Kondome auf der Wäscheleine
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IM ZEITALTER DER HORMONE

Das Thema Verhütung verliert nie an Aktualität. Und obwohl heute alle aufgeklärt sind, besteht in der Apotheke immer wieder Bedarf für ein Beratungsgespräch über sicheren Empfängnisschutz.

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Verhütungspflaster Zur gleichen Zeit wie der Vaginalring kam ein transdermales Matrixpflaster zur Empfängnisverhütung in die deutschen Apotheken. Es wird einmal wöchentlich auf die Haut geklebt, nach drei Wochen erfolgt eine siebentägige Hormonpause. Das Pflaster gibt kontinuierlich Estrogen und Gestagen (Norelgestromin) ins Blut ab, wobei die Dosis der täglich freigesetzten Hormone mit 20 Mikrogramm Ethinylestradiol der von Mikropillen entspricht.

Auch Wirkprinzip, Verträglichkeit und Sicherheit sind die gleichen wie die der Pille (PI 0,88). Es ist allerdings nicht für Frauen über 90 kg geeignet, da bei ihnen der Empfängnisschutz nicht ausreichend gewährleistet ist. Sollte sich das Pflaster für weniger als 24 Stunden ganz oder teilweise abgelöst haben, wird kein zusätzliches Kontrazeptivum notwendig, wenn es an derselben Stelle wieder aufgeklebt oder durch ein neues Pflaster ersetzt wird. Die häufigste unerwünschte Wirkung des Pflasters sind Hautreizungen, die zum Therapieabbruch führen können. Die Gegenanzeigen entsprechen weitestgehend denen der Pille.

Thromboemboliegefahr Bei allen Estrogen-Gestagen-Kombinationen kann es zu Nebenwirkungen wie Zwischenblutungen, leichten Kopfschmerzen, Brustspannen oder Übelkeit kommen. Diese unerwünschten Effekte treten vor allem in den ersten Monaten der Einnahme auf. Gefürchtet sind jedoch vor allem die thromboembolischen Ereignisse wie tiefe Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien. Sie treten zwar sehr selten auf, sind aber sehr schwerwiegend. Das Risiko hängt neben individuellen Gegebenheiten wie Alter über 35 Jahre, Rauchen, Übergewicht, Thromboembolien in der eigenen oder in der Familienanamnese und Migräne auch von der eingenommenen Wirkstoffkombination sowie der Dosierung ihrer Einzelkomponenten ab. Grundsätzlich erhöhen sowohl Estrogene als auch Gestagene das Thromboembolierisiko.

Durch Reduktion der Ethinylestradioldosis ließ sich bei modernen Präparaten das Risiko für Thrombosen bereits deutlich senken. Während die ersten oralen Kontrazeptiva (Pillen der ersten Generation) über 50 Mikrogramm Estrogen enthielten, weisen die heutigen Pillen in der Regel 20 bis 30 Mikrogramm auf. Zudem erhofft man sich von den „natürlichen“ Estrogenen Estradiolvalerat und 17-beta-Estradiol eine geringere Thrombogenität, wobei dazu derzeit noch keine gesicherten Aussagen gemacht werden können. Was man aber inzwischen sicher weiß, ist, dass bei den modernen Präparaten mit niedriger Estrogendosis vor allem die Gestagen-Komponente das Thromboembolierisiko bestimmt, wobei vor allem Gestagene der dritten und vierten Generation das Risiko für thromboembolischen Ereignisse erhöhen.

Besonders hoch ist das Risiko in den ersten zwölf Anwendungsmonaten, vor allem in den ersten drei Monaten sowie nach einer Einnahmeunterbrechung von vier Wochen. Im Umkehrschluss geht man derzeit davon aus, dass sich das Thromboembolierisiko durch Dosisreduktion des Estrogens und Auswahl eines risikoarmen Gestagens vermindern lässt. Diese Zusammenhänge gelten nicht nur für kombinierte orale Kontrazeptiva (klassische Pille), sondern auch für andere Darreichungsformen, die Estrogene in Kombination mit Gestagenen der dritten und vierten Generation enthalten. Daher ist auch beim Verhütungsring und dem Verhütungspflaster das Thromboembolierisiko erhöht.

Kontraindikation für die PilleDie Pille und andere kombinierte Estrogen-Gestagen- Präparate sind nicht für alle Frauen das Verhütungsmittel der Wahl. Vor Verwendung sind mögliche Kontraindikationen zu beachten, wobei Unterschiede gemacht werden, welche Estrogen-Gestagen-Kombination verordnet wird. So sind hormonelle Kontrazeptiva mit Gestagenen der dritten und vierten Generation insbesondere nicht geeignet für Frauen

  • über 35 Jahre
  • mit positiver (Familien-) Anamnese bezüglich Thromboembolien
  • mit Bluthochdruck (über 140/90 Millimeter Hg)
  • mit Diabetes
  • mit stark erhöhtem Blutlipidspiegel bei ihnen selbst oder bei einem nahen Verwandten
  • mit Migräne
  • mit kardiovaskulärer Vorerkrankung
  • mit Komorbiditäten mit erhöhtem Thromboserisiko wie beispielsweise Krebs, systemischem Lupus erythematodes, Sichelzellenanämie, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, hämolytisch-urämischem Syndrom
  • unter Medikation mit potenziell thrombogenen Arzneimitteln wie beispielsweise Kortikosteroide, Neuroleptika, Antipsychotika, Antidepressiva, Chemotherapeutika
  • deren Mobilität länger als vier Stunden eingeschränkt ist (geplante Reise) sowie , für Raucherinnen.

Überhaupt keine hormonellen Kontrazeptiva sollten vier Wochen vor einer geplanten Operation und bis zu zwei Wochen nach vollständiger Remobilisierung sowie bis drei Wochen nach einer Entbindung zur Anwendung kommen. Weitere Kontraindikationen für alle hormonellen Kontrazeptiva sind das Vorliegen von Thromboembolien, Gerinnungsstörungen, Migräne mit Aura, Diabetes mit Gefäßschäden, sehr hoher Blutlipidspiegel a a sowie Rauchen in einem Alter über 35 Jahre.

Gestagen-MonopräparateHingegen gelten reine Gestagenpräparate als unbedenklich. Sie scheinen keinen negativen Effekt auf das Gerinnungssystem zu haben und daher auch nicht das Thromboembolierisiko zu erhöhen (Ausnahme: Depot-Injektion). Sie sind sehr zuverlässige Verhütungsmethoden, die für Frauen geeignet sind, die keine Estrogene einnehmen möchten oder dürfen. Im Allgemeinen werden estrogenfreie Methoden gut vertragen. Allerdings kann es, besonders zu Beginn der Anwendung, zu unregelmäßigen Blutungen, Akne, Kopfschmerzen und depressiven Verstimmungen kommen.

Die Blutungsunregelmäßigkeiten normalisieren sich meist innerhalb weniger Monate wieder. In anderen Fällen bleibt die Menstruation aber komplett aus (Amenorrhoe), was von den Frauen unterschiedlich bewertet wird. Manche Frauen sind beim Fehlen einer Regelblutung beunruhigt, andere schätzen wiederum, dass nicht nur die Blutung, sondern auch eventuelle damit verbundene Schmerzen ausbleiben. Neben der Minipille stehen als estrogenfreie Kontrazeptiva Gestagen-haltige Depotformen wie die Dreimonatsspritze, ein implantierbares Verhütungsstäbchen und eine Hormonspirale zur Verfügung.

Implantierbares VerhütungsstäbchenDas Hormonimplantat ist in Deutschland seit dem Jahr 2000 zugelassen und wird vom Arzt in die Innenseite des Oberarms unter die Haut geschoben. Das Stäbchen setzt kontinuierlich bis zu drei Jahre lang eine niedrige Dosis an Gestagen (Etonogestrel) frei, die zur Unterdrückung des Eisprungs ausreicht und somit eine hohe Sicherheit bedingt (PI 0,1). Da sich das Polymer des Trägermaterials nicht abbaut, muss das Stäbchen durch einen kleinen Schnitt mit einer Klemme wieder entfernt werden. Da estrogenfrei, ist das Implantat für stillende Mütter geeignet. Bei übergewichtigen Frauen kann im dritten Anwendungsjahr der Empfängnisschutz durch allmähliches Abfallen der Freisetzungsrate des Hormons verringert sein, sodass ein vorzeitiger Wechsel des Implantates notwendig werden kann.

Hormonspirale Bei der hormonhaltigen T-förmigen Kunststoffspirale handelt es sich ebenfalls um ein reines gestagenhaltiges Kontrazeptivum. Die Spirale wird vom Arzt direkt in der Gebärmutterhöhle platziert, wo sie kontinuierlich über fünf Jahre hinweg das Gestagen (Levenorgestrel) freisetzt. Die Hormonspirale verhütet sehr sicher (PI 0,16), obwohl sie durch die niedrige Hormondosis keine Unterdrückung der Ovulation bewirkt. Sie führt lediglich zu einer Viskositätserhöhung des Zervixschleims. Wie bei anderen Gestagen-Monopräparaten auch, kann sich das Zyklusmuster verändern. Anfangs sind Schmierblutungen häufig, später kann es zu sehr schwachen und unregelmäßigen Blutungen, aber auch zur Amenorrhö kommen. Stillende Frauen können die Hormonspirale verwenden, für kinderlose Frauen ist das intrauterine System aber nur bedingt geeignet, weil die Einlage nicht möglich oder sehr schmerzhaft sein kann.

Depotgestagene zur Injektion Hormonhaltige Depotspritzen mit Medroxyprogesteronacetat sind schon über 30 Jahre im Handel, werden heute aber nur selten verwendet. Die Depotspritze wird alle drei Monate vom Arzt in den Gesäß- oder Oberarmmuskel der Frau injiziert. Aufgrund der hohen Dosierung des Hormons wirkt die Spritze nicht nur peripher durch Verdickung des Zervixschleims und Beeinflussung der Gebärmutterschleimhaut, sondern auch durch Unterdrückung des Eisprungs und wirkt so zuverlässig empfängnisverhütend (PI 0,2 bis 2). Auch hier sind häufige Blutungsstörungen typisch, die bei 20 bis 50 Prozent der Verwenderinnen einen Therapieabbruch verursachen. Darüber hinaus führen die Depotspritzen häufig zu Nebenwirkungen wie beispielsweise Gewichtszunahme, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Nervosität, depressiver Stimmung und Abnahme der Libido.

Notfallverhütung Ist es zu einer Verhütungspanne gekommen, kann bis zu fünf Tage nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr mit Hilfe einer Kupferspirale das Einnisten einer befruchteten Eizelle verhindert werden. Zudem stellt die „Pille danach“ eine Möglichkeit dar, eine ungewollte Schwangerschaft abzuwenden. Seit März 2015 ist sie ohne Rezept erhältlich, was Frauen aber nicht dazu verleiten sollte, diese apothekenpflichtigen Präparate als eine Methode zur Empfängnisverhütung einzusetzen. Die „Pille danach“ bleibt ein Notfallkontrazeptivum, das nicht für die Routineverhütung gedacht ist.

„Pille danach“ Das Notfallkontrazeptivum gibt es in zwei Varianten. Entweder ist Levonorgestrel oder Ulipristal enthalten. Beide Wirkstoffe können den Eisprung verschieben, sodass vorhandene Spermien absterben, bevor sie auf eine befruchtungsfähige Eizelle treffen. Eine bereits bestehende Schwangerschaft können sie aber nicht beeinflussen, sodass die „Pille danach“ keine Abtreibungspille ist. Zudem bieten sie keinen absoluten Schutz. Beide Wirkstoffe haben eine Wirklücke, die im Wirkmechanismus begründet ist. Ulipristal versagt nach erfolgtem Eisprung. Levornogestrel wirkt bereits nicht mehr, wenn der Anstieg des luteinisierenden Hormons (LH), der dem Eisprung unmittelbar vorausgeht, begonnen hat.

Rasch reagierenDamit die „Pille danach“ eine ungewollte Schwangerschaft verhindern kann, muss sie möglichst bald nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr zum Einsatz kommen. Für beide Wirkstoffe gilt die Regel, dass sie umso sicherer wirken, je früher sie eingenommen werden. Die „Pille danach“ mit dem hoch dosierten Gestagen Levonorgestrel sollte vorzugsweise innerhalb von zwölf Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr und nicht später als 72 Stunden (drei Tage) danach geschluckt werden. Mit Ulipristal hat die Frau sogar noch zwei Tage mehr Zeit, eine ungewollte Schwangerschaft abzuwenden. Der Progesteronrezeptor-Modulator wirkt bis zu 120 Stunden (fünf Tage) nach dem ungeschützten Verkehr, zeigt aber die beste Wirkung bei Einnahme innerhalb von 24 Stunden.

Zusätzlich verhüten Da die „Pille danach“ nur den Eisprung verschiebt, ist im Rest des Zyklus bei erneutem Geschlechtsverkehr wieder eine Schwangerschaft möglich. Die Kundin sollte daher darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie bis zum Eintreten der nächsten Blutung mit einer nicht-hormonellen Methode zusätzlich verhüten muss. Obwohl die Wirksamkeit eines zuvor routinemäßig angewandten hormonellen Empfängnisschutzes nicht mehr gewährleistet werden kann, wird den Frauen dennoch geraten, ihre hormonellen Kontrazeptiva weiterhin zu verwenden, um Zyklusstörungen zu vermeiden.

Nicht-hormonelle VerhütungsmethodenEs stehen mehrere hormonfreie Möglichkeiten für eine natürliche Verhütung zur Verfügung. Allerdings sind sie meist weniger sicher als hormonelle Kontrazeptiva (Ausnahme: Kupferspirale und Kupferkette), wobei es unter den verschiedenen Verhütungsmethoden große Unterschiede gibt, wie der PI zeigt. Die Sicherheit nicht-hormoneller Verhütungsmethoden hängt entscheidend von ihrer korrekten Handhabung ab. Um die Zuverlässigkeit des Empfängnisschutzes zu erhöhen, ist es ratsam, verschiedene Methoden zu kombinieren. Unter den mechanischen Methoden kommt das Kondom (Präservativ, PI 2 bis 12) am häufigsten zum Einsatz. Es bietet wie das Femidom („Kondom für die Frau“, PI 5 bis 25) den Vorteil, zusätzlich vor sexuell übertragbaren Erkrankungen zu schützen.

Während das Femidom mit fett- und wasserlöslichen Gleitmitteln oder Spermiziden kombiniert werden darf, zerstören Cremes auf Fettoder Ölbasis das Kondom. Sie sind auch bei Verwendung eines Diaphragmas (Scheidenpessar, PI 1 bis 20) ungeeignet, da sie auch dieses angreifen. Spermizide sind chemische Verhütungsmethoden, die als Schaum, Spray, Gel, Salbe oder Zäpfchen zur Verfügung stehen. Sie setzen Nonoxiol-9, Milch- und Zitronensäure als Wirkstoffe ein, welche die Spermien abtöten oder ihre Beweglichkeit hemmen sollen. Aufgrund ihres hohen PI (3 bis 21) eignen sie sich vor allem als zusätzliche Verhütungsmaßnahme und werden beispielsweise bei Verwendung eines Diaphragmas angeraten.

Ein Diaphragma wird vor dem Geschlechtsverkehr vor dem Muttermund platziert und darf erst sechs bis acht Stunden nach dem Geschlechtsverkehr entfernt werden. Nach Gebrauch wird es immer gereinigt. Sind Risse zu sehen, muss es sofort ausgetauscht werden, ansonsten sollte spätestens nach fünf Jahren ein Wechsel erfolgen. Gleiches gilt für die Portiokappe (Okklusivpessar, PI 6). Sie wird allerdings nur selten zur Verhütung eingesetzt. Diaphragma und Portiokappe sind in verschiedenen Größen erhältlich und müssen vom Frauenarzt individuell angepasst werden. Auch die Kupferspirale (Intrauterinpessar, PI 0,3 bis 0,8) und die Kupferkette (PI 0,1 bis 0,5) erfordern den Gang zum Gynäkologen.

Er legt diese während der Regelblutung in die Gebärmutter ein, wo sie bis zu fünf Jahre verbleiben können. Das Kupfer vermindert die Beweglichkeit der Spermien derart, dass sie nicht mehr in der Lage sind, die Eizellen zu befruchten. Nicht zu vergessen sind die Methoden zur natürlichen Familienplanung wie die Kalendermethode (Knaus-Ogino-Methode), Temperatur-Methode (Bestimmung der Basaltemperatur), Billings-Methode (Begutachtung des Zervixschleims) sowie eine Kombination aus Temperatur- und Billings-Methode (symptothermale oder Rötzer-Methode). Diese Methoden werden immer beliebter, zumal es spezielle Minicomputer gibt, die dabei helfen, die fruchtbaren Tage zu identifizieren.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/17 ab Seite 34. 

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

„Im Zeitalter der Hormone”

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