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Giftpflanzen

GIFTIGER FRÜHLINGSBOTE

Die herzstärkende Wirkung des Maiglöckchens ist schon seit dem 16. Jahrhundert bekannt. Heute ist weniger die Heilkraft der Pflanze als ihre Giftigkeit von Interesse.

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Das Maiglöckchen war im Volksglauben seit alters her ein Zeichen der Unschuld und symbolisierte Liebe und Glück. Noch heute findet man es daher in Brautsträußen und in Frankreich werden alljährlich am 1. Mai solche Sträuße als Glückbringer verkauft.

Weiße Schönheit mit intensivem Duft Convallaria majalis L. ist eine mehrjährige, krautige Pflanze der Maiglöckchengewächse , die mit einem Rhizom überdauert. Sie ist fast in ganz Europa und im gemäßigten Asien heimisch und in Nordamerika inzwischen eingebürgert. Die Pflanze wächst vor allem in lichten Laubmischwäldern oder im halbschattigen Gebüsch an Stellen, die im Frühling noch Sonne bekommen. Darüber hinaus ist sie als Zierpflanze in Gärten zu finden. Sie bildet dichte Bestände mit Wuchshöhen von bis zu 25 Zentimetern.

Maiglöckchen besitzen zwei bis drei breit-lanzettliche, glattrandige bis zu 20 Zentimeter lange Laubblätter, die direkt aus der Wurzel entspringen. Charakteristisch sind ihre bogenförmig angeordneten Blattnerven. Der aufrechte Blütenstängel ist kantig und unbeblättert. Er trägt einen traubigen Blütenstand aus vier bis zehn gestielten, glockenförmigen weiße Blüten, auf die auch der deutsche gebräuchliche Name Maiglöckchen verweist. Sie verströmen einen charakteristischen süßen Duft, der seit Jahrhunderten Vorbild für Parfüme ist.

Vielsagende Namen Der botanische Name Convallaria leitet sich von lateinisch convallium = in den Tälern vorkommend ab und verrät damit Standortansprüche. Der Artname majalis = Mai verweist wie die deutsche Bezeichnung auf die Blütezeit. Die Pflanze besitzt daneben noch eine Vielzahl an volkstümlichen Namen. Von den über 200 im deutschsprachigen Raum verwendeten Synonymen sind Talblume, Maiblume, Maililie oder Springauf nur eine kleine Auswahl der bekanntesten.

Lange Zeit als Allheilmittel gebräuchlich So zahlreich die Bezeichnungen für die Pflanze sind, so vielfältig ist auch die Palette an Krankheiten, gegen die sie früher gepriesen wurde. Die Kräuterbücher des 15. und 16. Jahrhunderts empfahlen Maiglöckchen gegen allerlei Beschwerden. Neben der Behandlung von Ohnmacht, Schwindel, Entzündungen, Augenleiden oder Gicht wurden sie besonders bei Schlaganfall und Epilepsie verwendet. Auch die Stärkung des Herzens war damals schon eine geläufige Indikation.

»Vergiftungsfälle mit schwerer Symptomatik sind selten, da die herzwirksamen Glykoside nur schwer aufgenommen werden.«

Zur Herzstärkung Nachdem die Maiglöckchen Mitte des 19. Jahrhunderts fast ganz aus dem Arzneischatz verschwanden, wurden im 20. Jahrhundert eingestellte Maiglöckchenpräparate bei leichter Herzinsuffizienz und kardialen Ödemen eingesetzt. Auch hat die Kommission E für das Maiglöckchenkraut eine positive Monografie erstellt, welche als Indikationen leichte Herzinsuffizienz (bei Belastung; New York Heard Association II), Altersherz und chronisches Cor pulmonale aufführt. Inzwischen haben Fertigarzneimittel mit Maiglöckchen keine Bedeutung mehr. In der Homöopathie werden sie noch bei Herz- und Kreislaufbeschwerden eingesetzt.

Bittere Beeren Heute macht die Pflanze vielmehr als Giftpflanze von sich reden. Convalllaria majalis L. gehört zu den häufigsten Beratungsfällen der Giftzentralen. Maiglöckchen enthalten in allen Pflanzenteilen herzwirksame Glykoside vom Cardenolidtyp (z. B. Convallatoxin, Convallosid und Lokundjosid), wobei sich die höchsten Konzentrationen in den Blüten und Samen finden. Ferner finden sich Steroidsaponine.

GEGENMASSNAHMEN EINLEITEN
Bei Verdacht auf eine Vergiftung mit Maiglöckchen sollte zunächst Erbrechen ausgelöst werden. Weiterhin wird die Gabe von Kohle empfohlen (ein Gramm Kohle pro Kilogramm Körpergewicht). Im Krankenhaus wird eine Magenspülung durchgeführt und zur Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufs Colestyramin appliziert.

Vergiftungsfälle treten vor allem bei Kindern auf, welche gerne die von Juli bis September erscheinenden roten Früchte probieren. Ebenso wird von Verwechselungen mit Bärlauchblättern berichtet.

Selten schwere Vergiftungen Da die Glykoside aber bei peroralem Verzehr nur schwer vom Magen-Darm-Trakt resorbiert werden, treten heftige Vergiftungserscheinungen nur vereinzelt auf. Meistens bleibt es bei gastrointestinalen Reizerscheinungen, Übelkeit und Erbrechen, zumal die Früchte wegen ihres bitteren Geschmacks meist nur in geringen Mengen verzehrt werden. Hinzu kommt, dass sich die Samen nicht aufbeißen und somit keine Giftstoffe frei lassen. Kardiotoxische Wirkungen, die sich mit Herzrhythmusstörungen und cerebralen Erscheinungen wie Sehstörungen, Delirium oder Halluzinationen zeigen, sind die Ausnahme.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/13 ab Seite 84.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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