Im Vordergrund ein durchsichtiges Hörgerät, im HIntergrund ein Beratungsgespräch beim Arzt© peakSTOCK / iStock / Getty Images Plus
Moderne Hörgeräte sind kleiner und unauffälliger - trotzdem ist ihr Image immer noch schlecht.

Hörverlust

DREI GUTE GRÜNDE FÜR EIN HÖRGERÄT

Hörprobleme im Alter schlagen auf die Lebensqualität. Es drohen körperliche, seelische und kognitive Risiken, manchmal sogar eine Depression. Hörgeräte helfen - wäre da nur nicht das Image-Problem.

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Wenn Menschen schwerhörig werden, reagieren sie oft viel zu spät. „Das hat damit zu tun, dass der Hörverlust meistens über viele Jahre schleichend verläuft", sagt Prof. Christiane Völter. Sie leitet das Hörkompetenzzentrum an der Ruhr-Universität Bochum.

Vielen Betroffenen fällt es schwer, sich das Problem einzugestehen. Häufig würden Angehörige die Patienten in die Sprechstunde bringen, sagt Völter. Denn denen fällt auf, dass die Partnerin den Fernseher neuerdings so laut aufdreht oder der Vater Wörter falsch versteht. Betroffene sollten frühzeitig zum HNO-Arzt gehen und einen Hörtest machen. Fällt er nicht gut aus, kann ein Hörgerät die Minderung ausgleichen.

Hörverlust kann weitere Folgen haben

Geht man das Hörproblem lange nicht an, kann das unangenehme Folgen haben. Und die gehen zum Teil weit über Kommunikationsprobleme hinaus. Schlechteres Hören kann auch zu körperlichen Problemen wie einer erhöhten Sturzgefahr und auch zu seelischen und geistigen Beeinträchtigungen führen.

Wer eine Hörminderung hat, so das Modell des schwedischen Psychologen Jerker Rönnberg, bei dem stimmen die eingehenden akustischen Signale nicht mehr mit dem überein, was das Gehirn im Langzeitgedächtnis gespeichert hat.

Nicht unbedingt eine Frage des Alters
Der Hörverlust beginnt oft schon zwischen 45 und 50 Jahren, sagt Prof. Birgit Mazurek, Direktorin des Tinnituszentrums an der Berliner Charité. Vorfälle wie ein Knalltrauma, genetische Ursachen oder mehrmalige Hörstürze können das Einsetzen noch weiter verfrühen.
Dennoch: Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in der Altersgruppe zwischen 60 und 69 Jahren rund jeder Fünfte eine Hörstörung. Bei den 70- bis 79-Jährigen sind es schon 42 Prozent, bei den über 80-Jährigen fast drei Viertel (71,5).

Das ist sehr anstrengend, sagt Christiane Völter, weil „der Hörgeschädigte seine kognitiven Fähigkeiten einsetzen muss, um aus den Bruchstücken, die er gehört hat, einen sinnvollen Satz zu formen". Das verschwendet kognitive Ressourcen, die für andere Aufgaben dann nicht mehr vollständig zur Verfügung stehen.

Wer schwer hört, zieht sich oft zurück

Laut Birgit Mazurek haben Schwerhörige ein deutlich erhöhtes Risiko, pflegebedürftig zu werden. Dies gelte auch für die Gefahr zu stürzen. Hörgeschädigte ziehen sich auch oft von anderen Menschen zurück - und schädigen sich damit möglicherweise zusätzlich. „Wenn man weniger unter Menschen geht, sich weniger an Gesprächen beteiligt, erhält man auch weniger stimulierenden Input", sagt Christiane Völter. „Dies kann sich auch auf die geistige Leistungsfähigkeit auswirken."

Diese Isolation und ein eventuell damit einhergehender Bewegungsmangel erhöht zudem die Gefahr einer Depression, erklärt Birgit Mazurek und spricht von einem „Vierer-Blatt", das die Problematik zusammenfasst: „Hören, Mobilität, Kognition, Depression." Studien weisen auch auf einen Zusammenhang hin, zwischen Hörverlust und erhöhtem Risiko, an einer Depression oder Demenz zu erkranken.

Christiane Völter mahnt hier aber zur Vorsicht. Epidemiologische Studien deuteten zwar auf einen Zusammenhang hin. Bislang sei aber nicht geklärt, „in welcher Weise sich Hörstörungen und kognitive Veränderungen gegenseitig beeinflussen", betont sie.

Ein Hörgerät hält leistungsfähig - aber nicht allein

Wegen der gesundheitlichen Risiken raten Fachleute, sich frühzeitig ein Hörgerät verschreiben zu lassen. Damit „bleiben Patienten kognitiv leistungsfähiger", sagt Birgit Mazurek, auch wenn sie findet, dass man sich nicht allein darauf verlassen sollte.

Denn das Gehirn braucht einen Mehrfachanreiz. Auch ältere Menschen sollten sich bewegen und für kognitive Reize sorgen, also nicht nur vor dem Fernseher sitzen. „Man kann nicht sagen: Ich trage ein Hörgerät und alles ist gut."

Hörhilfen nur selten genutzt
Trotz der guten Ergebnisse bei Hörhilfen werden sie selten genutzt. In der Gruppe der 60- bis 69-Jährigen tragen laut dem Deutschen „Ärzteblatt" nicht mal sechs Prozent der Schwerhörigen ein Hörgerät, bei den 80-Jährigen ist es knapp ein Drittel. Das mag damit zu tun haben, dass die Geräte noch immer mit dem Älterwerden assoziiert werden. Zudem brauchten Hörgeschädigte „Zeit, um sich an den neuen Höreindruck zu gewöhnen", sagt Christiane Völter. Sich diese Zeit zu nehmen, lohne sich aber.

Mit der Nutzung sollte man nicht zu spät anfangen, auch um das Anlegen und Tragen zu üben. Das gehe in jüngeren Jahren besser, wenn man motorisch noch fitter ist, erklärt Mazurek. Alten Menschen, die möglicherweise bereits unter einem Tremor, also Muskelzittern, leiden, würde „man eher zu einem Hinter-Ohr-Gerät raten. Das kann man leichter anlegen als ein Innenohrgerät", sagt Mazurek. Auch Pflegepersonal kann Hinter-Ohr-Geräte leichter handhaben.

Quelle: dpa

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