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Man unterscheidet zwischen der akuten und der chronischen Sarkoidose. © ktsimage / iStock / Getty Images

Sarkoidose

GRANULOME IN DEN ORGANEN

Die Multisystemerkrankung kann prinzipiell den gesamten Körper betreffen, denn sie befällt die unterschiedlichsten Organe. Die Verläufe sind individuell und reichen von Spontanheilungen bis hin zu lebensbedrohlichen Ausprägungen.

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Sarkoidose wird auch als Morbus Boeck oder Granulomatose bezeichnet und ist eine systemische Erkrankung des Bindegewebes. Dort bilden sich kleinste Knötchen (Granulome), zudem sind oft die Lymphknoten und/oder die Lunge befallen. Auch andere Organe wie die Milz, das Herz, die Leber, die Nieren, die Augen, die Haut oder das Nervensystem werden in Mitleidenschaft gezogen. Zu den typischen Symptomen zählen außerdem trockener Husten, allgemeine Abgeschlagenheit sowie Flecken auf oder Knötchen unter der Haut. Das Makrophagensystem ist bei Patienten mit Sarkoidose zwar aktiviert, allerdings kann der Auslöser der Erkrankung durch die Makrophagen-Immunabwehr nicht bekämpft werden – so viel steht fest. Die Folge ist eine chronische lymphozytäre T-Zell-Entzündung, die sich auf verschiedene Organe ausbreitet.

Langer Weg zur Diagnose In der Regel tritt die Erkrankung zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf, prinzipiell kommt sie jedoch in jedem Alter vor. Häufig haben Kunden mit Sarkoidose einen langen diagnostischen Weg hinter sich, da die Symptome vielfältig sind und Ärzte nicht immer an die Granulomatose denken. In Deutschland geht man von einer Prävalenz von etwa 44 pro 100 000 Einwohner aus und von einer Inzidenz von 9,6 pro 100 000 Einwohnern. Allerdings existiert vermutlich eine hohe Dunkelziffer, da einige Personen ihre asymptomatische, subklinische Sarkoidose lebenslang nicht bemerken.

Akuter oder chronischer Verlauf Man unterscheidet zwischen der akuten und der chronischen Sarkoidose: Bei der akuten Form klagen Betroffene häufig über Fieber, Muskelschmerzen, Gewichtsverlust, Müdigkeit, Nachtschweiß, Kurzatmigkeit und Husten, oftmals sind neben der Lunge noch weitere Organe beeinträchtigt. Ist die Milz nicht in Mitleidenschaft gezogen, heilen akute Verlaufsformen innerhalb weniger Monate wieder aus und Patienten erholen sich in der Regel von den Beschwerden. Die Entzündungsparameter lassen sich durch eine Blutuntersuchung bestimmen, in der Regel ist die Konzentration der Interleukin-2-Rezeptoren stark erhöht.

Zur akuten Sarkoidose zählt das sogenannte Löfgren-Syndrom, welches mit einer beidseitigen Lymphknotenschwellung an der Lungenwurzel, einer Polyarthritis sowie mit einem Erythema nodosum (rötlich-violett gefärbte Hautknoten insbesondere an den Unterschenkeln) einhergeht. Seltener ist das Heerfordt-Syndrom, das ebenfalls den akuten Formen zuzuordnen ist. Typisch sind eine Fazialisparese (Gesichtslähmung), eine Uveitis (Entzündung der Augenhaut) sowie eine Parotitis (Entzündung der Speicheldrüsen), zusätzlich leiden Betroffene unter hohem Fieber. Die chronische Sarkoidose kennzeichnet sich hingegen durch einen schleichenden Verlauf und stellt eine ernste Krankheit dar, insbesondere wenn Herz, Nieren, Gehirn und Lunge beteiligt sind. Es kann unter anderem zu lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen oder zu Nierenversagen kommen.

Fünf Schweregrade der Erkrankung Im Stadium 0 ist das Röntgenbild unauffällig und die Lunge nicht befallen, in der darauffolgenden Phase sind die Lymphknoten zwischen den Lungenflügeln, entlang der Luftröhre und der Hauptbronchien geschwollen, während das Lungengewebe nicht beeinträchtigt ist. Erst im Stadium 2 sind knötchenartige Veränderungen im Lungengewebe nachzuweisen, die Lymphknoten sind ebenfalls verändert. Das Stadium 3 äußert sich hingegen durch Granulome in der Lunge ohne Schwellungen der Lymphknoten. Von einer chronischen Erkrankung (Stadium 4) spricht man, wenn eine irreversible Lungenfibrose vorliegt und das Lungengewebe zu Bindegewebe umgebaut wird.

Wie entsteht Morbus Boeck? Die Ursachen der Sarkoidose sind noch immer weitestgehend unbekannt. Vermutlich liegt der Erkrankung eine genetische Disposition zugrunde, denn sie tritt familiär gehäuft auf. Mutationen des Gens BTNL2 sowie die HLA-Variante HLA-DQB1 sollen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko korrelieren. Es wurden bereits Tuberkulose-Erreger und weitere Mykobakterien als Ursprung für die Sarkoidose diskutiert, jedoch endete die Erregersuche bis heute stets erfolglos. Allerdings scheinen gewisse Umweltfaktoren relevant zu sein: Feuerwehrleute, Krankenpfleger und Krankenschwestern weisen eine bis zu 7,5-fach erhöhte Prävalenz auf, eventuell ist diese auf die vermehrte Belastung mit Gasen, Chemikalien und Aerosolen zurückzuführen.

Die Metalle Beryllium, Zirkonium, Aluminium, Titanium und der Quarz Kristobalit rufen zwar eine granulomatöse Entzündung, die der Sarkoidose ähnelt, hervor – aus dieser entwickelt sich jedoch keine Multisystemerkrankung. Raucher leiden seltener unter Sarkoidose, was damit zusammenhängen könnte, dass ihr Makophagen-Abwehrsystem beeinträchtigt ist. Auffällig ist auch, dass die Inzidenz nach Grippe-Epidemien erhöht ist – wahrscheinlich finden in diesen Phasen vermehrt Untersuchungen der Lunge (Röntgen) statt, sodass die Granulome zufällig entdeckt werden.

Verschiedene Behandlungsmöglichkeiten Die Therapie des Morbus Boeck richtet sich nach dem jeweiligen Schweregrad. Grundsätzliche Ziele sind die Stabilisierung der Erkrankung sowie die Senkung der Cortison-Dosis. Jedoch ist der Einsatz von Medikamenten nicht immer angebracht, da sich die Beschwerden auch spontan zurückbilden können. In der Regel wird eine akute Sarkoidose symptomatisch mit nicht-steroidalen Antiphlogistika behandelt. Nur in seltenen Fällen ist der Einsatz von cortisonhaltigen Medikamenten indiziert, diese sollten unbedingt mit Bedacht angewendet werden, da sie im Verdacht stehen, die Häufigkeit von Rückfällen zu erhöhen.

Bei chronischen Verläufen verordnet der Arzt jedoch meist Cortison-Präparate, um die Entzündung zu bekämpfen. Die Therapie erfolgt in der Regel über einen Zeitraum von insgesamt sechs bis neun Monaten, wobei man mit einer hochdosierten Gabe startet, die Dosis schrittweise reduziert und das Medikament auf diese Weise ausschleicht. Auch durch immunsuppressive Substanzen wie den Wirkstoff Methotrexat (MTX, in Kombination mit Corticoiden) lassen sich die Beschwerden verbessern und die Cortisonmengen reduzieren, MTX-Monotherapien sind hingegen wirkungslos.

Unter Azathioprin konnte man in klinischen Studien die Cortison-Dosis reduzieren, während der Wirkstoff Mycophenolatmofetil vermutlich nur bei Augen- und Neurosarkoidose effektiv ist. Darüber hinaus sind vermehrt Biologika in den Fokus der Forschung gerückt: Die Gabe von Anti-TNF-​alpha-Antikörpern wie Infliximab oder Adalimumab scheint sich positiv auszuwirken. Weitere Studien sollen Erkenntnisse zum Thema Sarkoidose und deren Therapie liefern: Im Sommer 2018 gab es weltweit mindestens zehn verschiedene klinische interventionelle Studien an Sarkoidose-Betroffenen, die unter anderem den Zusammenhang zu Substanzen wie Cortison, Methylphenidat, Corticotropin, Nicotin, Pirfenidon, Canakinumab und Riociguat untersuchten.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/19 ab Seite 74.

Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie und Fachjournalistin

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