© Beat Ernst, Basel

Giftpflanzen

GIFTLATTICH

Vor Hundert Jahren wurde der Giftlattich noch großflächig zur Gewinnung des analgetisch wirksamen Milchsaftes kultiviert. Heute ist die Pflanze nur noch vereinzelt verwildert anzutreffen.

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Lactuca virosa L. ist eine wärmeliebende Pflanze vom Mittelmeer aus der Familie der Korbblütler und der Gattung der Lattiche (Lactuca), die sowohl ein- als auch zweijährig auftritt. Sie wächst in Süd- und Mitteleuropa, Nordafrika und Westasien bevorzugt auf sonnigen, steinigen Hängen und Weinbergen sowie an Wegrändern. Mit einer Wuchshöhe von bis zu 2,5 Metern ist sie eine auffällige Erscheinung.

Aus einer grundständigen Blattrosette schießt im Frühjahr ein nach oben hin verzweigender Stängel, der von Juni bis September eine lockere Rispe mit circa 12 bis 16 gelben Korbblüten bildet. Die blaugrünen, eiförmigen Blätter des Giftlattichs sind stängelumfassend. Ihre Ränder sind spitz gezähnt und der unterseitige Mittelnerv ist mit kleinen Dornen besetzt.

Die spindelförmige Wurzel zeichnet sich durch einen charakteristischen Geruch nach Mohn aus, welcher der Pflanze auch den Namen Stinksalat eingebracht hat und auf den der lateinische Artname virosa = stark stinkend, giftig zurückzuführen ist. Außerdem verweist er auf die toxischen Eigenschaften der Pflanze, die auch schon im deutschen Namen des Korbblütlers zum Ausdruck kommen.

Lactucarium Beim Aufschneiden des Stängels, tritt ein weißer, bitter schmeckender Milchsaft aus, der sich an der Luft braun verfärbt. Dieser eingetrocknete Saft wird als Lactucarium bezeichnet, was von lateinisch lac = Milch kommt und „das milchig Ausgeschiedene“ bedeutet. Schon im Altertum wurde er während der Blütezeit gesammelt und als Heilmittel eingesetzt. Man rühmte neben seiner harntreibenden Wirkung vor allem seine beruhigenden Eigenschaften, weshalb der Giftlattich damals auch den Beinamen „Pflanze der Eunuchen“ trug.

Es wird vermutet, dass die Römer die Pflanze mit Ausweitung ihres Reiches weiter in den Norden brachten. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde Lactuca virosa L. sowohl an der Mosel als auch in anderen Teilen Europas als Heilpflanze kultiviert und sein getrockneter Milchsaft über Apotheken vertrieben. Die Droge war sogar bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hier zu Lande offizinell und im Deutschen Arzneibuch als Lactucarium aufgeführt. Die Ärzte schätzten ihn vor allem als Sedativum, Narkotikum, Hypnotikum und Analgetikum. In der Volksheilkunde wurde er auch gegen Wassersucht und als Mittel bei Bronchialerkrankungen verwendet.

Deutsches Opium Da man zu wenig Opium aus Asien käuflich erwerben konnte, war während des Ersten Weltkrieges der Einsatz der Droge bei chirurgischen Eingriffen als Opiumersatz sehr verbreitet, obwohl keine Opiumalkaloide in ihr enthalten sind. In Untersuchungen konnte auch keine Bindung von Inhaltsstoffen am Opiumrezeptor beobachtet werden. Man geht jedoch von einer Hemmung der Aktivität einer Neutralen Endopeptidase (NEP) aus, die am Abbau von Enkephalinen beteiligt und damit für die analgetischen Wirkung verantwortlich ist.

Mit dem Bedarf an „Lattichopium“ wurde der Giftlattichanbau in Deutschland intensiviert, der aber nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem zunehmenden Import von asiatischem Opium wieder zum Erliegen kam. Allerdings machte die Pflanze in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts unter der Bezeichnung Lettuce Opium wieder Schlagzeilen, als ihre berauschende Wirkung in der Drogenszene gepriesen wurde. Als Heilpflanze ist Lactuca virosa L. heute nicht mehr gebräuchlich. Lediglich ist der homöopathische Gebrauch gegen Krampfhusten, nervöse Störungen und einer Verdauungsschwäche mit Blähsucht üblich.

Giftsalat Für die sedativen und auch toxischen Eigenschaften von Lactuca virosa L. werden vor allem die in allen Organen der Pflanze enthaltenen Sesquiterpen-Bitterstoffe Lactucin, 8-Desoxy-11-beta-13-Dihydrolactucin, Lactucopikrin sowie das Glykosid Lactusid A verantwortlich gemacht. Sie werden zunehmend in der Wachstumsphase und Blütezeit in hohem Ausmaß produziert und finden sich im Milchsaft in einer Menge von bis zu 3,5 Prozent. Ihre Toxizität wird allerdings als gering eingeschätzt und Vergiftungen sind selten.

Früher kam es häufiger zu Intoxikationen durch versehentlichen Verzehr der Blätter, die mit anderen Salatsorten wie Gemüse-Gänsedistel (Sonchus oleraceus), Wilde Karde (Dipsacus sylvestris) oder Stachel-Lattich (Lactuca serriola) verwechselt wurden, worauf auch der Name Giftsalat zurückzuführen ist. Die Vergiftungserscheinungen äußern sich in Schweißausbrüchen, einer erhöhten Atem- und Pulsfrequenz, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Pupillenerweiterung. Bei starker Intoxikation tritt der Tod durch Herzstillstand ein.

Den Artikel Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/14 ab Seite 80.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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