© Sonja Rachbauer / iStock / Getty Images

Fasten und Demenz

HATTEN SIE DOCH RECHT?

Noch vor Kurzem lächelten die meisten Schulmediziner amüsiert über das Fasten und den Begriff Entschlacken. Doch es ist was dran an der gesundheitsfördernden Wirkung, wie verschiedene Studien zeigen.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Ob Hildegard von Bingen, die Ärzte Dr. Otto Buchinger und Dr. F. X. Mayr oder Johann Schroth – sie alle propagierten das Fasten, also den freiwilligen und ganz bewussten Verzicht auf Essen und Genussmittel. Fasten ist nicht nur eine alte Tradition vieler Religionen, es gibt auch das nicht religiös motivierte Fasten, das der Regenerierung des Körpers dient und als Heilfasten bezeichnet wird. Auf was konkret verzichtet wird und für wie lange, das hängt von der Methode ab. Auch heute ist Fasten voll im Trend und das nicht nur zur „offiziellen“ Fastenzeit zwischen Aschermittwoch und Ostern.

Viele Menschen legen ein- oder mehrmals im Jahr eine Fastenwoche ein, andere fasten regelmäßig tageweise oder für einige Stunden, wie beim Intervallfasten. Dass Fasten der Gesundheit zuträglich ist, steht mittlerweile außer Frage. Studien, wie beispielsweise von Prof. Dr. Andreas Michalsen, Chefarzt am Immanuel Krankenhaus in Berlin und Inhaber der Stiftungsprofessur für klinische Naturheilkunde an der Berliner Charité, belegen dies, vor allem bei chronischen Erkrankungen, wie Diabetes Typ II, Allergien, Rheuma, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder chronischen Schmerzen.

Was hat es mit den Schlacken auf sich? Problematisch ist im Zusammenhang mit dem Fasten der Begriff „Entschlacken“. Er stammt von Otto Buchinger, der Anfang des 20. Jahrhunderts die nach ihm benannte Fasten-Methode entwickelte, nachdem er durch Fasten seine rheumatischen Beschwerden lindern konnte. Er verwendete den Begriff tatsächlich in Analogie zur Reinigung von Hochöfen, in denen sich mit der Zeit Verbrennungsrückstände ablagern. Natürlich finden sich keine derartigen Schlacken im Körper und der Darm ist auch kein Ofenrohr. Man sollte den Begriff vielleicht einfach nicht so wörtlich nehmen, denn eine Art Abfallprodukte gibt es tatsächlich im Körper und Fasten fördert deren Abbau.

Autophagie Wenn die Körperzellen in den Hungermodus übergehen, dann beginnen sie damit Proteine, Fette und Zellbestandteile abzubauen und als Nährstoffe zu nutzen. Dabei wird auch die zelleigene Müllabfuhr angeregt, das Autophagie-System. Vorwiegend beschädigte und nicht mehr benötigte Bestandteile, wie fehlgefaltete Proteine, Fremdeiweiße und Pathogene, aber auch große Proteinaggregate und alternde Mitochondrien, die vermehrt reaktive Sauerstoffradikale bilden, werden dadurch abgebaut und recycelt. Für die Entdeckung der Autophagie wurde 2016 der Nobelpreis für Medizin vergeben. Heute weiß man, dass dieser Prozess ein essenzieller Bestandteil der zellulären Qualitätskontrolle ist, die die Funktionalität der Zelle aufrechterhält.

Ein wichtiges Forschungsgebiet im Zusammenhang mit der Autophagie ist die Demenz, denn hier gehören bekanntlich Proteinablagerungen zu den charakteristischen Merkmalen. Momentan wird im Rahmen der Smart-Age-Studie an Substanzen geforscht, die ohne zu fasten den Autophagie-Prozess anregen, sogenannte Autophagie-Enhancer. Besonders vielversprechend ist die körpereigene Substanz Spermidin. Heilbar wird die Demenz sicherlich durch Fasten oder Substanzen, die das Fasten simulieren, nicht, aber vielleicht kann man den Beginn der Erkrankung nach hinten verschieben. Und so gesehen hätten die alten „Fastenpäpste“ doch irgendwie recht.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/2020 auf Seite 95.

Sabine Breuer, Apothekerin/Chefredaktion

×