© :ipopba / iStock / Getty Images
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Psychologie in der Apotheke

HOFFNUNG

Den Satz „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ kennt fast jeder. Tatsächlich hat die Aussage auch im medizinischen Kontext eine Bedeutung und mitunter kann Hoffnung ein wichtiger Teil einer Therapie sein.

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Die positive Bedeutung des Begriffs schlägt sich in verschiedenen Redensarten der deutschen Sprache nieder. „Es lebt nichts, wenn es nicht hofft.“, „Jede Hoffnung ist eigentlich eine gute Tat.“ oder „Die Hoffnung ist die Säule, welche die Welt trägt.“ sind nur wenige Beispiele. Die meisten Menschen hoffen auf ein langes Leben, manche hoffen auf materiellen Wohlstand, während Kranke in erster Linie hoffen, wieder gesund zu werden und Gläubige den Begriff oft mit ihrem Vertrauen in Gott assoziieren. Das Konstrukt ist im gesamten Leben von besonderer Bedeutung und spielt vor allem im Alter, bei Krankheit und am Lebensende eine entscheidende Rolle. Hoffnung und Zuversicht gehören zu einem Schutzmechanismus der Psyche und aktivieren Selbstheilungskräfte. Personen mit Hoffnung genesen bei Krankheiten schneller und finden nach einem Schicksalsschlag schneller ins Leben zurück (Resilienz).

Definitionen Aus psychologischer Sicht handelt es sich bei Hoffnung um eine positive Erwartungsemotion, die mit Selbstvertrauen, Zuversicht, optimistischer Spannung Zukunftssehnsucht und Zutrauen der Zielsetzung in Verbindung steht, allerdings auch unrealistische Erwartungen widerspiegeln kann. Nach Maria Miceli und Cristiano Castelfranchi ist Hoffnung eine antizipierende Emotion, sie bezieht sich auf die Erwartung eines zukünftigen Ereignisses. Voraussetzungen dafür sind die Auffassung, dass das Ereignis möglich ist, der Wunsch, dass es stattfindet und die Ansicht, dass man keinen oder nur einen bedingten Einfluss darauf hat. Hoffnung stabilisiert die Motivation von Individuen, wobei aktiv Hoffende sich emotional von negativen Erwartungen distanzieren, während passiv Hoffende mögliche Mittel, das Ziel zu erreichen, vollständig ausklammern.

Charles Richard Snyder formulierte in den 1980er Jahren verschiedene Prinzipien seiner Hoffnungstheorie. Zunächst bezeichnete er Hoffnung als die Motivation, sich an positive Ergebnisse oder Ziele zu binden. Er sah in dem Konstrukt Hoffnung kognitive Komponenten und zwar zum einen die Entschlossenheit, sich auf ein Ziel zuzubewegen (agency), zum anderen die Erwartung, Wege zu finden, dieses Ziel zu erreichen (pathways). Um die Hoffnung zu messen, entwickelte er die sogenannte Hope Scale, welche über verschiedene Items die Ausprägung der Komponenten agency (zum Beispiel: „Ich verfolge meine Ziele mit Energie.“) und pathways („Es gibt viele Wege, ein Problem zu bewältigen.“) erfasst. Laut Snyder lassen sich hoffnungsvolle Personen weniger schnell entmutigen und suchen neue Wege, wenn sie auf Hürden stoßen.

Hoffnungslosen Menschen fällt es hingegen schwer, bei Hindernissen Alternativen zu finden, sodass sie meist schneller aufgeben. Das Konstrukt Hoffnung überlappt sich nach dieser Definition stark mit Konzepten wie Optimismus oder Selbstwirksamkeitserwartung. Auch Optimismus hat eine Vielzahl von positiven Auswirkungen für das Individuum: In Studien konnte gezeigt werden, dass optimistische Menschen weniger anfällig für Depressionen und Angst sind, eine bessere physische und psychische Gesundheit aufweisen, von einer höheren Lebensqualität profitieren und sogar länger leben. Sie bewältigen Stress besser, was wiederum das Immunsystem schützt. Die Selbstwirksamkeitserwartung stellt die Überzeugung eines Individuums dar, durch die Ausführung eines bestimmten Verhaltens ein erwünschtes Ergebnis zu erzielen. Sie wird positiv mit einer Reihe von gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen assoziiert, wie etwa mit dem Rauchstopp, dem Einhalten von Diäten oder dem Beginn und der Aufrechterhaltung körperlicher Aktivität.

Das Gegenteil von Hoffnung ist Verzweiflung, Resignation oder Depression.

Positiver Einfluss Immer mehr Untersuchungen deuten darauf hin, dass Hoffnung mehr als nur ein Gefühl ist und zu einem besseren Umgang mit einer belastenden Situation führen kann. Erkrankt eine Person schwer, ist die Diagnose meist ein gravierender Einschnitt ins Leben – Betroffene teilen ihr Leben oft in die Zeitabschnitte vor und nach der Diagnose ein. Schwere Erkrankungen gehen mit einer hohen Komorbidität für psychische Erkrankungen einher, sodass etwa jeder dritte Krebskranke im Initialstadium eine psychische Störung (vor allem eine Depression oder Angststörung) aufweist, im Endstadium ist es sogar jeder zweite. Depressionen und Angststörungen können die Prognose negativ beeinflussen, verschlechtern den Krankheitsverlauf und erhöhen sogar die Sterberate, da Patienten dann in der Regel nicht mehr auf einen gesunden Lebensstil achten, sich zurückziehen, wenig bewegen und sich ungesund ernähren.

Psychologen des Royal Marsden Hospitals in London haben herausgefunden, dass Patienten mit Hoffnung ihren eigenen Krankheitsverlauf günstig beeinflussen können. Sie nehmen ihre Krankheit selbst in die Hand, bekämpfen sie mit allen möglichen Mitteln, sind aktiver und leben gesünder. Hoffnung reduziert die mit einer Krankheit einhergehende psychische Belastung und kann daher als wichtiger Therapiebaustein fungieren. Häufig beruhen wissenschaftliche Untersuchungen auf Messungen der Hoffnung mit Snyders Hope Scale. Verschiedene Studien zeigten, dass Hoffnung sich in den unterschiedlichsten Lebensbereichen positiv auswirken kann: Es bestehen Zusammenhänge zwischen Hoffnung und sportlichen Leistungen, psychischem sowie physischem Wohlbefinden, außerdem begünstigt Hoffnung akademische Erfolge.

Formen der Hoffnung Hoffnung bedeutet für jeden Menschen etwas anderes und hängt von dem Wertesystem eines Individuums ab. Die Diagnostik einer Erkrankung und die Prognose des eintretenden Todes sind zwar ein Riesenschock für den Betroffenen, doch sie nehmen ihm nicht automatisch die Hoffnung. Menschen mit einer begrenzten Lebenserwartung haben nicht unbedingt weniger Hoffnung als Gesunde, allerdings sind es andere Erwartungen.

Erfährt ein Patient von seiner unheilbaren Krankheit, hofft er zunächst, dass es vielleicht doch nicht so schlimm ist. Akzeptiert er sein nahendes Ende, sind ihm hingegen Lebensqualität, Angst- und Schmerzfreiheit wichtig. In der Endphase ist es meist nicht die verbleibende Lebenszeit, auf die ein Patient hofft, sondern er sehnt sich danach, bestimmte Ereignisse die ihm wichtig sind, noch zu erleben. Bei dem einen ist es die Geburt des Enkels, bei dem anderen das Abitur des Kindes oder der Familienurlaub.

Abgrenzung zur Resilienz Im Gegensatz zum Konstrukt Hoffnung ist Resilienz als psychische Widerstandsfähigkeit, also als Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und auf eigene Ressourcen zurückzugreifen, definiert. Individuen mit einer hohen Ausprägung auf dem Faktor Resilienz verkraften Rückschläge meist gut, überwinden berufliche Krisen konstruktiv und gehen insgesamt aus Tiefschlägen eher gestärkt als geschwächt hervor.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 07/19 ab Seite 122.

Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie und Fachjournalistin

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