Eine behandschuhte Hand hält eine Lupe, die ein Coronavirus vergrößert© bombermoon / iStock / Getty Images Plus
Wenn die Suche erschwert wird - selbst mit der metaphorischen Lupe fahndet das Immunsystem nicht immer erfolgreich nach der Omikron-Variante.

Immunflucht

NEUE OMIKRON-VARIANTEN UNTERLAUFEN IMMUNSYSTEM

Während uns das Virus in den letzten Jahren um diese Zeit eine Verschnaufpause gewährte, stecken wir nun mittendrin in der Sommerwelle. Der Grund liegt in den dominierenden Omikron-Varianten: Eine vorrangegangene Infektion schützt kaum vor einer Infektion.

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In Deutschland sind – wie in vielen anderen Ländern mittlerweile auch – die Omikron-Varianten BA.4 und BA.5 dominant. Die Zahlen steigen und man spricht derweil eher von einer Sommerwelle als einem Sommerloch. Doch woran liegt das? Werden die „neuen“ Varianten leichter übertragen oder werden sie weniger gut durch bestehende Antikörper durch Impfung und/oder durchlebte Infektion abgewehrt?

Eine Studie von Forschenden des Deutschen Primatenzentrums (DPZ) - Leibniz-Institut für Primatenforschung, der Medizinischen Hochschule Hannover und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg fand nun zum einen heraus, dass die Untervarianten BA.4 und BA.5 schwächer durch therapeutische Antikörper gehemmt werden können. Und diese Erkenntnis ließ sich zum anderen auch auf körpereigene Antikörper übertragen, die infolge einer Impfung oder einer durchlebten Infektion gebildet werden.

Immunflucht dank Mutation

Diese „Immunfluchtvarianten“ unterlaufen also das Radar unseres Immunsystems. Während eine Infektion mit älteren Virusvarianten noch zu einem gewissen Schutz vor Neuinfektionen führte – vor allem in Kombination mit einer Impfung – so lässt sich dies über die neuen Varianten nicht bestätigen.

Geschafft hat dies SARS-CoV-2 durch Glück, denn Mutationen entstehen vor allem aus Fehlern während der Replikation. Daraus resultierende Veränderungen am Spikeprotein führen zu einer schlechteren Antikörperantwort im Körper – so können sich Untervarianten leichter innerhalb der Bevölkerung ausbreiten, auch wenn diese größtenteils geimpft ist und/oder schon einmal infiziert war.

Wie wird der Herbst?
Durch die steigenden Zahlen bangen viele Menschen vor der Entwicklung im Herbst und Winter – auch mit angepassten Maßnahmen ist dann zu rechnen. Laut Justizminister Marco Buschmann will die Bundesregierung noch diesen Monat ein neues Konzept vorlegen – auch die Maskenpflicht werde wieder eine Rolle spielen, sagte der Politiker gegenüber der „Welt am Sonntag“. Über 2G und 3G werde noch gesprochen.
In seinem Sommerinterview mit der ARD äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz bereits ablehnend gegenüber potenziellen Lockdowns: "Schulschließungen sollte es nicht mehr geben, und ich glaube auch nicht, dass wir so einen Lockdown brauchen, wie wir ihn in den letzten Jahren hatten."
Konkrete Entwürfe gibt es aber bereits: So plant die Bundesregierung eine Verlängerung der Rechtsgrundlagen für Corona-Impfungen bis zum 30. April 2023, bundesweite Mindeststandards für Hygiene und Infektionsprophylaxe in Pflegeeinrichtungen sowie eine zentrale Meldestelle für freie und belegte Betten auf Normalstation. Auch sollen künftig alle PCR-Testergebnisse gemeldet werden, nicht nur die positiven.  

Immunflucht erschwert Forschung

Das Forschungsteam konnte in ihren Untersuchungen nur einen Antikörper identifizieren, der alle Omikron-Varianten zuverlässig blockierte: Bebtelovimab (LY-CoV1404). Der Antikörper erhielt Anfang des Jahres in den USA bereits eine Notfallzulassung für Patient*innen mit leichtem bis mittelschwerem COVID-19.

„Diese Ergebnisse bestätigen einen Trend, der sich bereits in unseren früheren Studien gezeigt hat: Omikron-Untervarianten werden durch die meisten therapeutischen Antikörper nicht gut gehemmt und die wenigen Antikörper, die gute Hemmung zeigen, sind häufig gegen eine Untervariante aktiv, aber nicht gegen eine andere. Es ist daher wichtig, dass zeitnah neue Antiköper für die Therapie entwickelt werden, um für zukünftige Varianten gut gerüstet zu sein“, sagt Prerna Arora, Erstautorin der Studie.

Impfung dennoch wichtig

Antikörper ungeimpfter Personen, die eine Infektion mit BA.1 oder BA.2 durchlebt hatten, schützten kaum gegen BA.4 oder BA.5. Die gebildeten Antikörper nach einer vollständigen Grundimmunisierung plus Booster (mit dem mRNA-Impfstoff von BioNTech/Pfizer) hemmten alle Omikron-Untervarianten, wenn auch gegen die „neuen“ Untervarianten in reduziertem Umfang. Ähnlich verhält es sich mit der sogenannten Hybrid-Immunität, also Impfung mit anschließender Durchbruchinfektion. Die nächsten Wochen werden zeigen, welche Daten die neuen maßgeschneiderten Omikron-Impfstoffe liefern. 

„BA.2.12.1 sowie insbesondere BA.4 und BA.5 sind Antikörperfluchtvarianten. Die Impfung wird dennoch vor einem schweren Verlauf schützen, der Schutz wird jedoch wahrscheinlich etwas geringer ausfallen als bei den vorher zirkulierenden Varianten“, sagt Markus Hoffmann, Letztautor der Studie. Und Stefan Pöhlmann, gemeinsamer Leiter mit Hoffmann ergänzt: „Unsere zukünftigen Studien müssen zeigen, ob BA.2.12.1 und BA.4 und BA.5 nicht nur schlechter durch Antikörper gehemmt werden, sondern auch Lungenzellen besser infizieren. Wenn das der Fall sein sollte, ist ein Anstieg der Hospitalisierungen nicht auszuschließen. Allerdings wurde ein solcher Effekt zumindest in Südafrika, wo BA.4 und BA.5 zuerst nachgewiesen wurden, bislang noch nicht beobachtet“.

Quellen:
Tagesschau
Informationsdienst Wissenschaft
Tagesschau

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