Eine junge Frau hält ein aufgeschlagenes Buch in den Händen, riecht daran und lächelt.© dikushin / iStock / Getty Images Plus
Papier duftet so gut, weil es Vanillin enthält.

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VANILLIN ZUR ARZNEISTOFF-SYNTHESE AUS ABFALL GEWINNEN

Vanillin ist mehr als ein Aromastoff. Wir benötigen ihn auch in der Pharmazie. Den jährlichen Bedarf von 15 000 Tonnen können wir nur durch technische Synthese decken. Hierzu haben Forschende aus Mainz ein neues, umweltschonendes Verfahren entwickelt.

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Vanillin ist Hauptbestandteil des natürlichen Vanilleextrakts, man kann es aber auch als naturidentischen Aromastoff synthetisieren. Vanillin aus Vanilleschoten deckt nur etwa 0,3 Prozent des Vanillin-Bedarfs, der Rest wird technisch hergestellt.  Weltweit ist Vanillin mengenmäßig der wichtigste Aromastoff – auch, weil es so billig zu synthetisieren ist.

Wir finden Vanillin in Speiseeis, Backwaren, Schokolade, Parfüm und als Geschmackskorrigens in Arzneimitteln. Um beispielsweise Levodopa, Methyldopa und Trimethoprim zu synthetisieren, brauchen wir Vanillin als Ausgangsstoff. Und Vanillin ist ein Nachweisreagenz, etwa für Tannine oder bei der Dünnschichtchromatografie.

Das Problem bei der Vanillin-Synthese

Wir können Vanillin auf verschiedene Arten gewinnen. Es steckt zum Beispiel in Lignin, der strukturgebenden Substanz in Holz. Lignin fällt bei der Papiergewinnung als Abfallprodukt an. Dieser Rest wird also weiter genutzt, es fällt weniger Müll an, prima für die Umwelt. So weit so gut.

Aber: Vanillin lässt sich bislang nur aus Ligninsulfonsäure gewinnen. Dieses Nebenprodukt fällt nur bei einem von mehreren Verfahren der Papiergewinnung an. Am häufigsten wird Papier heute im sogenannten Kraft-Verfahren hergestellt. Und dabei fällt keine Ligninsulfonsäure an (und somit kein Vanillin), sondern Kraft-Lignin. Das kann bislang nicht als Rohstoff genutzt werden, sondern wird einfach verbrannt.

Neues Verfahren: Vanillin aus Kraft-Lignin

Diesem Problem haben sich Forschende um Professor Dr. Siegfried R. Waldvogel, Fachbereich Chemie der Johannes Gutenberg Universität Mainz, angenommen. Wie passend, hätte Gutenberg ohne Papier auch keine Bücher drucken können. Das Team um Waldvogel entwickelte ein Verfahren, mit welchem man auch aus Kraft-Lignin Vanillin gewinnt. Es ist umweltverträglich und nutzt Rohstoffe, die bei der Papierproduktion ohnehin vorhanden sind.

Waldvogel erklärt seine Arbeit: „Die Idee entwickelte sich vor vielen Jahren, als wir innovative Elektrodenmaterialien ausprobierten, um aus einfachen Carbonaten Oxidationsmittel zu machen.“ Es galt, ein Oxidationsmittel zu finden, das stark genug ist, um das widerspenstige Kraft-Lignin zu knacken. Bor-dotierter Diamant, der sonst als Elektrodenmaterial dient, oxidiert Natriumcarbonat zu Peroxidicarbonat. Und das ist als Oxidationsmittel stark genug für Kraft-Lignin.

Nachwachsende Rohstoffe nutzen

Anders als bei klassischen Verfahren werden hierbei weder umweltschädliche Chemikalien eingesetzt noch produziert. Das Verfahren soll nun in einer Pilotanlage angewendet und weiter getestet werden.

Von ihrer Entdeckung erhoffen die Forschenden sich einen klimaschützenden Effekt. In ihrer Publikation heißt es: „Angesichts steigender Treibhausgasemissionen und endlicher Erdölressourcen ist es unerlässlich, fossile Rohstoffe durch nachwachsende Rohstoffe zur Herstellung von Kraftstoffen und Chemikalien zu ersetzen. Hier ist eine zukunftsorientierte Lösung, die effiziente Nutzung von Lignocellulose-haltiger Biomasse, bei der Lignin bis zu 35 Prozent ausmacht.“

Quellen:
Zirbes, Graßl, Neuber, Waldvogel: „Peroxodicarbonate as a Green Oxidizer for the Selective Degradation of Kraft Lignin into Vanilln“, Angewandte Chemie International Edition, 31. Januar 2023. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/anie.202219217
https://www.chemie.de/lexikon/Vanillin.html
https://idw-online.de/de/news809869

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