Eine grafische Darstellung mehrerer Personen, die um einen runden Tisch herum sitzen und sich beraten.© IconicBestiary / iStock / Getty Images Plus
Vertreter verschiedener gesundheitlicher Fachrichtungen erarbeiteten beim Impfgipfel Ideen für bessere Impfquoten.

Impfquote

„DIGITALE ANWENDUNGEN WIE DER ELEKTRONISCHE IMPFPASS MÜSSEN EINFACH FLUPPEN“

Dass Impfungen der Weg aus der Pandemie sind, ist unter Medizinern unbestritten. Doch wie will man die Menschen erreichen? Fachleute setzen dabei auf Prävention, digitale Impfregister – und die Apotheken.

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Marathon-Sitzung beim Berliner Tagesspiegel: Zweieinhalb Stunden diskutierten hier Fachleute aus dem Gesundheitswesen über „Lehren aus der Pandemie“. Anwesend waren

  • der bayrische Gesundheitsminister Klaus Holetschek,
  • Heidrun Thaiss, Honorarprofessorin an der TU München und bis Anfang 2021 Leiterin der Bundeszentale für gesundheitliche Aufklärung,
  • Mathias Arnold, Vizepräsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA),
  • der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (STIKO) Thomas Mertens,
  • Han Steutel, Vorsitzender des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (vfa),
  • Ute Teichert, Bundesvorsitzende der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitswesens, sowie
  • Thomas Müller, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe.

Heidrun Thaiss setzt auf Prävention, proklamiert „Kräfte bündeln und konkrete Vorschläge unterbreiten“, möchte, „dass Menschen mehr über Impfungen wissen“. Wie genau könnte das gehen? Ideen dazu gäbe es viele, etwa Impfaktionen in Schulen und Betrieben, Aktionswochen zum Impfen oder auch gezielte Impfaktionen in Freizeit-, Pflege- oder Bildungseinrichtungen.

Impfungen in Apotheken sind sinnvoll

ABDA-Vizepräsident Arnold machte sich für den Vorschlag stark, Impfungen in Apotheken zu ermöglichen. Er betonte, dass in Apotheken auch Menschen erreicht werden könnten, die eher selten eine ärztliche Praxis aufsuchen – darunter zum Beispiel „junge Männer zwischen 20 und 40, die sich wenig um ihre Gesundheit kümmern“. CDU-Politiker Erwin Rüddel, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages, unterstützt das: „Ich bin ein Förderer der Idee, dass Grippe-Impfungen auch in Apotheken durchgeführt werden.“ Unklar blieb allerdings, warum diese Idee außer in Modellprojekten bislang nicht umgesetzt wurde.

STIKO als unabhängiges Gremium wichtig

Thomas Mertens, STIKO, betonte: „Wir müssen mit einer Stimme sprechen“. Wenig hilfreich sei, dass ständig unterschiedliche Meinungen geäußert und diskutiert würden. Auch verwahrte er sich gegen Versuche, die Unabhängigkeit der STIKO zu beschneiden. Man lege gerade deshalb auf die Empfehlungen der Kommission Wert, da Menschen deren Empfehlungen als unabhängigem wissenschaftlichen Gremium vertrauten. Mertens wies außerdem darauf hin, dass es für angehende Mediziner*innen kein „Ausbildungspaket Impfen“ gebe. Das Thema müsse ein fester Bestandteil der studentischen Ausbildung werden, ebenso in der ärztlichen Weiterbildung.

Vfa-Präsident Han Steutel legte Wert auf die Verbesserung der Datenversorgung und auf Bürokratieabbau: „Mit der Pandemic preparedness“, also einer Vorbereitung auf mögliche Strategien, „muss endlich Ernst gemacht werden“. Steutel bot an, mit der Politik ins Gespräch zu gehen und prophezeite: „Wir können an einem Nachmittag klären, was gemacht werden muss.“

Ute Teichert vom öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) erinnerte daran, dass bei der höchst erfolgreichen Schluckimpfung gegen Kinderlähmung „die Gesundheitsämter noch aktiv beteiligt waren.“ Damals kamen die Kinder in der Schulturnhalle zusammen und wurden dort geimpft, ebenso bei der Pockenimpfung. Heute gehe es eher darum, wieder Impfberatungen und Impfungen in den Gesundheitsämtern anzubieten: „Wir erreichen Kitas, Schulen, aber auch Beratungsstellen, etwa für Obdachlose oder für Menschen mit psychischen Problemen“. Teichert pochte auf eine bessere personelle Ausstattung des ÖGD.

Digitalisierung wichtiger Schritt

Thomas Müller von der Kassenärztlichen Vereinigung sieht als einen Hemmschuh der Impfkampagnen, dass der “Megatrend Digitalisierung in der ambulanten Versorgung“ noch nicht stattfinde. Seit Anfang des Jahres gebe es beispielsweise eine elektronische Patientenakte, die allerdings bis Mai erst von 0,2 Prozent der Patienten genutzt werde: Digitale Anwendungen wie der für 2022 geplante Impfpass müssten einfach „fluppen“. Schnell und einfach zu handhaben könne ein solcher Pass viel bewirken.

Hilfreich wäre auch ein elektronisches Impfregister, wie es in den skandinavischen Ländern schon längst eingeführt wurde: „Jede Impfung wird dort erfasst“, so Thomas Mertens, „Man kann Wirksamkeit und Nebenwirkungen viel besser untersuchen – und sie dann auch kommunizieren.“

Quelle: Pharma Fakten

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