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Schluckbeschwerden – Teil 2

HÄUFIG & GEFÄHRLICH!

Schluckbeschwerden sind nicht „nur“ ein „Handicap“, das Essen mitunter zu einem sehr mühsamen Unterfangen macht. Die Folgen können sogar schwer bis lebensbedrohlich sein.

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Das Symptom kann die Folge unzähliger unterschiedlicher Krankheiten wie zum Beispiel Lähmungen oder Muskelentzündungen verschiedener Genese sein. Manchmal verursachen auch Veränderungen an der Halswirbelsäule über eine Reizung von Nervenwurzeln die Probleme.

Selten werden die Beschwerden, zusammen mit Hals- und/oder Gesichtsschmerzen sowie Schmerzen beim Drehen des Kopfes, durch eine abnorme Verlängerung eines Fortsatzes des Schläfenbeins verursacht. Dann sind Kortikoidinjektionen, Neuroleptika oder manchmal eine Operation erforderlich. Ein weiterer sehr seltener Grund für Probleme mit dem Schlucken sind Ausbuchtungen der Speiseröhrenwand (Ösophagusdivertikel); wenn nötig, werden diese operativ behandelt.

Bewegungsstörungen im Verdauungstrakt … Andere Ursachen, die die Speiseröhre betreffen, sind verschiedene Motilitätsstörungen wie beispielsweise der Ösophagusspasmus (vor allem bei älteren Menschen). Es handelt sich um Anfälle von Kontraktionen der Speiseröhrenmuskulatur, die krampfartige Beschwerden verursachen, oft mit Schmerzen hinter dem Brustbein. Bisweilen können diese als Zeichen einer Herzerkrankung fehlgedeutet werden.

Manchmal bleiben (beim Nussknacker-Ösophagus) infolge der Krämpfe ganze Nahrungsbrocken stecken. Zu diesen Funktionsstörungen gehört auch die Achalasie. Hier ist der Transport des Speisebreis in den Magen gestört. Zugrunde liegt die Degeneration eines Nervengeflechts, das für die Wandbewegungen der Speiseröhre zuständig ist. Wodurch die Schäden entstehen, ist unbekannt. Sie bewirken jedenfalls, dass sich der untere Schließmuskel der Speiseröhre beim Schlucken nicht mehr automatisch entspannt.

Die Beschwerden reichen bis zur völligen Unmöglichkeit, einen Bissen in den Magen zu schleusen. Die Folge: Speisebrei wandert, vor allem im Liegen, wieder nach oben (Regurgitation). Zusätzlich kommen meist Brustschmerzen vor. Durch alleinige endoskopische Spiegelung der Speiseröhre wird das Krankheitsbild oft nicht erkannt, da das dünne Instrument die Engstelle noch passieren kann. Aussagekräftiger ist der so genannte Breischluck: Dabei wird ein Kontrastmittelbrei oral verabreicht und anschließend die Speiseröhre samt Übergang zum Magen geröntgt.

… und ihre Therapie Leichte Motilitätsstörungen sprechen manchmal auf Substanzen an, die relaxierend auf die glatte Muskulatur wirken, wie Nitrate oder Anticholinergika; diese müssen kurz vor dem Essen eingenommen werden. Vereinzelt wurde auch über eine Linderung durch wenige Tropfen Pfefferminzöl in etwas Wasser berichtet.

TIPPS FÜR BETROFFENE
+ genug Zeit nehmen
+ kleine Bissen zu sich nehmen
+ aufrecht sitzen
+ nicht gleichzeitig essen und trinken sowie möglichst nichts essen, das dünnflüssige und feste
   Bestandteile gleichzeitig enthält (Nudelsuppe!): Die unterschiedlichen Konsistenzen erschweren die
   Koordination der erforderlichen Bewegungen im Mundraum
+ meist kommen Betroffene mit dickflüssigen Speisen besser zurecht als mit dünnflüssigen. Rührt
   man spezielle Verdickungsmittel in Getränke ein, wird verhindert, dass die Flüssigkeit zu schnell in
   den Rachen fließt.
+ auf das Essen konzentrieren: am besten intensive Gespräche erst nach der Mahlzeit führen
+ im Anschluss noch eine Weile sitzen bleiben
+ Parkinsonexperten empfehlen außerdem, nach jedem Bissen sicherheitshalber zwei Mal zu
   schlucken
+ ungünstig sind Mahlzeiten, die Körner, Fasern oder Kerne enthalten, sowie trockene oder klebrige 
   Speisen.

Bei stärkeren Beschwerden durch die Achalasie weitet man die verengten Strukturen mit einem Ballonkatheter auf, wobei ein gewisses Perforationsrisiko besteht. Oder es wird Botulinumtoxin in die betreffende Muskulatur injiziert, um eine Entspannung des verkrampften Muskels zu erreichen. Diese Prozedur muss circa alle sechs Monate wiederholt werden. Schwere Fälle erfordern ein operatives Vorgehen.

Oft unterdiagnostiziert Es gibt eine große Gruppe mehr oder minder starker Beeinträchtigungen der Schluckfunktion, die sich langsam entwickeln oder im Rahmen einer neurologischen Erkrankung auftreten. Allein durch das Altern kann das Schlucken schwieriger werden: Oft steht weniger Speichel zur Verfügung und der Schluckreflex wird schwächer, Zahnersatz sitzt manchmal nicht optimal. Zudem kann auch eine schwächere Wahrnehmung von Berührungsreizen im Mundraum die koordinierten Bewegungsabläufe erschweren. Verschärft wird das Problem häufig durch zu geringe Flüssigkeitszufuhr und/oder Medikamente, welche die Speichelproduktion drosseln (z. B. trizyklische Antidepressiva).

»Verschärft wird das Problem häufig durch zu geringe Flüssigkeitszufuhr und/oder Medikamente.«

Verschiedenste neurologische Ursachen führen dazu, dass die komplexe Koordination der beteiligten Muskeln aus dem Tritt gerät. So kann etwa jeder zweite Schlaganfallpatient zumindest vorübergehend, oft aber langfristig, nicht mehr problemlos schlucken. Sehr häufig leiden auch Patienten mit Morbus Parkinson oder Multipler Sklerose unter Dysphagie. Betroffenen ist es oft unangenehm, das Thema anzusprechen.

Insbesondere bei Demenzkranken gilt es, genau hinzusehen: Verschluckt sich ein Patient häufig, muss er nach dem Essen oder Trinken oft husten und sich räuspern? Auch extrem langsames Kauen oder auch das Verweigern von Nahrung können Hinweise sein.

Dramatische Folgen Die langfristigen Folgen sind Mangelernährung, Gewichtsverlust und auch Dehydration (Flüssigkeitsmangel). Vor allem droht die Gefahr, dass Speisereste in die Atemwege gelangen (Aspiration). Gelingt es dann nicht, das Material durch Abhusten wieder aus den Luftwegen hinauszubefördern, kann sich eine Lungenentzündung entwickeln.

Als „stille Aspiration“ bezeichnet man es, wenn der Hustenreflex fehlt. Mit einer individuell gestalteten funktionellen Schlucktherapie helfen Logopäden, Ergo- und Ernährungstherapeuten. Beispielsweise werden Bewegungsabläufe des Schluckvorgangs trainiert und bei Verlust bestimmter Funktionen Ersatztechniken eingeübt. Hilfsmittel wie spezielle Trinkbecher oder Besteck unterstützen die Maßnahmen. In vielen neurologischen Abteilungen gibt es spezielle ‚Schluckzentren‘: Dort erarbeiten spezialisierte Ärzte und andere Experten gemeinsam mit den Patienten auf sie abgestimmte Lösungen. 

Den ersten Teil der Artikelreihe "Schluckbeschwerden" finden Sie hier.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/13 auf Seite 114.

Waltraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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