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Schwangerschaft und Stillzeit

HAARAUSFALL NACH DER GEBURT

Während der Schwangerschaft sind die Haare meist dichter und üppiger. Doch zwei bis vier Monate nach der Geburt verabschiedet sich die Haarfülle wieder. Wie lässt sich dieses Phänomen erklären?

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Fast alle Frauen leiden wenige Monate nach der Entbindung unter einer schwindenden Haarpracht, allerdings in unterschiedlicher Ausprägung. Während einige lediglich ein paar Haare mehr in der Bürste bemerken, fallen sie bei anderen geradezu büschelweise aus.

Postpartales Effluvium Mediziner sprechen von einem postpartalen Effluvium (post partum = nach der Geburt, Effluvium = gesteigerter Haarausfall). Viele Frauen machen dafür das Stillen verantwortlich. Sie glauben, dass der Haarverlust auf einem Nährstoffmangel beruhe, der durch die Produktion von Muttermilch ausgelöst werde. Doch Abstillen ist keine Lösung, denn diese Vermutung stimmt in der Regel nicht. Es sind auch Frauen betroffen, die nicht stillen. Auslöser für die verstärkt ausgehenden Haare ist vielmehr neben dem Geburtsstress insbesondere die hormonelle Umstellung nach der Geburt.

Lebenszyklus der Haare Ein Blick auf den normalen Haarerneuerungszyklus lässt den gesteigerten Haarverlust bei frisch gebackenen Müttern besser verstehen. In der Regel besitzt jeder Mensch zwischen 80 000 und 120 000 Haare auf dem Kopf. Davon verliert er etwa 80 bis 100 Stück am Tag. Dieser natürliche Haarverlust ist Teil eines Erneuerungsprozesses, der aus drei sich ständig wiederholenden Phasen besteht: Circa 80 bis 90 Prozent der Haare befinden sich in der Wachstumsphase (Anagenphase). In dieser etwa zwei bis acht Jahre andauernden Phase nimmt die Haarlänge kontinuierlich um circa einen Zentimeter im Monat zu. Die Anagenphase ist durch eine hohe metabolische Aktivität gekennzeichnet, gleichzeitig ist sie aber auch sehr störungsempfindlich.

Daran schließt sich eine etwa zwei- bis dreiwöchige Übergangsphase (Katagenphase) an, während der die Haarwurzeln keine Nährstoffe mehr erhalten. Sie stellen die Zellteilung ein und die Blut- und Nervengefäße trennen sich vom Haar. Weniger als ein Prozent der Haare auf dem Kopf befinden sich in dieser Phase, die auch Rückbauphase genannt wird. Dabei löst sich das Haar aus seiner Verankerung und schiebt sich in Richtung Kopfhautoberfläche. Danach tritt das Haar in eine zwei- bis viermonatige Ruhephase (Telogenphase) über, in der sich etwa 10 bis 20 Prozent der Haare befinden. Nach dieser Endphase fallen die Haare durch mechanische Einflüsse (z. B. Kämmen, Waschen) oder durch das Nachwachsen und Nachstoßen eines neuen Haares aus. Darauf folgt eine erneute Wachstumsphase, die den Beginn eines neuen Zyklus einleitet.

Plötzlich Haarausfall Da sich die Haare völlig unabhängig voneinander in unterschiedlichen Lebensphasen befinden, erneuert sich im Normalfall das Haar ständig und es sind immer Haare auf der Kopfhaut vorhanden. Aufgrund des zyklischen Haarwachstums ist es andererseits aber auch natürlich, täglich Haare zu verlieren. Erst wenn der Haarverlust über einen längeren Zeitraum überhandnimmt und mehr als 100 Haare am Tag ausgehen, liegt ein krankhafter Haarausfall vor. Dann ist der Anteil der Haare, die sich in der Anagenphase befinden, erniedrigt und der Anteil derjenigen in der Telogenphase erhöht.

Verschiedenste innere und äußere Noxen können die Wachstumsphase abrupt beenden. Dazu zählen unter anderem hormonelle Umstellungen (z. B. Pubertät, Geburt, Wechseljahre), Medikamente (z. B. Statine, Betablocker, Allopurinol), Krankheiten (z. B. Schilddrüsenfehlfunktionen), Jahreszeiten (meist Frühjahr und Herbst) oder Stress. Die Folge ist eine Synchronisation der Haarzyklen, in deren Folge ein großer Anteil der Haare vorzeitig geschlossen von der anagenen in die telegene Phase übertritt, was sich zwei bis drei Monate später durch einen spürbar stärkeren Verlust der Haare zeigt. Aber auch dann kommt es nicht zwangsläufig zu einer vollständigen Haarlosigkeit.

Diffuser Haarverlust Während der erblich-hormonelle Haarausfall einem charakteristischen Muster folgt, das in einer Glatze enden kann, zeichnet sich ein Haarausfall nach der Geburt vielmehr durch einen diffusen Haarverlust aus. Dabei erfolgt die Auslichtung des Haarwuchses gleichmäßig über den ganzen Kopf. Die Kopfhaut schimmert dann stärker durch als zuvor, einzelne kahle Stellen existieren aber nicht. Auslöser für den diffusen Haarverlust ist die hormonelle Umstellung nach der Geburt. Während der hohe Estrogenspiegel in der Schwangerschaft die Wachstumsphase verlängert und für eine volle Haarpracht sorgt, löst der steile Abfall der Estrogene nach der Geburt einen plötzlichen Übergang der Haare in die Ruhephase und folglich eine Ausdünnung des Haarkleids aus.

Kein Grund zur Sorge Betroffene Frauen sind durch den verstärkten Haarausfall natürlich beunruhigt, da auf einmal mehr Haare ausfallen, als sie es in der Schwangerschaft gewohnt waren. Das postpartale Effluvium führt in der Regel aber nicht zu einer dauerhaften Verminderung der Kopfhaardichte. Mit dem Einpendeln des Estrogenspiegels normalisiert sich auch wieder der Lebenszyklus der Haare und die Haardichte kehrt auf den Zustand vor der Schwangerschaft zurück. In der Regel dauert die Umstellung circa sechs Monate, manchmal müssen die Frauen aber auch zwölf Monate Geduld aufbringen, bis die Haare im gewohnten Zyklus weiterwachsen.

Tipps für die Beratung In Einzelfällen kann es jedoch sein, dass sich der übermäßige Haarverlust nicht von selbst reguliert. Dann sollte unbedingt ein Arzt zu Rate gezogen werden, der eine schwere Grunderkrankung ausschließt und nach den Ursachen für den anhaltenden diffusen Haarausfall forscht. Eventuell hat sich durch die geänderte hormonelle Situation eine Schilddrüsenfehlfunktion entwickelt. In anderen Fällen kann ein Eisenmangel diagnostiziert werden, der die Rückkehr der alten Haarpracht verhindert. Unter Umständen steht die Frau durch die neue Lebenssituation auch derartig unter Druck, dass ein normales Nachwachsen der Haare nicht möglich ist.

Raten Sie den betroffenen Frauen daher, sich Ruhe zu gönnen und auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung zu achten. Beim Haarwachstum spielt nicht nur Eisen eine wichtige Rolle, ebenso werden ausreichende Mengen an Biotin, B-Vitaminen, Zink und Eiweiß benötigt. Ergänzend können daher auch Präparate empfohlen werden, die verschiedene Vitamine (z. B. B-Vitamine, Biotin), Spurenelemente (z. B. Zink) und schwefelhaltige Aminosäuren (z. B. Cystin oder Cystein) enthalten, die das Haarwachstum unterstützen, indem sie die Haarwurzel ausreichend mit den für den Haaraufbau notwendigen Nährstoffen versorgen. Auf eine Diät sollte hingegen während der Stillzeit verzichtet werden, auch wenn überflüssige Schwangerschaftspfunde dazu verleiten könnten.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/19 ab Seite 32.

Gode Chlond, Apothekerin

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