Eine junge Frau stochert lustlos in ihrem Mittagessen, sieht enttäuscht oder gelangweilt aus.© Drazen Zigic / iStock / Getty Images Plus
Vielen COVID-Genesenen fehlt auch lange nach der Infektion noch der Geruchssinn. Dann schmecken ihnen Dinge nicht mehr, die sie früher mochten, oder sie nehmen Speisen allgemein als fade wahr.

Immunsystem

WARUM VERSCHWINDET DER GERUCHSSINN NACH DER COVID-INFEKTION?

Geruchs- und Geschmackssinn gehört eng beisammen, deshalb war die Antwort auf folgende Frage von großem Wert: Warum schmeckt so vielen an Corona Erkrankten nichts mehr so richtig und sie riechen auch kaum noch etwas – selbst lange Zeit nach der Infektion?

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Bereits kurz nach dem Auftreten der ersten COVID-19-Fälle machte ein erstaunliches Leitsymptom die Runde: Viele der mit SARS-CoV-2 infizierten Patienten verloren ihren Geschmacks- und Geruchssinn (Anosmie), auch langfristig.

Es lag nahe, zu vermuten, dass das Coronavirus Nervenzellen infiziert und zerstört, die Geruchsrezeptoren exprimieren. Überraschenderweise ist das aber nicht der Fall. Was tatsächlich dahinter steckt, dem ist man jetzt ein Stückchen näher gekommen.

Massive Störung der Geruchsrezeptoren

Eine Gruppe von Wissenschaftlern um Dr. Marianna Zazhytska von der Columbia University in New York berichtet über die Ergebnisse ihrer Untersuchung. Dazu untersuchte man das Riechepithel aus der Nasenhöhle von mit der Krankheit infizierten Hamstern und Menschen. Demnach setzte bei den Hamstern als Folge der Infektion eine heftige Immunantwort ein, die zur lokalen Entzündung führte und Geruchsrezeptoren sowie Proteine auf der Oberfläche der Nervenzellen in der Nase zerstörte. Diese Proteine haben die Aufgabe, die Informationen über Gerüche zu erkennen und weiterzuleiten. Zehn Tage lang wütete die Immunantwort an den Geruchsrezeptoren – dann wurde diese massive Störung wieder korrigiert.

Bevorzugte Ziele der Coronaviren: sustentakuläre Zellen, die auch als Stützzellen bezeichnet werden. Diese „fressen“ per Phagozytose abgestorbene Neuronen und sind auch an Geruchstransformationen beteiligt. Geruchssinnesneuronen wurden indes nicht infiziert; sie verschwanden auch nicht. Offensichtlich reichte eine Infektion benachbarter Zellen aus, um die Funktion der nahe gelegenen Neuronen zu verändern. Als Kollateralschaden regelten sich die Geruchsrezeptor-Gene des beteiligten Signalwegs herunter; die Neuronen bildeten weniger Geruchsrezeptoren aus. Und das deshalb, da das Virus die Anordnung der Chromosomen im Zellkern massiv durcheinanderbrachte. Bemerkenswert dabei: Die Neuronen selbst waren gar nicht mit dem Coronavirus infiziert!

Was passiert genau auf dem Geruchsepithel?

Der Geruchsverlust während und nach Corona basiert also nicht auf einer direkten Schädigung der Geruchs-Nervenzellen, sondern passiert im Schlepptau der Infektion. Mit COVID-19 assoziierte Komplikationen passieren einmal mehr durch das in Mitleidenschaft gezogene Immunsystem. Dieses überschwemmt dann den Organismus mit proinflammatorischen Proteinen und schädigt Gewebe und Organe. Möglicherweise können solche indirekten Mechanismen auch einen Teil der Long-COVID-Pathologie erklären, die noch Woche  und Monate nach der Infektion auftreten können.

Daraus folgert übrigens auch ein positiver Aspekt: Weil die Geruchsneuronen selbst nicht infiziert werden, sterben sie auch nicht ab, sondern können sich ganz allmählich wieder erholen, nachdem die Krankheit abgeklungen ist.

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

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