© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Einfach gut essen

GRÜNKERNFRIKADELLEN

Keine Lust auf Fleisch? Dann probieren Sie es doch mal mit Grünkern. Das unreif geerntete Korn des Dinkels schmeckt toll, wenn man es richtig zubereitet – zum Beispiel in der Pfanne angebraten.

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Als Nigel Slater, der Kochbuchpoet aus England, sein letztes Buch vorbereitete, schaute er, wie immer, in sein kleines schwarzes Notizbuch, in dem die tägliche Chronik seiner selbst gekochten Gerichte stand, so eine Art Tagebuch des Essens. Wahrscheinlich muss man so etwas haben, wenn man ein professioneller Kochbuchschreiber ist. Slater ist jetzt 62 Jahre alt, und ihm fiel beim Durchblättern auf, dass sich etwas geändert hatte: „Ich lebe zwar nicht streng vegetarisch, aber ein Großteil dessen, was ich unter der Woche esse, enthält weder Fleisch noch Fisch.“ Dann schob er eilig hinterher, entscheidend bleibe für ihn, dass „mein Essen etwas Köstliches ist und nicht etwas, das einem System strenger Ernährungsregeln folgt“.

Ja, okay. Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist (ich selbst bin Jahrgang 1964), aber mir geht’s genauso. Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich aus purer Gewohnheit Fleisch zu einem Gericht hinzufüge und es dann am Familientisch nicht essen mag. Das Schlemmergericht an Heiligabend, der traditionelle Lendchen-Zwiebel-Topf, stieß bei mir in diesem Jahr auf keine rechte Begeisterung (natürlich ließ ich mir nichts anmerken, ich hatte es ja selbst gekocht). Das Käsefondue am Tag danach schon. Also ging ich in mich und warf die Einfach-gut-essen-Rezepte-Produktionsmaschine an. Die Frage aller Fragen: Wie bekomme ich etwas zustande, das köstlich schmeckt, aber rein pflanzlich ist? Da fehlt nämlich immer ein bisschen das Umami, wie Sie sich aus der September-Folge dieser Serie bestimmt noch erinnern.

Grünkern fiel mir ein, der hatte mich schon immer interessiert. Eigentlich ist Grünkern Dinkel, nur unreif geerntet. Früher, als noch alles von der Landwirtschaft abhing, erntete man die Dinkelfelder nach vorausgegangenen Missernten einfach vor der Reife und trocknete das Korn dann auf speziellen Darren nach, so hatte man wenigstens sicher etwas für den Winter. Durch den Trocknungsvorgang erhielt das Produkt eine nussige Geschmacksrichtung – und die können Sie mit dem folgenden Rezept herauskitzeln. Ach, und falls Sie noch etwas vom Umami-Gewürz aus dem September* übrighaben, holen Sie es bitte aus dem Regal. Ich finde, das Einkochen und Quellen des Grünkerns erfolgt am besten über Nacht. Dann ist auch wirklich jedes einzelne Korn vollgesogen mit der leckeren, kräftigen Gemüsebrühe, die Sie mit einem Esslöffel Brühepulver auf 400 ml Wasser bereiten.

Lassen Sie bitte 200 Gramm Grünkernschrot (gibt es fertig im Supermarktregal) einrieseln, kochen Sie es auf und lassen es dann ziehen. Am nächsten Morgen ist es garantiert kalt, und Sie können mit den Händen hineingreifen und einen Teig bereiten. Die Zubereitungsweise ist dann ähnlich wie bei Fleischfrikadellen: Würfeln Sie eine Zwiebel, glasieren Sie sie in etwas Öl in einer Pfanne bis sie, bei niedriger Temperatur, weich geworden ist. Fügen Sie ganz am Schluss noch eine gepresste Knoblauchzehe hinzu. Geben Sie alles zusammen zum Grünkern. Dann kommen zwei Eier hinzu, eine gute Prise feine Haferflocken und Pfeffer. Optional ein Bund gehackte Petersilie. Schließlich als Clou zwei Teelöffel unseres Umami-Gewürzes. Falls Sie das nicht mehr zur Hand haben, tut es auch pulverisierter Parmesan-Käse.

Und dann mit den Händen den Teig matschen, bis wirklich alles gut vermischt ist. In der Zwischenzeit haben Sie, ganz klar, bereits eine große Pfanne mit Olivenöl auf dem Herd stehen, welches schon erhitzt wurde. Stellen Sie einen Teller mit Semmelbröseln parat. Formen Sie mit der Hand Bratlinge, wälzen Sie sie ein wenig in den Semmelbröseln, und geben Sie die Klopse dann in die Pfanne. Und nun braten Sie sie genauso wie Frikadellen. In einer zweiten Pfanne sollten Sie schon einmal die geschnittenen, halben Zwiebelringe parat halten, die Sie nun in etwas Öl anbraten, dann auf kleine Temperatur stellen, etwas Wasser und großzügig gekörnte Gemüsebrühe hinzugeben sowie einen Klecks gute Butter (wobei ich mich immer frage: Gibt es auch schlechte Butter?).

Sie lassen alles leise vor sich hin köcheln, mit Deckel, behalten die Grünkernlinge im Auge, denn die brennen genauso schnell an wie Fleischfrikadellen. Diese drehen Sie bei Bedarf. Und nicht so viel naschen! Ich weiß, die schmecken gut. Während Sie die fertigen Bratlinge zum Warmhalten in den auf 100 Grad eingestellten Backofen verfrachten, schmoren die Zwiebeln ihrem Ende entgegen. Wenn der letzte Klops im Ofen verschwunden ist, lüften Sie den Deckel (sie haben doch bestimmt aufgepasst, dass immer genug Flüssigkeit drin war, oder?) und schnuppern den Geruch. Dann holen Sie noch einmal das Butterstück, schneiden mindestens 125 g davon ab und geben es ins Gemüse (man nennt das geschmälzte Zwiebeln).

Das Ganze ergibt eine dermaßen leckere Soße, dass Sie wahrscheinlich nachproduzieren müssen. Sie können natürlich auch mehr Butter nehmen. Gut nachwürzen bitte. Zu den Grünkernfrikadellen kann man Gemüse der Saison essen (zum Beispiel gerade jetzt geviertelten Rosenkohl), Kartoffelbrei oder –ecken hinzufügen. Sie werden feststellen, dass die vegetarischen Frikadellen angenehm satt machen und lange vorhalten. Sie sind der schlagende Beweis dafür, dass gesundes, vegetarisches Essen nicht langweilig schmecken muss. Einfrieren lassen Sie sich auch gut. Guten Appetit!

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/2021 ab Seite 110.

Alexandra Regner, PTA und Medizinjournalistin

Fragen an die Autorin unter a.regner@uzv.de 

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