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PTA-Fortbildung 04/15

GESUNDER SCHLAF: ÖFTER MAL SCHAFE ZÄHLEN

Late-Night-Shopping oder Mitternachtsvorstellung im Kino – viele Menschen hangeln sich zwischen Reizüberflutung und kurzen Nächten durchs Leben und wundern sich, dass sie nicht schlafen können.

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Es gibt kein normales Schlafmaß. Wie viel Schlaf man tatsächlich braucht, ist individuell sehr unterschiedlich. Zum größten Teil ist dies genetisch festgelegt. Erwachsene schlafen durchschnittlich sieben bis acht Stunden. Dies gilt als die optimale Schlafdauer und verspricht das längste Leben. Aber es gibt aber auch Menschen, die mit nur fünf Stunden oder sogar noch weniger auskommen, während andere erst nach über zehn Stunden erholt sind.

Das wichtigste Kriterium ist, ob man sich tagsüber ausgeruht und frisch fühlt. Mit steigendem Alter werden die Tiefschlaf- und die REM-Anteile immer kürzer und die Aufwachhäufigkeit nimmt deutlich zu. Dies sind ganz normale, biologisch bedingte Prozesse. Mit den Wechseljahren kommt es bei vielen Frauen zu einer weiteren Verschlechterung des Schlafes. Solange die Tagesbefindlichkeit dadurch nicht gestört wird und der Leidensdruck nicht zu groß ist, bedarf auch dies keiner Behandlung.

Ganz ohne Schlaf kommt allerdings niemand aus, denn Schlaf ist ein Grundbedürfnis – so wie Essen und Trinken. Bereits eine einzige völlig schlaflose Nacht steckt einem in den Knochen, wenn auch manchmal erst am übernächsten Tag. Um gut und erholt schlafen zu können, braucht es in einigen Fällen pharmazeutische Unterstützung. Häufig reicht es auch schon, die Regeln der Schlafhygiene zu beachten. Eigentlich sind dies ganz einfache und selbstverständliche Dinge, die aber viele Menschen offenbar vergessen haben.

Natürlicher Rhythmus Der Mensch ist tagaktiv und darauf ausgelegt nachts zu schlafen. Man durchläuft dabei verschiedene Schlafstadien, die alle wichtig sind, da sie jeweils bestimmte Funktionen erfüllen. Die einzelnen Stadien werden anhand spezieller Untersuchungen unterschieden. Mit dem EEG werden die Hirnströme gemessen, das EOG (Elektrookulogramm) zeichnet die Augenbewegungen auf und das EMG (Elektromyogramm) misst die Muskelspannung. Durch die Messungen weiß man, dass sich Leicht- und Tiefschlaf in der Nacht abwechseln und dass dazwischen die sogenannten REM-Phasen liegen.

DEN WECKER RICHTIG STELLEN
Ob man sich morgens, wenn der Wecker klingelt, erfrischt oder völlig zerschlagen fühlt, hängt nicht nur von der Dauer des Schlafes, sondern auch davon ab, in welcher Schlafphase man geweckt wurde. Wer aus dem Tiefschlaf gerüttelt wird, ist schlecht drauf, denn sein Körper ist noch auf Erholung eingestellt. Im REM-Schlaf dagegen ist das Gehirn ohnehin besonders aktiv. Wenn man dann geweckt wird, fällt es sehr viel leichter aufzustehen. Weil der Schlaf nach dem genannten Schema abläuft, kann man den Wecker entsprechend stellen. Nach fünfeinhalb, sieben oder achteinhalb Stunden hat man gute Chancen, sich gerade in einer REM-Phase zu befinden. Individuelle Abweichungen von diesem Schema sind möglich, daher sollte man ruhig mal experimentieren, also einfach mal eine Viertelstunde früher oder später aufstehen. Vielleicht geht es dann leichter.

Beim Gesunden beginnt der Schlaf schon kurze Zeit nach dem Zubettgehen mit Stadium I, dem Einschlafstadium. Dies ist eine kurze Phase, die häufig von Bildern und Gedanken begleitet wird. Es folgt das Stadium II, das Leichtschlafstadium. Die Augenlider sind jetzt geschlossen, die Augen bewegen sich nicht und auch die Muskeln sind entspannt. In diesem Zustand verbringt man ungefähr die Hälfte der nächtlichen Schlafzeit. Auf eine Leichtschlafphase folgt das Tiefschlafstadium. Hier kann man die Stadien III und IV unterscheiden.

Im Tiefschlaf sind die Augen völlig ruhig, der geringe Muskeltonus zeigt die Entspannung an. Gleichzeitig verlangsamen sich Herzschlag und Atmung, der Blutdruck fällt ab. Der Tiefschlaf ist offensichtlich für die körperliche Regeneration wichtig. Erwachsene verbringen ungefähr 20 Prozent der Nacht in diesem Stadium, im Alter nimmt der Anteil ab. Die Stadien I bis IV werden auch als Non-REMSchlaf bezeichnet. Ungefähr 90 Minuten nach dem Einschlafen endet der Tiefschlaf dann sehr plötzlich. Meist ist dies verbunden mit einer erhöhten Muskelaktivität und einer Veränderung der Schlafposition.

Nun folgt die REM-Phase, die ihren Namen von den schnellen horizontalen Augenbewegungen (Rapid Eye Movement) erhalten hat, die dabei im EOG zu erkennen sind. Wird ein Schlafender während einer REM-Phase geweckt, so berichtet er in der Regel, gerade geträumt zu haben, weshalb der REM-Schlaf früher auch als Traumschlaf bezeichnet wurde. Die Muskulatur ist weiterhin entspannt, dies ist auch notwendig, um nicht alle geträumten Bewegungen aktiv auszuführen. Die Hirnaktivität, die im EEG gemessen wird, ist dagegen sehr hoch, wesentlich höher als in den anderen Stadien. Man spricht wegen der äußerlichen Ruhe, der schweren Weckbarkeit und der gleichzeitigen Aktivität von Augen und Gehirn auch vom paradoxen Schlaf.

Im Verlauf einer Nacht durchläuft man mehrere Zyklen der genannten Stadien. Ein Zyklus dauert jeweils 90 bis 120 Minuten, wobei die Dauer der Tiefschlafphasen im Laufe der Nacht abnimmt, während die der REM-Phasen zunimmt. Insgesamt verbringen Erwachsene etwa 20 Prozent der gesamten Schlafzeit in der REM-Phase. Bei Kindern, insbesondere Säuglingen und Kleinkindern, sind es etwa 50 Prozent. Der REM-Schlaf scheint für die geistige Regeneration sowie die Festigung von Erlebtem und Erlerntem im Gedächtnis notwendig zu sein. Für die Erholungsfunktion des Körpers ist allerdings jede Schlafphase wichtig. Zu einer erholsamen Nacht trägt daher auch ganz entscheidend die zeitliche Anordnung der einzelnen Schlafphasen, also die richtige „Schlafarchitektur“, bei.

Die Regeln der Schlafhygiene Viele Menschen klagen über Schlafprobleme, häufig ist das jedoch ein rein subjektives Empfinden. Denn vielfach liegt eine falsche Wahrnehmung zugrunde. Gerade ältere Menschen kommen oftmals schlecht damit zurecht, dass sie nun mit fünf bis sechs Stunden Schlaf pro Nacht auskommen und zudem häufiger aufwachen. Es ist auch für junge Menschen völlig normal, nachts bis zu 30 mal kurz zu erwachen. Meist bekommt man das gar nicht bewusst mit.

Wer früh ins Bett geht, braucht sich nicht zu wundern, dass er am frühen Morgen schon munter ist. Und wer am Nachmittag ein ausgiebiges Mittagsschläfchen hält, darf nicht erwarten, am frühen Abend ermattet ins Bett zu fallen. Fragen Sie Kunden, die von sich sagen, dass sie schlecht schlafen, wann sie ins Bett gehen und ob sie sich am Tage hinlegen und schlafen oder ruhen. Nicht wenige sind der Meinung, das Mittagsschläfchen zählt nicht. Häufig sind Schlafprobleme aber auch die Folge einer ungünstigen Lebensweise.

Mit dem Begriff Schlafhygiene werden alle Lebensgewohnheiten und Verhaltensweisen bezeichnet, die einen gesunden Schlaf fördern. Hierzu zählt zunächst einmal eine vernünftige Schlafumgebung, also ein bequemes Bett sowie ein ruhiger, dunkler Raum, der kühl, aber nicht zu kalt sein sollte. Sinnvoll ist es, sich über den Tag ausreichend zu bewegen. Andernfalls nimmt man sein natürliches Bewegungsbedürfnis als unterschwellige Unruhe mit ins Bett. Wer allerdings direkt vor dem Zubettgehen noch ausgiebig Sport treibt, der hat unter Umständen Einschlafschwierigkeiten, da der Körper noch auf Hochtouren läuft.

Bei Schlafproblemen sollte man erst dann ins Bett gehen, wenn man sich auch wirklich müde fühlt. Wenn man nicht einschlafen kann, ist es besser, sich abzulenken anstatt zu grübeln oder sich Sorgen zu machen, dass man nicht schlafen kann. Empfohlen wird sogar, das Bett zu verlassen und irgendetwas anderes zu machen, bis man wieder müde wird. Allerdings sollte man nicht außerhalb des Bettes einschlafen. Das Bett ist andererseits kein Ort, um dort berufliche Unterlagen zu bearbeiten. Man sollte es wirklich nur zum Schlafen nutzen.

Natürlich muss auch eine Pufferzone zwischen dem hektischen Alltag und dem Zubettgehen liegen. Vielen Menschen hilft es, wenn sie auch am Wochenende und im Urlaub regelmäßige Schlafenszeiten einhalten. Zur Schlafhygiene gehört auch, am Abend keine nervenaufreibenden Filme zu schauen und vier bis sechs Stunden vor dem Zubettgehen keine koffeinhaltigen Getränke mehr zu sich zu nehmen. In Sachen Koffein muss allerdings jeder seine eigene Empfindlichkeit ausloten. Während die einen trotz Espresso nach dem Abendessen wunderbar schlafen können, liegen andere danach stundenlang wach.

Auch sollte man nicht direkt vor dem Schlafen rauchen oder Alkohol trinken. Nikotin ist wie Koffein ein Wachmacher. Und Alkohol erleichtert zwar das Ein-, erschwert jedoch das Durchschlafen und führt zur Zunahme des REM-Schlafes mit unruhigen Träumen in der zweiten Nachthälfte. Eine schwere Mahlzeit am Abend kann ebenso den Nachtschlaf rauben, während eine leichte Nachtmahlzeit sogar eher schlaffördernd wirkt. Medikamente wie Schilddrüsenhormone, Glukokortikoide, manche Antiasthmatika, Antihypertensiva, Antiepileptika, antriebssteigernde Antidepressiva, Parkinsonmittel, Gyrasehemmer, Triptane und Nootropika sowie koffeinhaltige Schmerz- und Grippemittel zählen ebenfalls zu den möglichen Ursachen für eine Insomnie.

DER KLASSIKER UNTER DEN SCHLAFFÖRDERNDEN MASSNAHMEN
Es kann tatsächlich helfen, Schafe zu zählen. Durch die Konzentration auf die friedlichen und sanften Tiere werden andere Gedanken aus dem Kopf verdrängt und durch die langweiligen, immer gleichen Schafe ersetzt. Dies fördert die Entspannung. Dabei ist es nicht wichtig, dass man präzise zählt, sondern dass man sich der Unendlichkeit der vielen Schafe hingibt, bis sie zu einer undefinierbaren Menge verschwimmen.

Geben Sie von Schlaflosigkeit betroffenen Kunden stets Tipps zur Schlafhygiene, unabhängig davon, ob sie ein Schlaf- oder Beruhigungsmittel kaufen oder nicht, denn eine gute Schlafhygiene ist die Basis gesunden Schlafs. Ein hilfreicher Tipp ist auch, ein persönliches Einschlafritual zu finden.

Insomnie Schlaflosigkeit beziehungsweise Ein- und Durchschlafstörungen bezeichnet man allgemein als Insomnien oder Hyposomnien. Nach der Internationalen Klassifikation der Schlafstörungen ICSD-2 (International Classifikation of Sleep Disorders), die 2005 von der American Academy of Sleep Medicine herausgegeben wurde, können diese in acht Gruppen eingeteilt werden.

Die wichtigsten sind durch Stress ausgelöste Schlafstörungen, schlafbezogene Atmungsstörungen (z. B. Schlafapnoe), zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmus- Störungen (durch Schichtarbeit oder Jetlag verursacht), Parasomnien (z. B. Schlafwandeln oder Alpträume), schlafbezogene Bewegungsstörungen (z. B. Restless-Legs-Syndrom) und andere Schlafstörungen (z. B. umweltbedingte Schlafstörungen, Lärm).

Nicht berücksichtigt sind hierbei sekundäre Schlafstörungen, die durch psychiatrische, neurologische oder andere Grunderkrankungen bedingt sind. Als krankhaft werden die Probleme erst dann bezeichnet, wenn sie mindestens vier Wochen anhalten und vom Betroffenen auch als krankhaft empfunden werden, also Ursache körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen sind.

Stress Beruflicher Dauerstress, soziale Konflikte oder private Tiefschläge führen viele Menschen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Wenn die Gedanken dann auch nachts um Sorgen, Ängste und ungelöste Probleme kreisen, können Körper und Psyche nicht zur Ruhe kommen. Die ersten Symptome, die Betroffene wahrnehmen, sind Unruhe und Schlaflosigkeit, verbunden mit geringer Leistungsfähigkeit am Tage. Hier muss schnellstens etwas an der Lebenssituation verändert werden. Zusätzlich sind gerade pflanzliche Präparate auf der Basis von Johanniskraut oder Lavendel geeignet, da sie eine ausgleichende, stimmungsaufhellende beziehungsweise angstlösende Wirkung besitzen, durch die sich auch der Schlaf verbessert.

Schlafapnoe Ein sehr häufiges, aber oftmals unerkanntes Problem für wenig erholsamen Schlaf sind Atemaussetzer. Beim gewöhnlichen Schnarchen erschlaffen die Muskeln im Rachenraum, die weichen Gaumenteile vibrieren im Luftzug des Atems und erzeugen das Schnarchgeräusch. Vor allem in Rückenlage können sich dabei die Atemwege verengen, was das Geräuschproblem noch verstärkt.

Auch Übergewicht mit Fettablagerungen im Zungen-, Rachen- und Nackenbereich kann die räumlichen Verhältnisse in den oberen Luftwegen beeinflussen. Alkohol lässt die Muskeln erschlaffen, Kaffee oder Rauchen lässt die Schleimhäute nachts anschwellen. In jedem Fall ist das Atmen erschwert und geräuschvoll. Da im Alter auch die Muskulatur im Rachenraum schwächer wird, schnarchen ältere Menschen häufiger, vor allem Männer.

Bei der Schlafapnoe sind die Schlund- und Rachenmuskeln deutlich stärker erschlafft als beim normalen Schnarchen. Sie können die oberen Atemwege nahezu vollständig blockieren, sodass die Atemluft für kurze Zeit nicht mehr hindurch kann und es zum Atemstillstand kommt. Erst mithilfe der Atemmuskulatur von Brust, Bauch und Zwerchfell gelingt es dem Schlafenden schließlich, teils unter erheblicher Anstrengung, die verlegten Atemwege durch Luftdruck von unten zu öffnen. Er schnappt laut prustend nach Luft.

Nach einer kurzen Erholungspause folgt dann auch schon der nächste Atemaussetzer. Dabei fühlt sich der Betroffene oft gar nicht bewusst in seinem Schlaf gestört. Er wacht zwar bei jedem Aussetzer kurz auf, schläft aber rasch wieder ein, ohne sich am Morgen daran erinnern zu können. Meist ist es die Partnerin oder der Partner, die oder der ihn darauf aufmerksam macht.

Eine Schlafapnoe muss unbedingt behandelt werden. Denn durch den vorübergehenden Atemstillstand kommt es zu einem gefährlichen Absinken des Sauerstoffgehaltes des Blutes. Außerdem werden vermehrt Stresshormone ausgeschüttet, wodurch sich der Blutdruck dauerhaft erhöht und das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko steigt. Schlafapnoe-Patienten wachen mit Kopfschmerzen auf und sind trotz vermeintlich guten Schlafs am Tag erschöpft, müde und wenig leistungsfähig.

Das Risiko eines Unfalls erhöht sich durch Sekundenschlaf um ein Vielfaches. Bis zu einer wirksamen Behandlung dürfen sie nicht Auto fahren. Im Fall eines Unfalls muss die Versicherung nicht bezahlen. Die Behandlung wird nach der Diagnose im Schlaflabor mit einem Therapiegerät mit Atemmaske durchgeführt, das den Schlaf überwacht und die Atemwege offen hält.

Restless legs Das Syndrom der ruhelosen Beine ist eine neurologische Erkrankung mit Gefühlsstörungen und Bewegungsdrang in den Beinen und Füßen, die oftmals mit unwillkürlichen Bewegungen einhergeht. Die Unruhe und die Schmerzen in den Beinen sind mehr als nur lästig und können ebenfalls den Schlaf rauben. Häufig treiben sie die Betroffenen gleich nach dem Hinlegen wieder aus dem Bett. Und wenn sie schließlich doch einschlafen, treten sie oft im Schlaf um sich.

JETLAG
Die innere Uhr verkraftet das schnelle Überschreiten mehrerer Zeitzonen nicht so ohne weiteres. Typische Symptome sind Ein- und Durchschlafschwierigkeiten, Tagesschläfrigkeit, Verdauungsstörungen, Gereiztheit und Konzentrationsstörungen. Manche Menschen benötigen eine ganze Woche, um sich der neuen Zeit anzupassen, anderen gelingt dies schneller. Die Anpassung Richtung Westen gelingt leichter als Richtung Osten, wo die Uhr schon weiter ist.

Mit zunehmendem Alter werden Restless legs immer häufiger. Während etwa drei Prozent der 30-Jährigen daran leiden, sind es unter den 70-Jährigen 15 Prozent. Als Ursache wird eine Störung im Dopamin-Stoffwechsel vermutet. Manchmal liegt auch ein Eisenmangel zugrunde. Betroffene müssen ausprobieren, was die Symptome bessert. Dem einen hilft ein warmes Bad vor dem Schlafengehen, dem anderen eine Wärmflasche und wieder anderen kalte Umschläge. Auch Analgetika kommen zum Einsatz.

Schlafmittel Von einem guten Schlafmittel wird erwartet, dass es einerseits zuverlässig wirkt, andererseits aber die Schlafarchitektur nicht verändert. Es sollen also alle Schlafstadien im gleichen Verhältnis wie beim natürlichen Schlaf erhalten bleiben. Außerdem darf kein „Hang over“, also keine Müdigkeit oder Benommenheit am folgenden Morgen zu spüren sein. Der Wirkstoff soll auch bei regelmäßiger Anwendung nicht kumulieren. Wirksamkeitseinbußen sind ebenfalls unerwünscht. Andere Funktionen des Zentralnervensystems sollen nicht beeinträchtigt werden, auch nicht bei Überdosierung. Und natürlich darf sich keine Abhängigkeit entwickeln.

Alle chemisch definierten Substanzen stören jedoch den physiologischen Schlafablauf. Vor allem das Tiefschlafstadium IV und der REM-Schlaf werden vermindert. Der Abbau der Arzneistoffe verläuft meist relativ langsam, sodass man am nächsten Morgen noch müde und abgeschlagen ist. Ebenso besteht die Gefahr der Kumulation. Nach zwei bis vier Wochen nimmt bei den meisten die Wirkung ab, sodass die Dosis erhöht werden muss, um den gleichen Effekt zu erzielen. Dies wiederum führt schnell in die Abhängigkeit.

Bevor Sie ein Schlafmittel empfehlen, sollte Sie Ihrem Kunden daher die Regeln der Schlafhygiene ans Herz legen. Vielleicht ergibt sich im Gespräch eine Ursache für die Schlafstörungen, die beseitigt werden kann. Führt das nicht zum Erfolg, können Schlafmittel eine große Hilfe für den Betroffenen sein. Wichtig ist aber ein verantwortungsbewusster Umgang.

Pflanzliche Sedativa Die erste Option in der Selbstmedikation sind rezeptfreie pflanzliche Zubereitungen, die Baldrianwurzelextrakt, Hopfenzapfen, Melissenblätter beziehungsweise Kombinationen daraus enthalten. Ihr Vorteil ist, dass sie auch bei längerer Anwendung nur ein sehr geringes Nebenwirkungsprofil haben. Sie verändern nicht die Schlafarchitektur und führen nicht zum Hang over oder zur Toleranzentwicklung. Es geht auch keine Suchtgefahr von ihnen aus.

Allerdings ist ihre Wirkung nicht so stark wie die der chemisch definierten Sedativa/Hypnotika. Sie sind vor allem bei leichten Einschlafstörungen indiziert und müssen am frühen Abend eingenommen werden, um ihre volle Wirkung zur Schlafenszeit zu entfalten. Wegen fehlender Untersuchungen dürfen diese Präparate in der Selbstmedikation nur für Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahre abgegeben werden.

Schlafstörungen bei Kindern sind auch eher selten und sollten in jedem Fall ärztlich abgeklärt werden. Erwachsene dürfen die Präparate ohne ärztlichen Rat nicht länger als zwei Wochen einnehmen. Die Wirksamkeit vieler pflanzlicher Sedativa wurde in Studien nachgewiesen. So weiß man vom Baldrianwurzelextrakt, dass er im synaptischen Spalt die Konzentration des inhibitorischen Neutrotransmitters Gamma-Aminobuttersäure (GABA) erhöht. Dadurch wird die Reizleitung der Nervenzellen gedämpft.

Johanniskraut In manchen Fällen ist eine depressive Verstimmung, beispielsweise durch anhaltenden Stress, die Ursache für die Schlafstörung. Dann kann ein Johanniskrautpräparat eine gute Empfehlung sein, obwohl es kein klassisches Sedativum oder Hypnotikum ist. Die Heilpflanze wurde intensiv erforscht und man weiß, wie seine stimmungsaufhellende und ausgleichende Wirkung zustande kommt. Sie beruht auf einer Erhöhung der Konzentration der Neurotransmitter Dopamin, Serotonin und Noradrenalin, die bei depressiven Verstimmungen vermindert im Gehirn freigesetzt werden.

Johanniskraut hemmt die Wiederaufnahme dieser Stoffe im präsynaptischen Neuron, wodurch sie länger zur Verfügung stehen. Ihr Kunde kann die Dinge wieder positiver und gelassener sehen, ist ruhiger und kann dadurch auch nachts wieder besser schlafen. Wichtig ist es, bei der Abgabe darüber zu informieren, dass die Wirkung nach und nach einsetzt und sich erst nach drei bis vier Wochen voll entfaltet hat.

»Viele Menschen klagen über Schlafprobleme, häufig liegt aber eine falsche Wahrnehmung zugrunde.«

Die Inhaltsstoffe des Johanniskrauts sind Enzyminduktoren am Cytochrom P450 und können den Abbau verschiedener Arzneistoffe beschleunigen. So wird zum Beispiel die Wirkung von oralen Antikoagulanzien oder der Pille herabgesetzt. Sicherheitshalber sollte in der Zeit der Behandlung zusätzlich mit einer anderen, nicht hormonellen Methode verhütet werden. Zu beachten ist auch, dass eine erhöhte Lichtempfindlichkeit während der Einnahme möglich ist. Es besteht keine Gefahr der Abhängigkeit. Da Johanniskraut nicht schläfrig macht, wird Ihr Kunde in seinem täglichen Leben nicht eingeschränkt. Er kann wie gewohnt Auto fahren oder Maschinen bedienen.

Lavendel Das Öl des Lavendels zeigt innerlich angewendet eine gute Wirkung bei Unruhezuständen und ängstlicher Verstimmung. Es wirkt ebenfalls nicht direkt schlaffördernd, kann aber helfen, beängstigende Gedanken zu vertreiben. Das überreizte Nervensystem wird durch Normalisierung des Kalziumeinstroms in die Nervenzelle wieder ins Gleichgewicht gebracht. Die ewig kreisenden Gedanken lassen nach, sodass man leichter in den Schlaf findet. Auch hier besteht keine Gefahr der Abhängigkeit. Die häufigste Nebenwirkung ist Aufstoßen und manchmal auch Übelkeit. Für Personen unter 18 Jahren sind Lavendöl-Kapseln nicht zugelassen.

Passionsblume Auch der Extrakt des Passionsblumenkrauts wird zur Behandlung von Ängstlichkeit, nervöser Unruhe und nervösen Einschlafstörungen eingesetzt. Er entfaltet seine Wirkung unter anderem über den Neurotransmitter Gamma- Aminobuttersäure (GABA). GABA löst in hektischen Situationen beruhigende und entspannende Effekte aus. Ein Mangel daran kann zu Schlafstörungen, Angst- und Spannungszuständen führen.

Antihistaminika Wer mit pflanzlichen Schlafmitteln keinen ausreichenden Erfolg erzielt oder diese ablehnt, dem können Sie im Rahmen der Selbstmedikation H1-Antihistaminika anbieten. Die älteren Vertreter Diphenhydramin und Doxylamin blockieren zentrale H1-Rezeptoren und haben einen ausgeprägt sedierenden Effekt, weshalb sie heute fast ausschließlich als Hypnotika eingesetzt werden. Neuere H1-Antihistaminika wirken dagegen verstärkt an peripheren Rezeptoren, werden bei Allergien eingesetzt und wirken kaum noch sedierend.

Die Wirkung von Diphenhydramin und Doxylamin setzt nach etwa einer halben Stunde ein, sie können also kurz vor dem Zubettgehen eingenommen werden. Doxylamin hat mit 10,1 Stunden eine längere Plasmahalbwertszeit als Diphenhydramin mit 6,6 Stunden. Es ist daher besonders bei Durchschlafstörungen geeignet. Allerdings besteht auch die Gefahr eines Hang overs. Weisen Sie darauf hin, dass auf eine ausreichend lange Schlafdauer zu achten ist.

HOMÖOPATHISCHE ARZNEIMITTEL
Bei Schlafstörungen, die durch belastende Ereignisse oder Stress ausgelöst werden, haben sich darüber hinaus auch homöopathische Arzneimittel bewährt, zum Beispiel eine Kombination aus Passiflora incarnata D2, Avena sativa D2, Coffea arabica D12 und Zincum valerianicum beziehungsweise isovalerianicum D4.

Mögliche Nebenwirkungen sind zentralnervöse Beschwerden, paradoxe Effekte, Mundtrockenheit, gastrointestinale Störungen, wie Obstipation oder Diarrhö, bei längerfristiger Einnahme auch ein unerwünschter Rebound-Effekt mit Verstärkung der Schlafstörungen. Bei kurzfristiger Anwendung, also einer Einnahme über maximal zwei Wochen, gelten Antihistaminika als weitgehend unbedenklich. Länger sollten sie im Rahmen der Selbstmedikation nicht eingenommen werden. Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind sie generell nicht geeignet.

Benzodiazepine Die verschreibungspflichtigen Substanzen binden an GABA-Rezeptoren und erleichtern dadurch die Bindung der GABA an ihren Rezeptor. So wird die GABAWirkung verstärkt. Neben einer beruhigenden, schlafanstoßenden und angstlösenden (anxiolytischen) Wirkung haben sie auch krampflösende und muskelrelaxierende Eigenschaften.

Benzodiazepine verlängern die Schlafstadien II und III und verkürzen die Tiefschlafphase IV, beeinflussen die REM-Phase aber so gut wie gar nicht. Die einzelnen Substanzen unterscheiden sich deutlich in ihrer Wirkdauer und -stärke. Ein schneller Wirkeintritt bei kurzer -dauer eignet sich eher bei Einschlafproblemen, die mittellang- bis langwirksamen Substanzen werden eher bei Durchschlafproblemen oder Angstzuständen genommen.

Die wichtigsten Vertreter sind die mittellang bis langwirksamen Substanzen Diazepam, Temazepam, Flurazepam, Lormetazepam, Nitrazepam und Flunitrazepam und die kurzwirksamen Midazolam, Triazolam und Brotizolam. Vor allem bei längerer Wirkdauer, die Plasmahalbwertzeit kann bis zu 100 Stunden betragen, besteht die Gefahr eines Hang overs am Morgen mit Müdigkeit, Benommenheit und verstärkter Sturzgefahr.

Generell sind Benzodiazepine nur für die Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen geeignet. Bereits nach zwei bis vier Wochen kann sich eine Abhängigkeit entwickeln. Nach längerer Anwendung kann durch plötzliches Absetzen ein Rebound-Effekt eintreten, der die Schlafstörung vorübergehend noch verstärkt. Auch Angstzustände, Schwindel, Übelkeit, Verwirrung und andere zentralnervöse Störungen können auftreten. Benzodiazepine gelten als die Arzneimittelgruppe in Deutschland, die am häufigsten missbräuchlich, also zu lange und nicht dem Krankheitsbild angemessen, angewendet wird.

Die Z-Substanzen Seit Ende der 1980er-Jahre werden die Benzodiazepine immer mehr durch die so genannten Z-Substanzen oder Non-Benzodiazepine verdrängt. Ihren Namen haben sie erhalten, da sie alle mit „Z“ anfangen. Einer ihrer Vorteile ist, dass mit ihnen wegen der großen therapeutischen Breite ein Suizid praktisch nicht möglich ist. Sie besitzen im Prinzip den gleichen Wirkungsmechanismus wie die Benzodiazepine, greifen aber nur an einem Rezeptortyp an.

In ihrem Wirkprofil und auch in Bezug auf die Nebenwirkungen sind sie mit den Benzodiazepinen vergleichbar. Das Missbrauchspotenzial scheint aber geringer zu sein. Die Z-Substanzen wirken hauptsächlich sedierend, anxiolytisch und schlafanstoßend. Die muskelrelaxierende und antikonvulsive Wirkung ist schwächer ausgeprägt. Das kurz wirksame Zaleplon ist mit einer Plasmahalbwertszeit von einer Stunde nur für Einschlafstörungen geeignet. Zopiclon und Zolpidem wirken etwas länger und eignen sich daher bei kombinierten Ein- und Durchschlafstörungen. Zolpidem gilt heute als das am häufigsten verschriebene Schlafmittel.

ZUSATZINFORMATIONEN
Biogene Substanzen

Das als Schlafhormon gepriesene biogene Amin Melatonin wird in der Epiphyse (Zirbeldrüse), einem Teil des Zwischenhirns aus Serotonin gebildet. Es ist an der Steuerung des Tag-Nacht-Rhythmus beteiligt. Vereinfacht gesagt synchronisiert es die „innere Uhr“ mit dem tatsächlichen Hell-Dunkel-Rhythmus. Seine Bildung wird durch Licht gehemmt. Im Dunkeln wird diese Hemmung aufgehoben, es wird mehr Melatonin gebildet und freigesetzt.

Im Laufe der Nacht steigt die Konzentration an und erreicht um drei Uhr nachts ihr Maximum. Versucht man gegen diesen Rhythmus zu schlafen, ist der Schlaf kürzer und weniger tief. Mit zunehmendem Alter produziert der Körper weniger Melatonin, die durchschnittliche Schlafdauer nimmt ab und auch Schlafprobleme treten häufiger auf. Ebenso kann durch Schichtarbeit und nach Fernreisen durch den Jetlag der Melatoninhaushalt gestört werden.

Hier kann Melatonin helfen. Es ist aber kein klassisches Schlafmittel. Besonders Schlafstörungen, die in Zusammenhang mit einem gestörten Tag-Nacht-Rhythmus entstehen, sprechen gut auf eine Behandlung an. Dabei geht es weniger darum, den Schlaf zu erzwingen, sondern eher darum, die Schlafqualität zu verbessern.

Als Stoff biogenen Ursprungs findet sich neben Melatonin die essenzielle Aminosäure L-Tryptophan. Ein Teil wird im Zentralnervensystem über 5-Hydroxytryptophan zu Serotonin umgewandelt. Da der Serotoninspiegel einem circadianen Rhythmus folgt und nachts hoch, tagsüber aber niedrig ist, kann man damit versuchen, den Schlaf-Wach-Rhythmus zu beeinflussen. Eine Gabe zusammen mit Antidepressiva aus der Gruppe der Monoaminoxidase-Hemmer sowie Serotonin-Wiederaufnahmehemmer ist wegen der Gefahr eines Serotonin-Syndroms nicht erlaubt.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/15 ab Seite 34.

Sabine Bender, Apothekerin / Redaktion

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