Frau mit grauen Haaren lächelt© jacoblund / iStock / Getty Images Plus
Meist geht es Anfang bis Mitte 30 los und die ersten grauen Haare kommen zum Vorschein. Bei Frauen kommen sie im Schnitt etwas später, bei Männern in der Regel etwas früher.

Haarfollikel

DARUM BEKOMMEN WIR GRAUE HAARE

Obwohl es zum Älterwerden dazugehört, sind die ersten grauen Haare für viele ein Schock. Es ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass man älter wird. Aber wie und warum werden unsere Haare eigentlich grau?

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Meist geht es Anfang bis Mitte 30 los und die ersten grauen Haare kommen zum Vorschein. Bei Frauen kommen sie im Schnitt etwas später, bei Männern in der Regel etwas früher, oftmals im Bart oder an den Schläfen. An diesen Stellen haben die Haare eine deutlich geringere Lebensdauer und fallen dadurch schneller aus. Nun beginnt oftmals die Phase des Tönens und Färbens. Auch Strähnchen sind bei Frauen beliebt. Männer hingegen greifen oftmals zum Rasierapparat und rasieren sich eine Glatze.    

Wenn man es genau nimmt, haben unsere Haare keine Farbe, denn sie sind weiß beziehungsweise farblos. Dadurch, dass sie sich aber mit der natürlichen Haarfarbe mischen, wirkt es, als ob die Haare selbst farbig sind. 
 

Wie entsteht die Haarfarbe?

Das farbgebende Melanin kommt genau wie bei der Haut aus den pigment-produzierenden Zellen, den sogenannten Melanozyten. Das Melanin lagert sich in die wachsenden Haare ein. Die Melanozyten entstehen aus Melanozyten-Stammzellen. 
 

Man unterscheidet zwei Gruppen von Melaninen: Da wäre zum einen das Eumelanin, das braune und dunkle Haare macht, und zum anderen das Phäomelanin, das für eine gelbliche bis helle Färbung sorgt.
 

Beim Prozessablauf ging man bis dato davon aus, dass genau diese Stammzellen ein festes Reservoir in den Haarfollikeln bilden. Und dass sich aus diesem Reservoir einzelne Zellen zu reifen Melanozyten entwickeln, die im Anschluss zur Wachstumszone des Haares wandern, um dort Melanin zu bilden. Doch hierzu gibt es neue Erkenntnisse.

Mausmodell zeigt große Flexibilität der Melanozyten-Stammzellen

Ein Team um Qi Sun von der New York University hat in einer Studie an Mäusen vor kurzem nachgewiesen, dass der Prozess deutlich komplexer ist, als bislang gedacht. Die Untersuchung zeigt, dass die Melanozyten-Stammzellen bei ihrer Entwicklung außergewöhnlich flexibel sind: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die meisten Melanozyten-Stammzellen zwischen einem undifferenzierten Stammzellstadium und einem Zwischenstadium, dem sogenannten Transit-Amplifikationsstatus, wechseln“, so das Team.

Die Flexibilität zeigt sich demnach dadurch, dass sich die Stammzellen auf der einen Seite aus dem Transit-Amplifikationsstatus zu reifen Nachkommen entwickeln können. Auf der anderen Seite sind sie auch in der Lage, sich zur Selbsterneuerung in undifferenzierte Stammzellen zurück zu entwickeln. Ein solcher Mechanismus war bislang nicht bekannt. 
 

Langer Beobachtungszeitraum

Sun und ihr Team beobachteten über einen Zeitraum von zwei Jahren bei Mäusen, wie sich die Melanozyten-Stammzellen in den Haarfollikeln verhielten. Hierfür markierten die Forschenden einzelne Melanozyten-Stammzellen mit Fluoreszenzmarkern. Dadurch war das Team in der Lage, diese Stammzellen und ihre Nachkommen unter dem Fluoreszenzmikroskop nachzuverfolgen. 

Durch diese Vorgehensweise konnte das Team nachweisen, dass das Stammzellreservoir keineswegs wie bislang angenommen räumlich getrennt von den ausdifferenzierten Melanozyten ist, sondern dass auch die Stammzellen innerhalb des Haarfollikels auf Wanderschaft gehen. Innerhalb des Follikels gibt es verschiedene Stellen, an denen sie unterschiedlichen Proteinsignalen aus ihrer Umgebung ausgesetzt sind. Diese koordinieren, ob sich die Stammzellen aus dem Zwischenstadium zu ausdifferenzierten Melanozyten entwickeln oder zurück in einen undifferenzierten Zustand.
 

Natürlicher Prozess mit Haken

Wir merken es an uns selbst: Alte Haare fallen aus und werden durch neue ersetzt. Dabei bleiben mit der Zeit mehr und mehr Stammzellen an einer Position im Haarfollikel stecken. Wenn dieser Vorgang eintritt, können sie weder heranreifen, noch sind sie in der Lage, zu ihrem ursprünglichen Kernkompartiment zurückzukehren. Eine solche Rückkehr wäre aber wichtig, um für die Erneuerung notwendigen Proteinsignale zu bekommen. 

Solche Zellen verlieren ihre Fähigkeit zur Regeneration oder um zu funktionsfähigen Melanozyten heranzureifen. Griffen die Forschenden in den Prozess ein und variierten die zur Verfügung stehenden Signalproteine oder beschleunigten den Alterungsprozess, indem sie den Mäusen Haare ausrissen, erhöhte sich die Zahl der Stammzellen, die steckenbleiben. Im Ergebnis wurde das vorher schwarze Fell der Mäuse schneller grau.
„Unsere Studie trägt zu unserem grundlegenden Verständnis darüber bei, wie Melanozyten-Stammzellen bei der Haarfärbung arbeiten“, so Sun. „Die neu entdeckten Mechanismen lassen vermuten, dass die gleiche Positionierung von Melanozyten-Stammzellen auch beim Menschen existiert. Wenn dies der Fall ist, stellt dies einen potenziellen Weg dar, das Ergrauen des menschlichen Haares rückgängig zu machen oder zu verhindern, indem gestaute Zellen dabei unterstützt werden, sich wieder zwischen den sich entwickelnden Haarfollikelkompartimenten zu bewegen.“
 

Kampf gegen Krebs mit grauen Haaren

Aufgrund dieser Ergebnisse kann nun nach Mitteln gegen das Ergrauen der Haare geforscht werden. Doch die Melanozyten haben nicht nur ihren Aufgabenbereich bei der Haarfarbe, sondern auch bei der Pigmentierung der Haut. Kommt es zur Entartung dieser Zellen, können Melanome entstehen, die wiederum die gefährlichste Form des Hautkrebses hervorrufen können. „Die von Melanozyten abgeleitete Tumoren, Melanome, behalten unabhängig von ihrem vollständig differenzierten, pigmentierten Phänotyp die Fähigkeit zur Selbsterneuerung, was bei vielen anderen Tumoren nicht der Fall ist“, erklären Sun und ihr Team. „Deshalb sind Melanome so schwer zu bekämpfen.“

Es gibt Hinweise darauf, dass die außergewöhnliche Regenerationsfähigkeit des schwarzen Hautkrebses auf der natürlichen Plastizität der Melanozyten-Stammzellen beruhen könnte. Zudem liefern die Ergebnisse auch eine Erklärung dafür, warum das beschrieben „Steckenbleiben“ der Melanozyten ein evolutionärer Vorteil gewesen sein könnte. Zurückgeblieben sind dafür die grauen Haare. 

„Wenn die Zellen aufhören, sich zu replizieren, können sie nicht die Mutationen erwerben, die zu Krebs führen“, erklären Carlos Galvan und William Lowry von der University of California in Los Angeles in einem begleitenden Kommentar zur Studie, der ebenfalls in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde. „Damit könnte die vorzeitige Alterung von Melanozyten-Stammzellen eine evolutionäre Strategie sein, um die Entstehung von Melanomen zu verhindern.“

Quelle: www.wissenschaft.de
 

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