Rosmarin-, Thymian- und Pfefferminzöl auf hellem Untergrund
Ätherische Öle können unter anderem beruhigend wirkend. Aber können sie auch heilen? © LightFieldStudios / iStock / Getty Images Plus

Faktencheck

GESUNDHEITSMYTHEN UND WAS DAHINTER STECKT

Neulich stieß ich auf die Netflix-Serie „[un]gesund“, die – zugegeben – mein Interesse weckte. Die Dokumentation taucht in die Wellness-Branche ein, die Gesundheit und zum Teil auch Heilung verspricht. Welche Produkte, wie wirken und ob sie heilen können – ein Faktencheck.

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Die Themen der Folgen reichen von A wie Ayahuasca bis T wie Tantrasex. Drei der in der Serie thematisierten Gesundheitsmythen haben wir mal genauer unter die Lupe genommen: Zum einen ätherische Öle, die auf eine Jahrtausende alte Tradition zurückführen und die für Marketing-Unternehmen vom Randprodukt zur Goldgrube wurden. Zum anderen Muttermilch. Dass Muttermilch für Babys, besonders in den ersten Wochen im Leben des Kindes, gesund ist und dabei hilft, gute Abwehrkräfte aufzubauen und sich gegen Allergien zu wappnen, ist bekannt. Doch es dürsten auch andere nach der Muttermilch – Bodybuilder zum Beispiel, die sich einen besseren Trainingseffekt erhoffen und an Masse zulegen wollen. Im Gegenteil dazu geht es beim Fasten um den Verzicht. Biohackern zufolge soll es Körper und Geist stärken und Heilungsprozesse anregen. Man sollte sich dennoch darüber bewusst sein, dass Heilfasten auch Risiken mit sich bringt und Gefahren birgt.

Ätherische Öle
Die biologischen Wirkungen von ätherischen Ölen und Duftstoffen lassen sich durchaus nachweisen. Die Hauptinhaltsstoffe von Lavendelöl, Linalool und Linalylacetat, haben beispielsweise einen stressabbauenden, antikonvulsiven und anxiolytischen Effekt auf das Nervensystem. Die antikonvulsiven und sedativen Wirkungen von Linalool sind allerdings dosisabhängig, denn in hohen Dosen ist Linalool toxisch. EEG-Untersuchungen zufolge erhöht Lavendelöl den Anteil der für die Relaxation und Tiefenschlaf zuständigen Alpha-Wellen. Außerdem wird ätherischen Ölen aus der Gruppe der Terpene wie Limonen, Perillylalkohol und Perillinsäure, ein Metabolit von Limonen und Perillylalkohol, eine krebspräventive Wirkung zugeschrieben. Perillinsäure und Perillylalkohol hemmen effektiv die Farnesyltransferase, ein Enzym, das für die Isoprenylierung des K-ras-Onkogenproduktes zuständig ist. Angstreduzierung und die Steigerung der körpereigenen Abwehr sind Wirkungen, die mit Lavendelöl in Verbindung gebracht werden. Dennoch fehlen placebokontrollierte Studien zum Beleg der Wirksamkeit und eine allgemein anerkannte Methodologie zum Erhalt vergleichbarer Ergebnisse. Auch qualitativ unterscheiden sich die Extrakte: Oft sind Organochlorpestizide in ätherischen Ölen vorhanden, die bei Massagen in größeren Mengen über die Haut aufgenommen werden und sich im Körper anreichern können. Für die Aromatherapie spricht der Duft ätherischer Öle, der das Wohlbefinden steigern kann.

Ätherische Öle und ihre Wirkung:
Zitronenöl: stärkt das Immunsystem, wirkt belebend, steigert die Konzentrationsfähigkeit, kann bei Infekten helfen und hat eine antibakterielle sowie antiseptische Wirkung. Eine Keimreduzierung der Raumluft um 85 Prozent innerhalb einer Stunde (mehr als Desinfektionsmittel und dabei verträglicher).
Pfefferminzöl: wirkt erfrischend, kühlend, anregend, reduziert nachweislich Kopfschmerzen und kann Verdauungsbeschwerden lindern. Eine zehn prozentige Lösung in Alkohol oder fettem Öl bewirkt die gleiche Schmerzreduktion wie 500mg Paracetamol.
Eukalyptusöl: wirkt belebend, motivierend, stärkend, keimreduzierend und schleimlösend. Es wird als Standardarzneimittel zum Einreiben bei Schmerzen und rheumatischen Beschwerden verwendet.
Rosmarinöl: hat eine stimulierende Wirkung und ist ein Einreibemittel für Muskeln und Gelenke, denn es fördert die Durchblutung und beugt Muskelkater vor.
Weihrauchöl: hat entzündungshemmende und hautregenerierende Eigenschaften.
Rosenöl: hat eine harmonisierende und entspannende Wirkung. Verdünnt mit fettem Basisöl wirkt es hautregenerierend.

Ätherische Öle können unter Umständen heilen. Manche Beschwerden wie Muskelverspannungen oder eine Erkältung lassen sich allein mit ätherischen Ölen behandeln. Doch bei schwerwiegenden Krankheiten, sollten sie eher als adjuvante Therapie eingesetzt werden.

Muttermilch
Muttermilch
ist leicht verdaulich, gut bioverfügbar, passt sich in der Zusammensetzung ständig den Bedürfnissen des Säuglings an. Sie ist immer frisch, hygienisch, temperiert und bietet dem Säugling eine bestmögliche Gesundheitsprophylaxe. Zahlreiche Studien belegen, dass gestillte Säuglinge durch die in der Muttermilch enthaltenen Antikörper wesentlich seltener an Mittelohrentzündungen, Infektionen des Magen-Darm-Traktes, der Atemwege, der Harnwege, Meningitis und anderen Infektionen erkranken. Muttermilch stärkt das Immunsystem und unterstützt durch Wachstumshormone die Entwicklung des Babys. Außerdem reduziert sie die Sterblichkeit an plötzlichem Kindstod um ein Drittel sowie das Risiko bei Frühgeborenen an nekrotisierender Enterokolitis zu erkranken. Es existieren sogar Studien, die eine prophylaktische Wirkung vor chronischen Krankheiten wie Adipositas, Diabetes mellitus, kardiovaskulären Erkrankungen, Hypertonie, Autoimmunerkrankungen wie Morbus Crohn und Krebserkrankungen belegen.

Es steht außer Frage, dass Muttermilch für Babys gesund ist. Seit einigen Jahren aber kaufen auch Bodybuilder Muttermilch, da sie sich einen größeren Trainingseffekt erhoffen. Angereichert mit Proteinen und Kreatinen soll vor allem die erste Muttermilch nach der Geburt das Muskelwachstum fördern, deren Erholung verbessern und Muskelkater verringern. Muttermilch enthält zwar Wachstumshormone, doch diese sind für die Vermehrung der Körperzellen und die optimale Entwicklung des Säuglings zuständig und nicht für den Muskelaufbau.

Die in der Muttermilch enthaltenen Proteine, Fette und Kohlehydrate haben zwar keine schädlichen Folgen für Erwachsene, erklärte die Krankenschwester und Muttermilchexpertin Emily Pease dem amerikanischen Fernsehsender „Komo News“. „Es gibt aber auch keinen Beweis, dass es Vorteile hat, wenn erwachsene Menschen Muttermilch trinken“. Andere Experten warnen jedoch vor möglichen negativen Auswirkungen: Da Muttermilch über den Blutkreislauf erzeugt wird, kann sie Nikotinbestandteile, Medikamente oder sogar Hepatitis-C- oder HI-Viren enthalten. Durch den Transport könnte sie verunreinigt worden sein.

Heilfasten
Fasten soll den Körper reinigen, vor chronischen Krankheiten schützen und gut für die Seele sein. Fest steht, dass es den Blutzuckerspiegel, die Insulinresistenz und den Blutdruck senkt. Der Darm wird von Rückständen und abgestorbenem Zellmaterial befreit, stoffwechselungünstige Zucker-Eiweiß-Moleküle werden abgebaut und auch die Darmflora kann sich durch das Fasten positiv verändern. „Wer jedoch keine Fastenkur machen möchte, kann den gleichen positiven Effekt erzielen, wenn er täglich etwa 20 bis 30 Prozent weniger isst, als er brauchen würde, um maximal satt zu sein“, sagt Prof. Dr. Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel Kant Krankenhaus Berlin. Fasten kann eine positive Wirkung bei Rheumatoider Arthritis oder Rheuma-verwandten Krankheiten wie der Fibromyalgie haben. Laut Beobachtungsstudien kann der Verzicht auf Lebensmittel auch bei Arthrose sowie bei chronischen Schmerzsyndromen wie Migräne einen positiven Einfluss haben.

Untersuchungen aus 2014 zeigen, dass zweitägiges Fasten vor einer Chemotherapie möglicherweise die Nebenwirkungen der Behandlung reduziert. Außerdem könnte kurzzeitiges Fasten die Wirksamkeit einer Strahlentherapie verbessern. Bevor sich ein Patient dazu entscheidet, auf feste Nahrung zu verzichten, sollte dies mit einem Arzt besprochen werden.

Macht Fasten high? Tatsächlich werden während des Fastens größere Mengen Serotonin freigesetzt, während der Stresshormon-Pegel sinkt. Aufgrund der sogenannten „Fasteneuphorie“ gilt besondere Vorsicht bei Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie. Psychisch labilen Menschen ist deshalb vom Fasten abzuraten.

Fastende sollten die Kur als Chance sehen, ihre Gewohnheiten zu überdenken, um längerfristig gesünder zu leben. Fasten kann keine Heilung versprechen, vor allem nicht, wenn man nach der Kur wieder zu Junk-Food und Co. greifen sollte. Wer allerdings nach der Fastenzeit mehr körperliche Bewegung in den Alltag einbaut und seine Ernährungs- und Lifestyle-Gewohnheiten verändert, steuert auch auf ein gesünderes Leben zu.

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Sabrina Peeters,
Redaktionsvolontärin

Quellen:
https://www.netflix.com/de/title/81044208
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2004/daz-25-2004/uid-12134
https://www.taoasis.com/aromatherapie/die-wichtigsten-aetherischen-oele/
„Balsam für die Seele – TAOASIS Aromatherapie“, Akademie der Düfte, 10/17
https://www.casida.com/de/die-vielfaeltigkeit-aetherischer-oele/ 
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2006/daz-13-2006/uid-15652
https://www.focus.de/panorama/welt/bodybuilder-und-fetischisten-skurril-maenner-kaufen-muttermilch-fuers-training_id_4493196.html
https://www.heilpraxisnet.de/naturheilpraxis/skurriler-trend-muttermilch-soll-beim-muskelaufbau-helfen-2015062439458/
https://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/heilfasten-die-wichtigsten-fakten-ueber-den-effekt-von-fastenkuren-a-956624.html
https://link.springer.com/article/10.1007/s11916-010-0104-z

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