kranker Junge bekommt von seiner Mutter Fieber gemessen© Ridofranz / iStock / Getty Images Plus
Nachdem im vergangenen Jahr die Grippewelle wegen Corona ausgefallen ist, erwarten viele Experten in diesem Jahr wieder eine Grippewelle. Auch kleine Kinder könnten sich mit dem Influenza-Virus anstecken.

Immunsystem

DIESE INFEKTE TREFFEN KINDER BESONDERS HÄUFIG

Das kindliche Immunsystem braucht Training. Erst der Kontakt mit Erregern verschiedenster Art macht es robust - hier gibt es einiges nachzuholen. Zum Leidwesen der Kleinen und ihrer Eltern.

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Mütter und Väter wissen: Gerade im Kindergartenalter läuft die Nase der Kleinen gefühlt den ganzen Winter. Manchmal haut es sie richtig um. Mit Husten, hohem Fieber, Ohrenschmerzen, Erbrechen oder Durchfall. Unschön, aber normal.

"Im ersten Kindergartenjahr haben die Kleinen durchaus 10 bis 15 Infekte, die teilweise bis zu vier Wochen dauern können", sagt der Berliner Kinder- und Jugendarzt Jakob Maske. Im zweiten Jahr sind es noch 5 bis 10 Infekte. Doch je länger das Kind die Kita und später die Schule besucht, desto mehr läuft sich diese Anfälligkeit aus. Weil das Immunsystem immer mehr Erreger kennengelernt hat und deswegen zunehmend robuster auf sie reagiert.

Nur der vergangene Winter war anders. Durch die strengen Corona-Regeln gingen auch andere Infektionen kaum um, die Kinder waren selten krank. Doch es zeigt sich schon jetzt: Die Infekte kommen zurück und die Kinder holen das "Verpasste" nach - das bedeutet: Sie werden krank, teilweise recht heftig.
 

Kein Kontakt, keine Immunität

"Das war und ist unsere große Sorge: Dass vor allem kleine Kinder bis zwei Jahre, die relativ wenige Infekte hatten, jetzt davon eingeholt werden", sagt der Kinder- und Jugendmediziner Professor Reinhard Berner. Aber es betreffe durchaus auch etwas ältere Kinder.

Insbesondere zwei Erreger machen dem Fachmann für Infektionskrankheiten vom Uniklinikum Dresden Sorgen: das RS-Virus und das Influenzavirus. "Diese Infekte werden uns beschäftigen, weil sie sich enorm verbreiten und auf eine Population von Kindern treffen, die einen Winter gar keinen Kontakt damit hatten und deren Immunsystem deshalb keine Immunität aufbauen konnte", sagt Berner.

Das RS-Virus: meist harmlos, manchmal gefährlich

Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) geht normalerweise in den Monaten kurz vor und nach dem Jahreswechsel um. Doch diesmal ist das
anders: Mediziner beobachten schon seit einigen Wochen viele Infektionen mit dem Erreger.

"Der macht erstmal nur harmlose Erkältungsinfekte. Gerade kleinere Kinder mit Vorerkrankungen und Frühgeborene können aber stärker erkranken", sagt Kinderarzt Maske.

Manchmal müssen die Kinder dann ins Krankenhaus. Bei Reinhard Berner in der Dresdner Klinik lagen in der letzten Septemberwoche nach seinen Angaben mehr als ein Dutzend Kinder mit RSV-Infektion auf der Normalstation, drei Kinder bekamen Beatmung auf der Intensivstation.
Berner sagt: "Wir haben innerhalb von wenigen Tagen mehr Kinder mit RS-Virus aufgenommen, als in 18 Monaten Pandemie Kinder mit Covid-19-Erkrankung."

Wann müssen Eltern sich Sorgen machen?

Vor allem, wenn die Kinder Probleme mit dem Atmen haben. "Wenn die Kinder schwere Luftnot haben oder die Atmung die Babys beispielsweise so sehr anstrengt, dass sie nicht mehr richtig trinken", sagt Berner. Die Kleinen sind häufig durch die Luftnot panisch und sehr unruhig.

"Grundsätzlich kann man sich das wie beim Asthma vorstellen", erklärt der Experte. "Die Luft geht in die Lunge rein, aber nicht wieder raus, weil die Bronchien anschwellen. Die Kinder pusten und keuchen wie Asthmatiker und haben vor allem Luftnot und Sauerstoffmangel und eine sehr angestrengte Ausatmung."

Erkältungen - was hilft?

Doch nicht nur das RS-Virus ist unterwegs. Gerade unter Kindern werden sich viele Erkältungsviren diesen Winter wieder stark ausbreiten, prognostiziert Berner. Den Kleinen hilft es dann vor allem, wenn Eltern ihnen viel Ruhe und vor allem auch zu trinken geben, weil das dazu beiträgt, dass zäher Schleim flüssiger wird und so leichter abgehustet werden kann. "Die Erkrankungen verlaufen zum Teil durchaus auch schwer, gehen aber in der Regel ohne Komplikationen vorüber", so der Mediziner.

Manchmal helfe Inhalation, um die Bronchien zu erweitern, sagt Berner. Wenn das Husten sehr weh tut, was beispielsweise bei einer RSV-Infektion vorkommt, können dem Kind Schmerzmittel verschrieben werden. Ratsam sei außerdem - wie auch sonst immer - frische Luft.
 

Fieser Schmerz im Ohr

Als Folge einer Erkältung bekommen Kinder oft eine Mittelohrentzündung. Die ist richtig fies. Oft weinen die Kleinen vor Schmerz. Die gute Nachricht: "Zumindest im Moment sehen wir sie weniger", berichtet Jakob Maske aus dem Alltag seiner Berliner Praxis.

Wenn das Kind so eine Entzündung bekommt, können Medikamente wie Paracetamol oder Ibuprofen gegen die Schmerzen helfen - als Zäpfchen oder Saft verabreicht, in altersgerechter Dosierung. Abschwellende Nasensprays oder Zwiebelsäckchen als Hausmittel helfen womöglich ein bisschen gegen die Entzündung im Ohr. Die ist laut Maske häufig viral bedingt, in dem Fall helfen also keine Antibiotika. Anders ist das, wenn die Entzündung von Bakterien ausgelöst wurde.
 

Die "Himbeerzunge" als Scharlach-Signal

Eine weitere typische Kinderinfektionskrankheit ist der Scharlach. Er wird durch Streptokokken-Bakterien ausgelöst und führt oft zu einem entzündeten Hals, Hautausschlag und Fieber. Häufig gibt schon ein Blick auf die Zunge einen Hinweis auf die Infektion - nämlich, wenn sie tiefrot ist. Dieses Phänomen wird "Himbeerzunge" genannt.

Ob Scharlach vorliegt, lässt sich über einen Schnelltest in der Kinderarztpraxis klären. "Scharlach sehen wir aber gerade auch selten", sagt Maske. Behandelt wird die Infektion mit Antibiotika.
 

Magen-Darm-Probleme bei den Kleinen

Bauchweh, Erbrechen, dünner bis wässriger Stuhl und Fieber können auf eine Magen-Darm-Infektion hindeuten. Sie gehört bei Kinder neben Atemwegserkrankungen zu den häufigsten Infekten und kann sowohl von Viren als auch von Bakterien ausgelöst werden.

Anfangs sollten Eltern ihrem Kind am besten nur Flüssiges geben, ohne Kohlensäure und nicht zu warm. Erbricht es nicht mehr, sind etwa Zwieback oder Suppen als erste Kost empfehlenswert. Das Essen sollte nicht fettig oder sehr süß sein.

Wichtig: Gerade bei Säuglingen ist die Gefahr der Austrocknung durch so eine Infektion hoch. Hier ist immer ärztlicher Rat angebracht.
 

Influenza-Virus: die Unbekannte dieses Winters

Mit Blick auf die kalte Jahreszeit stellt sich die Frage: Kommt die Grippewelle? Vergangenen Winter fiel sie aus, auch hier dürften - wie bei der geringen Verbreitung anderer Infektionen - die Corona-Regeln der Hauptgrund gewesen sein.

Ob und wie stark die Welle, die meist Anfang des Jahres losrollt, in dieser Saison ausfällt, lässt sich noch nicht sicher sagen. Doch die Sorge, dass es auch bei der Grippe Nachholeffekte und damit weitaus mehr Fälle geben könnte, sei sehr berechtigt, sagt Reinhard Berner.

Er würde kleinen Kindern vorbeugend eine Impfung empfehlen. "Vor allem im ersten und zweiten Lebensjahr sind schwere Verläufe möglich", erklärt er. Wenn man die Kindergarten-Altersgruppe bei der Impfung einbezieht, sei das vernünftig. "Da sind die höchsten Zahlen und Krankheitslasten."

Die Grippeschutzimpfung kann ab einem Alter von sechs Monaten verabreicht werden. Alternativ zur Spritze steht für Kinder zwischen
2 und 17 Jahren auch ein Lebendimpfstoff gegen Influenza zur Verfügung, der als Nasenspray gegeben wird.

Empfohlen wird die Influenza-Impfung von der Ständigen Impfkommission (Stiko) für Kinder mit bestimmten Grunderkrankungen - das heißt aber nicht, dass sie für gesunde Kinder ausgeschlossen ist. Bei ihnen verläuft eine Influenza in der Regel ohne schwerwiegende Komplikationen, so das Robert Koch-Institut (RKI).
 

Spannungsfeld durch Corona

Die Daten zeigen, dass Kinder zwar äußerst selten schwer an Covid-19 erkranken. Doch sie können sich natürlich infizieren und den Erreger übertragen. Wenn nun viele Kinder Infekte nachholen, dann sind sie in diesem Herbst und Winter vermutlich oft verschnupft, ohne wirklich sehr krank zu sein.

Das ist ein Spannungsfeld. Denn natürlich steht bei solchen Symptomen immer auch die Frage im Raum: Ist es vielleicht doch Corona? Deshalb sind viele Kitas gerade sehr restriktiv im Umgang mit Schnupfnasen.

In die Kita - oder nicht?

Kinderarzt Jakob Maske sagt: "Natürlich dürfen Kinder mit einem Erkältungsinfekt in die Kita gehen, da spricht nichts dagegen. Aber manchmal ist es halt schwer zu unterscheiden: Ist es Corona oder nicht?" Er rät: Im Zweifel sollte man einen Test machen. "100 Prozent kriegt man hier nie, aber es ist eine zusätzliche Sicherheit."

Für oberflächliche Erkältungsinfekte, wo es keinen Anhaltspunkt für Corona gebe, etwa durch vorherigen Kontakt mit einer infizierten Person, gilt aus Sicht des Kinderarztes Maske: ruhig ab in die Kita.

Nicht nur mit Blick auf Corona, sondern auch auf die starken Nachholeffekte bei anderen Infekten, sagt Reinhard Berner: "Kinder mit Atemwegsinfektionen sollten nicht in die Kita gebracht werden. Wer krank ist, bleibt lieber daheim." Auch wenn viele schon ansteckend sind, ehe sich Symptome zeigen: Daheimbleiben sei in dem Fall das Einzige, das wirklich etwas bewirken könne, damit die Infekte unter den Kindern nicht noch mehr um sich greifen.

Quelle: dpa

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