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Anaphylaxie

HOCH DRAMATISCH

Der anaphylaktische Schock ist die schwerste Manifestation einer allergischen Reaktion – und sie kann, wenn nicht schnell genug geholfen wird, tödlich für den Betroffenen verlaufen.

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Von einer Anaphylaxie spricht man bei einer akuten, überschießenden systemischen Reaktion – auf eine körperfremde Substanz, die sich meist in rasantem Tempo entwickelt. Sind lebenswichtige Organe betroffen, kann es zum Kreislaufversagen kommen, das unbehandelt tödlich ausgeht. Das Ereignis ist zum Glück selten: Etwa zwei bis drei Personen auf 100 000 Einwohner erleben einen solchen Notfall; man schätzt, dass es im Jahr ein bis drei anaphylaxiebedingte Todesfälle pro einer Million Menschen gibt.

Anzeichen Charakteristisch ist der Beginn mit Hautsymptomen, wie sie von Allergien bekannt sind, nämlich Quaddelbildung, Juckreiz, Ödeme, zum Beispiel der Augenlider oder Lippen, sowie Hautrötung. Außerdem kündigt sich die Anaphylaxie oft mit einem Kribbeln, zum Beispiel im Mund, an. Auch Zungenbrennen oder Schluckbeschwerden können Alarmzeichen sein. Hinzukommen können noch Diarrhö, Übelkeit und Erbrechen. Des Weiteren kann der Patient Hustenreiz, Auswurf und Atemnot entwickeln und/oder Schwindel, Herzjagen und Schweißausbruch – bis es schließlich zur Bewusstlosigkeit kommen kann und im schlimmsten Fall zum Kreislaufversagen.

Im Rahmen einer allergischen Sofortreaktion kommt es zu einer Aktivierung von Mastzellen, bei der eine große Zahl von Mediatoren aus ihren Granula freigesetzt werden. Diese Mastzelldegranulation ist ein zentraler Vorgang der Abläufe nach Antigenkontakt. Unter den ausgeschütteten Substanzen befindet sich Histamin, das zum Beispiel Gefäße weit stellt und für die Einlagerung von Flüssigkeit in Gewebe sorgt . Da die Botenstoffe schon fertig produziert vorliegen (präformiert), und unmittelbar in dem jeweils umgebenden Gewebe wirksam sind, setzen die Effekte so rasch ein.

ÜBUNG MACHT DEN MEISTER!
In vielen größeren Städten werden Schulungen für Patienten oder Betreuer von Kindern mit Anaphylaxierisiko angeboten, siehe www.anaphylaxieschulung.de/Sites/Schulungszentren.html. Dort wird unter anderem die Handhabung des oft lebensrettenden Adrenalin-Autoinjektors (an Placebogeräten) trainiert. Aber auch in Ihrer Apotheke können Sie den Kunden anhand eines Modellpens erklären, wie sie im Notfall das Adrenalin richtig injizieren.

Die gleichen Symptome können seltener auch durch nicht-immunologische Reaktionen hervorgerufen werden. In diesen Fällen kommt es durch verschiedene, noch nicht vollständig aufgeklärte Mechanismen nach Kontakt mit bestimmten Stoffen zu einer Mediatorenfreisetzung aus den Mastzellen; eine vorherige Sensibilisierung ist dazu – anders als bei Allergien – nicht nötig. Menschen mit Mastozytose, einer seltenen Erkrankung, bei der sich zu viele Mastzellen in der Haut oder auch in inneren Organen befinden, sind besonders gefährdet, eine schwer verlaufende Anaphylaxie zu erleiden.

Die Auslöser Im Prinzip kann nahezu jeder Stoff den Notfall auslösen. Bei Kindern sind es meist Nahrungsmittel, an oberster Stelle die Erdnuss, gefolgt von Haselnuss, Kuhmilch und Ei. Erwachsene reagieren häufiger schwer auf Weizen, Sellerie sowie Schalentiere. Sie erleiden die heftige Allgemeinreaktion aber insgesamt öfter nach Insektenstichen (Wespe, Biene) oder auf Medikamente. Vor allem Analgetika (COX-1- und COX- 2-Hemmer), Antibiotika und Lokalanästhetika stehen auf der „Hitliste“.

Auch nach Röntgenkontrastmittelapplikation oder Einnahme von Protonenpumpenhemmern und Muskelrelaxantien kommen Anaphylaxien vor, sowie bei zahlreichen anderen Arzneimitteln, darunter beispielsweise Onkologika. Besonders gefährlich kann dies wegen der schnellen Anflutung der Substanz bei intravenöser Applikation sein. Oft kommt zusätzlichen Einflüssen wie körperlicher Anstrengung, emotionalem Stress, Alkoholgenuss oder Infektionen eine wichtige Rolle zu: Diese Ko- oder Summationsfaktoren (Trigger) begünstigen das Auftreten schwerer Reaktionen und bestimmen so den Verlauf mit.

Minuten können entscheiden Zu den Erstmaßnahmen gehört die sofortige Ausschaltung der mutmaßlichen Allergenquelle; ein Notarzt muss unverzüglich gerufen werden. Im Fall eines Herz-Kreislauf-Stillstands (Atemstillstand; fehlender Puls; Bewusstlosigkeit) ist bis zum Eintreffen der professionellen Helfer mit den wichtigsten Reanimationsmaßnahmen zu beginnen, also Herzdruckmassage und Beatmung. Der Arzt gibt Sauerstoff und verbessert die Zirkulation durch geeignete Infusionslösungen. Zusätzlich versucht man die Histamineffekte mit Hilfe von H1-Antihistaminika zu bekämpfen, die allerdings langsam wirken.

Glukokortikoide wirken einer verlängerten Reaktion entgegen. Die entscheidende medikamentöse Maßnahme aber ist die Verabreichung einer gefäßaktiven Substanz wie Adrenalin, letzteres stoppt alle wesentlichen pathologischen Prozesse beziehungsweise kehrt sie um: Es sorgt durch Gefäßverengung und Abdichtung der Gefäßwände für eine bessere Blutversorgung der wichtigsten Organe und erweitert die Bronchien. Außerdem steigert es die Kontraktionskraft des Herzens.

Notfallmäßige Medikation Patienten mit überstandenem anaphylaktischem Schock können zu einem späteren Zeitpunkt erneut überschießend auf den Auslöser reagieren, möglicherweise sogar mit einer schwereren Attacke. Daher ist es extrem wichtig, dass Betroffene zum Allergologen gehen. Bei entsprechendem Befund erhalten sie einen Allergiepass, in dem Auslöser und Ablauf der Reaktion vermerkt sind. Außerdem wird ihnen ein Notfallset verschrieben, das ein Kortikoidpräparat enthält sowie ein Antihistaminikum, das zunächst in Höchstdosis eingenommen werden soll, und eine Fertigspritze (Autoinjektor) mit einer Einmaldosis Adrenalin (0,3 bzw. für Kinder unter 30 Kilogramm Körpergewicht 0,15 Milligramm).

Risikopatienten – dazu gehören zum Beispiel auch solche, die bereits auf kleinste Allergenmengen stark reagieren – sollten das Set immer bei sich führen. Das Adrenalin sollte nicht gekühlt, aber unter 25 °C gelagert werden, seine Haltbarkeit muss regelmäßig überprüft werden. Bei Zeichen einer beginnenden Anaphylaxie mit Kreislaufproblematik soll sich der Betreffende selbst oder anwesende Begleitpersonen das Medikament intramuskulär in die Außenseite des Oberschenkels spritzen – notfalls durch die Kleidung. Bei diesem Applikationsweg ist die Gefahr kardialer Nebenwirkungen gering.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/14 ab Seite 100.

Waldtraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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