© Die PTA in der Apotheke
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Historie

GROSSE APOTHEKER – SERTÜRNER

Wilhelm Sertürner ging als Entdecker des Morphins in die Geschichte ein, bahnte der modernen Arzneimittelforschung den Weg – und starb doch verbittert 1841 in Hameln. Erfahren Sie hier, wie dies geschehen konnte.

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Geboren als Sohn eines fürstbischöflichen Landvermessers und Ingenieurs in Neuhaus bei Paderborn, begann Friedrich Wilhelm Sertürner 1799 in seiner Heimatstadt eine pharmazeutische Ausbildung in der Hof-Apotheke. Bereits vier Jahre später bestand er die Gehilfenprüfung.

Da es bei selbst sorgfältig hergestellten Opiumzubereitungen, die als Betäubungs- und Schmerzmittel eingesetzt wurden, immer wieder zu Therapieentgleisungen kam – wohl aufgrund schwankenden Wirkstoffgehalts – begann er in der sich anschließenden Gehilfenzeit chemische Untersuchungen zur Droge, zur Mohnpflanze, anzustellen.

Seine 1803/1804 im Labor der Hof-Apotheke durchgeführten systematischen Analyseversuche mit Opium, dem eingetrockneten Milchsaft von Papaver somniferum (Schlafmohn), führten zu der Entdeckung, dass der wirksame Inhaltsstoff im Opium eine kristalline Substanz ist. In aufwendigen Versuchen gelang es ihm, diese zu isolieren. Er benannte sie aufgrund der „schlafmachenden“ Wirkung Morphium, in Anlehnung an den griechischen Gott des Traumes, Morpheus.

Mit der Entdeckung dieses Wirkstoffes – der bald Morphin genannt wurde und bis heute zentrales Mittel der Schmerztherapie ist – und einer ganz neuen Klassen von Pflanzenstoffen, der Alkaloide, bahnte Sertürner somit der modernen Arzneimittelforschung den Weg. Erstmals war die genaue Dosierung eines einzelnen Wirkstoffes – und damit eine kalkulierbare Wirkung beim Patienten – möglich geworden.

Seine Erkenntnisse sandte er auch dem bekannten Apotheker und Pharmazeuten Johann Bartholomäus Trommsdorff (1770-1837) zu, der diese 1804/05 in seinem „Journal der Pharmacie“ publizierte. Doch die Veröffentlichungen des jungen, unbekannten Apothekengehilfen Sertürner fanden in der Welt der etablierten Forscher erst einmal keine Beachtung. Mehr als ein Jahrzehnt wurde seine Entdeckung ignoriert.

Fehlende Anerkennung Ostern 1805 wechselte Sertürner als Apothekengehilfe in die Rats-Apotheke an der Langen Brücke in Einbeck. Nach Verkündung der Gewerbefreiheit 1808 im Königreich Westfalen eröffnete er eine eigene Apotheke, um deren Existenz er nach Auflösung des Königreiches 1813 und Rückgängigmachung der Gewerbefreiheit lange erbittert kämpfte. 1821 erwarb er schließlich als Nachfolger des Apothekers Johann Friedrich Westrumbs (1751-1819) dessen bekannte Rats-Apotheke in Hameln. Im gleichen Jahr heiratete er auch Eleonore von Rettberg, die Tochter des Oberstleutnants Leopold Christoph von Rettberg und bekam kurz darauf Nachwuchs.

Doch wie stand es um den wissenschaftlichen Durchbruch? Weitere Opiumuntersuchungen, lebensgefährliche Tests im Selbstversuch und eine zweite größere Publikation über die Isolierung von Morphin in der Zeitschriftenreihe „Annalen der Physik“ 1817 verschafften ihm schließlich Reputation. Der berühmte französische Chemiker und Physiker Joseph Louis Gay-Lussac (1778-1850) ließ seinen Artikel begeistert für seine französische Fachzeitschrift übersetzen. Sogleich entstand aber auch ein Streit darüber, wem wirklich die Ehre der Erstendeckung zuzuschreiben sei.

Auch französische Chemiker – etwa Jean-Francoise Derosne (1774-1855) und Armand Séguin (1767-1835) – beanspruchten die Erstendeckung für sich. Erst im Jahr 1831 entschied das Institut de France schließlich zugunsten Sertürners. Wohl auf Vermittlung Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) wurde er allerdings schon kurz nach seiner Veröffentlichung in den „Annalen der Physik“ an der Universität Jena zum „Dr. phil.“ promoviert. Ebenso wurde er Ehrenmitglied mehrerer wissenschaftlicher Gesellschaften und Akademien.

Den Nachlass des Morphin-Entdeckers und Pharmazie-Pioniers Friedrich Wilhelm Sertürner hat das Deutsche Apotheken Museum in Heidelberg erst dieses Jahr von seinen Erben erworben.

Nach 1817 umfasst Sertürners wissenschaftliches Werk neben pflanzenanalytischen Studien auch Untersuchungen zum Galvanismus, er schreibt über Geschütze und Geschosse sowie über die Cholera. In seinem „System der chemischen Physik“ sowie der 1826 von ihm begründete Zeitschrift „Annalen für das Universalsystem der Elemente“ gibt er sich als Naturphilosophie-Anhänger zu erkennen.

Die Verbitterung darüber, dass ihm die wissenschaftliche Anerkennung für seine bisherigen Arbeiten lange verwehrt wurde und dies nun auch seine neueren Werke betraf, zieht sich aber wie ein roter Faden durch Sertürners gesamtes Leben. Depressive Zustände, die er hatte, behandelte er mit Morphin – wodurch er letztlich Suchtopfer seiner eigenen Entdeckung wurde. 1841 starb er. Nach seinem Tod wurden die sterblichen Überreste von Hameln nach Einbeck überführt und in der Bartholomäus-Kapelle am Altendorfer Tor beigesetzt.

Hier lesen Sie die Vollversion, die gekürzte Fassung des Artikels finden Sie in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/12 auf Seite 28.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Fach-Journalistin

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