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Repetitorium

HAUTKREBS – TEIL 3

Das maligne Melanom ist für mehr als 90 Prozent aller Sterbefälle an Hauttumoren verantwortlich. Doch mittlerweile existieren zahlreiche Therapien, sodass heute etwa 85 bis 90 Prozent der Patienten durch frühzeitige Behandlung sogar geheilt werden.

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Frühe Erkennung und dann bestmögliche Behandlung sind das A und O, um die Lebensqualität und Heilungschancen von Betroffenen so hoch wie möglich zu halten. Für die Einteilung und Therapie ist die Klassifikation des Primärtumors dabei entscheidend. Tumordicke, Ulzerationen, also Gewebewucherungen, Zahl und Ausmaß eines möglichen Befalls regionärer Lymphknoten sowie möglicherweise aufgetretener Fernmetastasen werden vom Dermatologen genau nach einem festgelegten Schema bestimmt. Die gewonnenen Erkenntnisse haben letztlich großen Einfluss auf die Behandlungsmöglichkeiten.

Operation und Bestrahlung Die wichtigste Therapie ist die frühzeitige operative Exzision. Schon zur Diagnose wird das Melanom komplett herausgeschnitten und anschließend feingeweblich untersucht (siehe Repetitoriumsteil 1). Wie weit in das gesunde Gewebe hineingeschnitten wird, hängt von Tumorausmaß und Metastasierungsrisiko ab. Da eine Metastasierung des Melanoms häufig in die regionären Lymphknoten im Bereich des Halses, der Achselhöhlen oder der Leisten erfolgt, wird in diesen Lokalisationen der Wächterlymphknoten entnommen.

Werden örtliche Lymphknotenmetastasen festgestellt, erfolgt meist die komplette Entfernung der Lymphknoten. Ist damit keine komplette Tumorfreiheit erreichbar oder ist ein operativer Eingriff dem Patienten nicht zuzumuten oder unmöglich (schlechter Allgemeinzustand, inoperabler Primärtumor, Operation im gesunden Gewebe nicht möglich), wird auf die Strahlentherapie (Radiotherapie) zurückgegriffen. Ionisierende Strahlen verändern das Erbgut der Zellen.

Normale, gesunde Zellen können solche Schäden meist reparieren, bei Krebszellen funktioniert dieses Reparatursystem nicht mehr so gut: Die Tumorzellen sterben ab. Bei Schmerzen und/oder Stabilitätsgefährdung des Spinalkanals sowie Knochenmetastasen wird die Strahlentherapie häufig eingesetzt.

Adjuvante medikamentöse Therapie Darunter wird eine vorsorgliche Behandlung verstanden, so lange noch keine Tumorabsiedlungen erkennbar sind. Es ist natürlich möglich, dass sich bereits einzelne Tumorzellen abgesiedelt haben, die mit bildgebenden Untersuchungen aber noch nicht erkennbar sind. Diese können über Jahre in einem Schlafzustand verharren, um schließlich doch nachweisbare Tumorabsiedlungen zu bilden.

Beim malignen Melanom haben sich für die vorsorgliche Therapie Chemotherapien nicht bewährt. In der Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms“ raten die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) sowie die Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) hiervon strikt ab. Empfohlen wird hingegen eine Stimulierung des Immunsystems mittels Interferon-alpha, eigentlich körpereigene Abwehrhormone. Sie wirken als direkte Inhibitoren des Tumorzellwachstums. Die Immunantwort gegen den Tumor wird gesteigert, indem natürliche Killerzellen aktiviert und Tumor-Antikörper produziert werden.

MEDIKAMENTENEINNAHME UND MELANOMRISIKO
Interessanterweise konnte die regelmäßige Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) das Risiko postmenopausaler Frauen, an schwarzem Hautkrebs zu erkranken, senken. Das Ausmaß des positiven Effekts stieg dabei mit der Einnahmedauer, so das Ergebnis einer 2013 veröffentlichten Studie US-amerikanischer Forscher der Stanford Universität, Kalifornien. Die Vermutung, die Schutzwirkung beruhe auf dem entzündungshemmenden Effekt von ASS, liegt zwar nahe, andererseits konnten andere Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen, Naproxen oder auch der Wirkstoff Paracetamol keine Reduzierung des Hautkrebsrisikos bewirken.
 
Umgekehrt steht der PDE-5-Hemmer Sildenafil, zugelassen zur Behandlung der erektilen Dysfunktion oder auch idiopathischer pulmonal-arterieller Hypertonie, im Verdacht, die Entstehung von Melanomen zu fördern. Dies ist zumindest das Ergebnis einer prospektiven Kohorten-Studie, die erst 2014 im Fachmagazin „JAMA Internal Medicine“ veröffentlicht wurde.

Interferon-alpha (IFN-α) verlängert erwiesenermaßen die Rezidivfreiheit. Zur Verfügung stehen Interferon alpha-2a (Handelsname Roferon®) und Interferon alpha-2b (Handelsname IntronA®), die sich in ihrer molekularen Struktur nur in zwei Aminosäuren unterscheiden und hinsichtlich Wirksamkeit und Nebenwirkungen als äquivalent gelten, sowie Verbindungen der Interferone mit Polyethylenglykol (PEG; Pegylierung; Handelsnamen Pegasys® beziehungsweise PegIntron®) mit verlängerter Halbwertszeit. PEG-Interferone muss der Melanompatient nur ein Mal wöchentlich applizieren.

Das normale Interferon-alpha wird im Regelfall drei bis fünf Mal wöchentlich unter die Haut gespritzt. Abgesehen davon, dass es für PEG-Interferone Hinweise auf geringere Toxizität bei verbesserter Effektivität gibt, trägt das einfachere Anwendungsschema dazu bei, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Nebenwirkungen der Interferontherapie sind anfangs häufig Fieber und Grippe-ähnliche Symptome. Der Körper gewöhnt sich an die Interferonspritzen aber in drei bis vier Wochen. Danach besteht manchmal noch eine Minderung der Leistungsfähigkeit, eine normale Arbeitstätigkeit ist in der Regel aber möglich.

Chemotherapie Lange Zeit Standardmedikament und auch erstes in den 1970er-Jahren zugelassenes Chemotherapeutikum zur Behandlung eines malignen Melanoms mit inoperablen Rezidiven, inoperablen regionären Metastasen sowie Fernmetastasen war Dacarbazin (DTIC). Das Zytostatikum ist in der WHO-Liste der unverzichtbaren Arzneimittel aufgeführt und gilt im Leitlinienprogramm Onkologie „Malignes Melanom“ als etablierte Systemtherapie, kann deshalb Melanompatienten mit nicht resezierbaren Metastasen angeboten werden.

Ein objektives Ansprechen wurde bei fünf bis zwölf Prozent der Patienten erzielt, wobei allerdings nur einzelne Patienten wirklich dauerhaft ansprechen. Das Gesamtüberleben wurde nicht beeinflusst. Die Dosierung beträgt im Regelfall 250 Milligramm pro Quadratmeter Körperoberfläche (mg/m2) an ein bis fünf Tagen alle drei bis vier Wochen oder auch nur monatlich einen Tag bis 1200 Milligramm pro Quadratmeter Körperoberfläche intravenös. Die subjektive Verträglichkeit ist dank moderner Antiemetika gut. Häufige Nebenwirkungen sind Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen sowie Veränderungen der Blutbildung (Leukozytopenie, Thrombozytopenie und Anämie).

Weitere, allerdings in Deutschland für die Melanomtherapie nicht zugelassene Chemotherapeutika mit vergleichbarer Wirksamkeits- und Nebenwirkungsrate sind Temozolomid und Fotemustin. Polychemotherapien (etwa zusammen mit anderen Chemotherapeutika wie Carboplatin, Cisplatin, Paclitaxel, Gemcitabin, Teosulfan, Vindesin, Bleomycin etc.) werden eher Patienten mit initial rasch fortschreitendem Tumorwachstum, sehr schnellem Tumorprogress angeboten, da hier höhere Ansprechraten zu erwarten sind. In Studien wurde das Gesamtüberleben jedoch dabei nicht signifikant verlängert.

Zielgerichtete Therapie Vor einigen Jahren wurde entdeckt, dass in Melanomzellen bestimmte Signalwege durch Mutationen gestört sind. Dadurch teilen sich die Zellen unkontrolliert und der Tumor wächst. Mittlerweile sind mehr als ein Dutzend Melanommutationen bekannt, die unterschiedliche Signalwege stören. Beteiligt sind daran eine Reihe von Enzymen (Kinasen) mit so kryptischen Namen wie BRAF, MEK oder C-KIT.

Indem gezielt die mutierten Varianten ausgeschaltet werden, wird das Zellwachstum zum Stillstand gebracht. Inzwischen existieren mehrere zugelassene Arzneistoffe, die mutierte Proteine von BRAF, MEK oder C-KIT hemmen.

BRAF-Blocker Am häufigsten ist bei Melanompatienten das BRAF-Gen verändert. Eine solche Mutation kann bei etwa der Hälfte der Melanome und bei acht Prozent aller soliden Tumoren nachgewiesen werden. Die Mutation in den Krebszellen ist zudem mithilfe des BRAF-V-600-Tests nachweisbar. Erster seit Februar 2012 in Deutschland zugelassener Wirkstoff dieses neuartigen Ansatzes ist Vemurafenib (Handelsname Zelboraf®). Er unterbricht die gestörten Signalwege in den Krebszellen gezielt.

Bildgebende Verfahren konnten klar aufzeigen, wie der Tumorstoffwechsel unter der Therapie herunterreguliert wird und Metastasen kleiner werden. Als Dosierung werden 960 Milligramm zwei Mal täglich oral, möglichst im Abstand von zwölf Stunden ohne zusätzliche Nahrungsaufnahme empfohlen. Ansprechraten von mehr als 50 Prozent und eine hohe Überlebenswahrscheinlichkeit (Sechs-Monats-Überlebensrate liegt bei 77 bis 87 Prozent) zeigen eine deutliche Überlegenheit gegenüber lange bekannten Standardtherapien. Dies bestätigt sogar die vorläufige Nutzenbewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG).

In Frage kommt die Therapie allerdings nur bei BRAF-Inhibitor-sensitiver BRAF-Mutation, was aber per Testung nachweisbar ist. Zudem ist die Dauer des Ansprechens bei einer Monotherapie aufgrund der Ausbildung von Resistenzmechanismen begrenzt und beträgt etwa fünf bis sieben Monate.

Vemurafenib verbessert vor allem die Lebensqualität der Patienten mit einer deutlichen Tumorlast. Häufigste Nebenwirkungen sind Gelenkschmerzen, Müdigkeit, Hautausschlag, Plattenepithelkarzinome, häufig vom Keratoakanthomtyp, Photosensitivitätsreaktionen, Übelkeit, Alopezie (Haarausfall) und Pruritus (Juckreiz). Seit Mai 2013 ist in den USA, seit August 2013 in Europa ein weiterer BRAF-Proteinkinasehemmer für Patienten mit metastasiertem Melanom zugelassen: Dabrafenib (Handelsname Tafinlar®). Hier beträgt die Dosis zwei Mal täglich 150 Milligramm nüchtern.

Laut Studienergebnissen konnte Dabrafenib die Krankheitsprogression sogar um 70 Prozent im Vergleich zu der Standardtherapie mit Dacarbazin verringern. So mancher Dermatologe schätzt zudem den Vorteil, dass mit Dabrafenib eine Kombinationstherapie mit Trametinib, einem weiteren neuen Wirkstoff, möglich ist, was die Überlebenschance von Melanompatienten nochmals erhöhen soll. In den USA wurde die Kombination im Januar 2014 zugelassen.

Das IQWIG sieht allerdings einen Zusatznutzen des noch teureren Dabrafenib im Vergleich zu Vemurafenib als nicht belegt an. Es sieht sogar gegenüber der Chemotherapie mit Dacarbazin keine relevanten Vorteile, die durch belastbare Studiendaten belegt würden.

MEK-Inhibitoren Trametinib ist ein selektiver MEK-Hemmer, der im September 2013 in den USA, erst 2014 in der EU in Form von Tabletten (Handelsname Mekinist®) zugelassen wurde, um Patienten zu behandeln, deren Tumoren die BRAF V600E oder V600K Genmutationen aufweisen.

Bei dieser Patientengruppe verlängerte Trametinib das progressionsfreie Überleben im Vergleich zur Chemotherapie um etwa drei Monate, bei einer Ansprechrate von 22 Prozent. Trametinib wird ein Mal täglich nüchtern, mindestens eine Stunde vor oder zwei Stunden nach einer Mahlzeit eingenommen. Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen gehören Hautausschlag, Durchfall und Lymphödem.

Neue Immuntherapie Bei Melanompatienten mit nicht resezierbaren Metastasen empfiehlt die Melanomleitlinie als Option, eine Immuntherapie mit Ipilimumab (Handelsname Yervoy®). Hierbei handelt es sich um einen vollständig humanen, monoklonalen, gegen das Protein CTLA-4 (Cytotoxic T-lymphocyte antigen-4) gerichteten IgG1-Antikörper, der eine neue Form der Immuntherapie ermöglicht. Der Wirkstoff blockiert die Immunsystem-hemmenden CTLA-4-Signale der Tumorzellen und aktiviert auf diese Weise die T-Zellen des Immunsystems.

Der monoklonale Antikörper verbesserte als erster Wirkstoff in einer Studie deutlich das Gesamtüberleben der Betroffenen. Zugelassen ist der Antikörper seit Juli 2011 zur Behandlung des fortgeschrittenen, das bedeutet nicht rezesierbaren oder metastasierten Melanoms, bei erwachsenen Patienten, die zuvor schon eine andere Behandlung erhalten haben. Als Dosis empfohlen werden drei Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht Ipilimumab als intravenöse Infusion über 90 Minuten alle drei Wochen für vier Zyklen.

Der therapeutische Erfolg geht allerdings oft mit schweren Nebenwirkungen aufgrund stark erhöhter Aktivität des Immunsystems einher. Häufigste Nebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Appetitminderung, Hautausschläge, Juckreiz und Abgeschlagenheit. Bei schweren und lebensbedrohlichen Nebenwirkungen an Magen-Darm-Trakt, Leber, Haut, Nervensystem oder anderen Organen muss die Behandlung womöglich unterbrochen oder ganz beendet werden.

Nachsorge ist wichtig Angemessene Nachsorge über einen Zeitraum von wenigstens zehn Jahren mit in der Regel viertel- bis halbjährlichen Hautarztterminen ist beim malignen Melanom außerordentlich von Bedeutung. Dabei sollten die Erkrankten auch eine Anleitung zur Selbstuntersuchung erhalten. Schließlich gilt es eventuell auftretende Metastasen oder Rezidive möglichst in einem behandelbaren Stadium zu entdecken und den Betroffenen bei der Bewältigung ihrer Erkrankung zu helfen.

Teil 1 finden Sie hier, zu Teil 2 kommen Sie hier.

ZUSATZINFORMATIONEN
Dosierungsschemata für die adjuvante Behandlung mit IFN-ALFA finden Sie hier in einer Tabelle.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/14 ab Seite 84.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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