, dass der Eintrag korrekt war. Die Kundin habe die genaue Prüfung gelobt, das Verhalten der Beamten sei jedoch nicht in Ordnung gewesen, erzählt Leue.

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