© plprod / iStock / Getty Images

Venenleiden

GESUNDE BEINE IN BESTFORM

Krampfadern und schwere Beine können die Vorboten eines peripheren Venenleidens sein. Um schwere Verläufe zu verhindern, sind eine frühzeitige Diagnosestellung und Therapie wichtig. Was kann die Apotheke leisten?

Seite 1/1 17 Minuten

Seite 1/1 17 Minuten

Wer denkt schon regelmäßig an seine Gefäße oder speziell an seine Venen? Sie gehören zum Blutkreislauf dazu und sollen funktionieren. Erst wenn sie gestört sind und spürbare Beschwerden hervorrufen, werden sie beachtet. Chronische Venenerkrankungen zählen zu den Volkskrankheiten unserer bewegungsarmen Gesellschaft. Etwa 13 Millionen Deutsche sollen betroffen sein, circa 30 Prozent der Frauen und 20 Prozent der Männer. Mit zunehmendem Lebensalter steigt die Zahl der Erkrankungen, doch auch jüngere Menschen können bereits unter defekten Venen leiden, gerade wenn sie stark übergewichtig sind und sich sehr wenig bewegen.

Besonders in den warmen Sommermonaten ist die Venenschwäche ein wichtiges Beratungsthema in der Apotheke. Wer einen stehenden Beruf hat oder den ganzen Tag über sitzen muss, kennt vielleicht das abendliche müde Spannungsgefühl in den Beinen oder angeschwollene Knöchel. Erste Hinweise auf eine Venenschwäche können Abdrücke der Sockenränder in der Haut oder kleine Besenreiser sein. Betroffene wünschen sich Erleichterung und rasche Abhilfe. Die Arztpraxis ist in diesem Fall meistens nicht die erste Adresse der Betroffenen, sondern die Apotheke. Apotheker und PTA sind gefordert, im Beratungsgespräch herauszufinden, ob es sich nur um eine leichte Befindlichkeitsstörung oder eine ernstzunehmende Erkrankung handelt.

Ursachen für eine Venenschwäche

+ Genetisch bedingte Bindegewebsschwäche
+ Übergewicht
+ Sitzende oder stehende Tätigkeit im Beruf
+ Schwangerschaft
+ Hormonstörungen
+ Einnahme hormoneller Kontrazeptiva

Venensystem verstehen Das Gefäßsystem des menschlichen Körpers besteht aus den Arterien, die sauerstoffreiches Blut mit Nährstoffen vom Herzen in die Organe und Gewebe transportieren und den Venen, die für den Rücktransport des Blutes, beladen mit Kohlendioxid und Stoffwechselendprodukten, in die rechte Herzkammer verantwortlich sind. Während der Herzmuskel das Blut aktiv in die Arterien und damit in das arterielle System pumpt, erfolgt der Rücktransport von täglich etwa 7000 Litern Blut gegen die Schwerkraft von den Füßen über ein feines Venengeflecht und das tieferliegende Venensystem bis hin zum Herz zurück. Die Venen sind Blutspeicher, Recycler und Wärmespeicher zugleich.

Etwa 85 Prozent des gesamten Blutes fließt im venösen Teil der Gefäße. In der Regel verlaufen Venen und Arterien nebeneinander – so zum Beispiel die Arteria femoralis neben der Vena femoralis – Beinarterie neben Beinvene. Insgesamt gibt es aber mehr Venen als Arterien und so finden sich besonders im Unterhautgewebe größere venöse Gefäße ohne begleitende Arterie. Zunächst gelangt das verbrauchte Blut über Kapillaren aus der Peripherie in die Venolen – die kleinen Venen, dann weiter in die größeren Venen. Die oberflächlichen Venen liegen wie ein weitverzweigtes Netz außerhalb der Muskulatur und vereinigen sich bis sie in das tiefe Venensystem übergehen zu den zwei großen Stammvenen, der Vena saphena magna (große Rosenader) und der Vena saphena parva (kleine Rosenader).

Die obere und untere Hohlvene sind die größten Venen und sammeln das venöse Blut aus Kopf, Hals und Brust in der Vena cava superior und aus den Bauch-, Becken- und Beinregionen in der Vena cava inferior. Das gesamte System ähnelt vielen kleinen Flüssen, die sich zu einem großen Strom vereinigen. Venen und Arterien sind prinzipiell ähnlich aufgebaut: Sie bestehen aus einer dreischichtigen Gefäßwand mit Interna, Media und Externa. Im Gegensatz zu den großen Venen besitzen die kleinen Venolen noch keine vollständig ausgebildete glatte Muskulatur. Sie ähneln eher den Kapillaren, aus denen sie hervorgehen und sind sehr durchlässig. Venen müssen einem geringeren Druck standhalten als Arterien, deshalb ist das Verhältnis von Dicke der Gefäßwand zu Gefäßdurchmesser bei ihnen niedriger.

Außerdem besitzen Venen Venenklappen, die bei den Arterien nicht zu finden sind. Damit der Rücktransport des Blutes aus den Füßen reibungslos funktioniert und das Blut nicht einfach in den Beinen verbleibt, arbeiten die Venenklappen ähnlich wie Rückschlagventile. Vor allem in den tiefen Beinvenen und Venen am Rumpf ragen halbmondförmige Lappen der Tunica intima in die Gefäßmitte hinein und öffnen sich nur für Blut, das in Richtung Herzen fließt. In Abständen von vier bis sieben Zentimetern unterteilen sie die Blutsäule und reduzieren den Druck auf die Gefäßwand.

Jedes Bein hat zwischen acht und achtzehn Venenklappen. Je weniger intakte Klappen es gibt, desto höher ist das Risiko für die Entstehung einer Veneninsuffizienz. Neben den Venenklappen gibt es noch einen zweiten Mechanismus, der den Rückfluss organisiert, die Wadenmuskelpumpe. Wenn sich die Beinmuskeln beim Laufen kontrahieren, drücken sie die Venen zusammen und pressen so das Blut weiter zum Herzen. Entspannt sich der Muskel, lässt auch der Druck auf die tiefen Venen nach und es entsteht ein Sog, der Blut aus den oberflächlichen Venen in die Tiefe saugt. In dieser Situation werden die Venenklappen gebraucht. Sie verhindern, dass bereits herzwärts geleitetes Blut wieder zurückfließt. Die Wadenmuskelpumpe wirkt sich besonders auf die tiefen Beinvenen aus.

Venöse InsuffizienzVenenerkrankungen bahnen sich langsam über Jahre an und werden von den Betroffenen zunächst unterschätzt. Wenn die Venenklappen nicht mehr korrekt schließen, die Wadenmuskelpumpe wegen mangelnder Bewegung nicht genug betätigt wird, dann lastet ein zu hoher Druck auf den Beinvenen, der sich bis in die kleinen Venen überträgt. Wenn das Bindegewebe der Venen nicht ausreichend Halt gibt, beginnen Entzündungsprozesse, die den Abbau der elastischen Fasern einleiten. Dabei werden aus den Zellen der überdehnten Venenwände Lysosomen ins Blut abgegeben. Diese Vesikel enthalten Enzyme, die das Kollagengewebe, welches die Venenwände stabilisiert, zerstören. Unter erhöhtem Druck weiten sich zunächst die oberflächlichen Beinvenen und bilden die ersten typischen bläulich hervortretenden Krampfadern.

Die oberflächlichen Beinvenen werden nicht durch Muskeln in ausreichender Weise begrenzt, mit der Folge, dass die Venen ausleiern und die Venenklappen nicht mehr richtig schließen. Ein Teil des hochgepumpten Blutes versackt wieder durch die defekten oberflächlichen Venen in den Beinen. Wenn die tiefen Venen oder deren Verbindungsgefäße zum oberflächlichen System betroffen sind, schreitet die venöse Insuffizienz voran. Die Muskelpumpe ist dann nicht mehr in der Lage, ihre Aufgabe zu erfüllen. Aufgrund des Drucks auf die Kapillargefäße, tritt Flüssigkeit durch die Gefäßwand in das umliegende Gewebe über und Phlebödeme bilden sich aus. Die Folge ist, dass auch die Venen selber nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werden und nach und nach ihre Funktion verlieren – die Veneninsuffizienz schreitet fort.

Abgrenzung zur Thrombose

Blutgerinnsel können zu Gefäßverschlüssen führen. Thrombosen bilden sich überwiegend in den tiefen Bein- und Beckenvenen. Es gibt langsame Verläufe, bei denen kleinere Thromben anwachsen und dann zu einem andauernden Gefäßverschluss führen. Ein Thrombus, der sich löst, kann eine Lungenembolie hervorrufen und notfallmedizinische Maßnahmen erfordern. Anzeichen einer tiefen Venenthrombose können – müssen aber nicht – folgende Symptome sein:

+ Wadenschmerzen bei Beugung des Fußes und auf Druck
+ Druckschmerzen an der Innenseite des Fußes
+ Stärkere Schwellung und Hervortreten von Venen unterhalb der Haut – im Gegensatz zu den Venen im anderen Bein
+ Spannungsgefühl in den Beinen nimmt ab bei Hochlegen
+ Bläulich-rötliche Verfärbungen, eventuell Erwärmung der betroffenen Körperteile
Gleichzeitige Brust- und Atembeschwerden können auf eine Lungenembolie hindeuten

Stadien der Veneninsuffizienz Bis es zu einer manifesten und behandlungsbedürftigen Venenerkrankung kommt, dauert es einige Zeit. Menschen mit bekannten Risiken sollten also schon frühzeitig auf erste Anzeichen achten und präventiv gegensteuern. Frauen erkranken öfter als Männer, weil sie hormonell bedingt ein schwächeres Bindegewebe haben. Außerdem sind Schwangerschaften mit der deutlichen Gewichtszunahme und der veränderten Hormonsituation ein weiterer Faktor, der Krampfaderleiden begünstigt. Aber auch Menschen mit einer angeborenen Bindegewebsschwäche und/oder Übergewicht sollten an ihre Venen denken. Im Beratungsgespräch können Sie fragen: “Ist Ihnen bekannt, ob Krampfadern und Venenprobleme in ihrer Familie gehäuft auftreten?“

Wenn nun mehrere dieser Ursachen zusammenkommen, handelt es sich vermutlich um eine primäre Varikose. Von sekundärer Varikose sprechen Ärzte, wenn sich die Venenerkrankung als Folge einer Vorerkrankung entwickelt, zum Beispiel durch eine Missbildung im Gefäßsystem, Tumoren oder durch eine Thrombose. Um festzulegen, wann welche Behandlung nötig ist, werden gemäß der Symptomatik sechs Stadien der chronischen Veneninsuffizienz nach der üblichen CEAP-Klassifikation unterschieden. CEAP ist im englischen Sprachraum eine Kurzform für „Klinischer Befund“ (Clinic, Etilogy, Anatomy, Pathophysiology).

  • C 0: Keine sichtbaren Anzeichen einer Venenerkrankung
  • C 1: Besenreiser, Teleangiektasien (erweiterte Blutgefäße), retikuläre Venen (netzartig verlaufende Venen, die bläulich durch die Haut scheinen)
  • C 2: Varikose (Krampfadern) ohne Anzeichen einer chronisch venösen Insuffizienz
  • C 3: Varikose mit Ödem (Wassereinlagerungen)
  • C 4: Varikose mit trophischen (das Gewebe betreffenden) Hautveränderungen
  • C 5: Varikose mit abgeheiltem Ulkus (Geschwür)
  • C 6: Varikose mit deutlich ausgeprägtem Ulkus (Offenes Bein)


Bis zum Stadium C 2 muss also gar keine Therapie im eigentlichen Sinne erfolgen. Hier genügen die üblichen Präventionsempfehlungen zur Steigerung der Bewegung, Gewichtsreduktion und Verminderung von Risikofaktoren. Ab Stadium C 3 sind therapeutische Maßnahmen erforderlich, um Komplikationen zur vermeiden. Wer nicht behandelt wird, dem droht schlimmstenfalls ein offenes Bein. In Deutschland leiden darunter etwa 80 000 Menschen, meistens im höheren Lebensalter. Die Patienten haben einen hohen Leidensdruck, starke Schmerzen und die Wunde ist schwer zu behandeln. Ziel der Therapie ist es, den Blutstau im venösen System zu vermindern, die Entzündungsprozesse zu stoppen und die Wundheilung zur Schließung der Geschwüre zu fördern. Oftmals dauert es Monate, bis die offenen Hautstellen verheilt sind.

Nach einer Venenoperation kann man in der Regel bereits nach wenigen Stunden aufstehen und laufen. Nach etwa 14 Tagen darf man sich wieder uneingeschränkt bewegen.

Wirklich die Venen?Selbst wenn ein Patient von typischen Venenschmerzen berichtet, vielleicht sogar sichtbare Krampfadern vorliegen, heißt es immer noch nicht, dass die Diagnose klar ist. Tatsächlich sind Schmerzen in den Beinen und Ödeme eher unspezifisch und können viele Ursachen haben. So sollten PTA und Apotheker bei unklarem Bild immer zur Untersuchung durch einen Arzt raten, wenn bisher noch keine Venenuntersuchung durchgeführt wurde. Knöchelödeme können als Folge einer Herz- oder Niereninsuffizienz auftreten oder als Nebenwirkung von Calciumantagonisten. Schwellungen im lymphatischen System und Hautverfärbungen können das Ergebnis von Infektionen sein, Kribbeln und Jucken in den Beinen ein Hinweis auf eine diabetische Polyneuropathie.

Schmerzen in den Beinen sind auch typisch beim Restless-Legs-Syndrom. Besonders wichtig davon abzugrenzen ist die periphere arterielle Verschlusskrankheit (paVK), bekannt als Schaufensterkrankheit, die das arterielle Gefäßsystem betrifft. Die arteriosklerotischen Veränderungen in den Arterien bedingen eine fortschreitende Verengung der Arterien in den Armen und überwiegend in den Beinen. Diese Durchblutungsstörung führt zu einer Minderversorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen. Im fortgeschrittenen Stadium wird das Gewebe geschädigt, es bilden sich schlecht heilende Geschwüre bis hin zu Nekrosen aus. Typisch ist, dass sich die Schmerzen in den Beinen beim Gehen längerer Strecken, später auch schon nach kürzeren Etappen ausbilden und die Patienten immer wieder stehenbleiben, damit der Schmerz nachlässt. Venenschmerzen bessern sich dagegen unter Bewegung.

Symptome einer venösen Insuffizienz 

+ Schmerzen, Kribbeln und Spannungsgefühl in den Beinen, vor allem nach langem Stehen
+ Sichtbare Besenreiser oder bläuliche, hervortretende Gefäße
+ Ödembildung in den Beinen
+ Rötliche oder weißliche Hautveränderungen an den Unterschenkeln
+ Verletzungsneigung, mit schlechter Heilung
+ Gerötete, schuppende, juckende Haut an gestauten Unterschenkeln

Druck, Stilllegen, AbdichtenDas Konsensuspapier zur symptomorientierten Therapie der chronischen Venenerkrankungen von 2016 stellt die Behandlung auf drei Säulen mit nachgewiesener Wirksamkeit: invasive Therapie, Kompressionstherapie und orale medikamentöse Therapie. Letztere zählen zu den konservativen Methoden. Die aktuellen Leitlinien empfehlen als erstes operative Maßnahmen, um das venöse Gefäßsystem wieder so herzustellen, dass ein störungsfreier venöser Blutfluss gesichert ist. Dabei werden die beschädigten, nicht mehr funktionierenden Venen- oder Venenteile per Stripping gezogen oder über Verödungsmethoden stillgelegt. Das Strippen ist die klassische Venenoperation.

Dabei wird die defekte Stammvene in der Leiste oder Kniekehle zunächst von den Seitenästen chirurgisch abgetrennt und dann mit einer Drahtsonde aus dem Bein herausgezogen. Die Operation wird häufig ambulant, aber unter Vollnarkose durchgeführt. Die nicht-​operativen Verschlussverfahren für die Stammvenen sind die Schaumsklerosierung, die Laser- oder Radiowellentherapie. Diese Maßnahmen werden überwiegend zur Behandlung von Seitenastvarizen und Besenreisern verwendet. Dazu wird eine gewebetoxische Substanz, zum Beispiel Polidocanol, injiziert, die das Gefäß verschließt. Die Schaumverödung ist ein intensiviertes Verfahren der Verödung.

Das Verödungsmittel wird vor dem Einspritzen aufgeschäumt und erzielt so noch bessere Ergebnisse. Mit Laserstrahlung oder Radiowellen wird die Venenwand so stark erhitzt, dass sie zerstört wird und das Gefäß sklerosiert. Diese minimal-invasiven Eingriffe entlasten das Venensystem, weil das Blut nun wieder erfolgreich zum Herzen zurücktransportiert werden kann. Da es genug Venen gibt, funktioniert das venöse System auch mit einem Gefäß weniger. Nach dem Eingriff sollten die Patienten mehrere Wochen Kompressionsstrümpfe tragen. Das beste Ergebnis ist erzielt, wenn der Patient danach beschwerdefrei ist und keine weitere Behandlung benötigt.

Kontraindiziert ist die chirurgische Behandlung bei akuten tiefen Bein- und Beckenvenenthrombosen sowie der fortgeschrittenen peripheren arteriellen Verschlusskrankheit. Patienten haben oft Ängste vor der Operation und schieben sie immer wieder hinaus. In der Apotheke sollte Mut gemacht und darauf hingewiesen werden, dass dies Routineeingriffe sind, die nur selten mit Komplikationen verbunden sind. Wichtig ist allerdings die Operation von einem Facharzt, einem Phlebologen, machen zu lassen.

Untersuchungen zeigen, dass bei Krampfaderoperationen, die von einem Phlebologen durchgeführt werden, mit einem geringeren Prozentsatz von Krampfaderneubildungen zu rechnen ist. Weiterhin rät das Konsensuspapier die symptomatischen Therapieoptionen optimal auszuschöpfen, wenn ein invasiver Eingriff nicht möglich, nicht erwünscht ist oder nach einem Eingriff noch Restsymptome bestehen. Kompressionstherapie und medikamentöse Therapie können allein oder in Kombination angewendet werden. Welche Strategie den größten Erfolg verspricht, ist individuell zu entscheiden.

Was ist bei Kompressionsverbänden zu beachten?

Zum Einsatz kommen Kurzzugbinden mit einer Elastizität von etwa 70 Prozent. Sie haben einen hohen Arbeits- und einen niedrigen Ruhedruck. Bei Bewegung verstärkt sich so der Druck auf die Wadenmuskulatur und die Wadenmuskelpumpe wird von außen unterstützt. Kompressionsverbände werden zu Beginn der Therapie oder beim offenen Bein eingesetzt. Beim Anlegen ist zu beachten, dass der Druck vom Knöchel zum Oberschenkel hin stetig nachlassen muss. Es wird immer von unten nach oben gewickelt. Um die Entstehung von Nekrosen auszuschließen, sollte das Anlegen der Verbände von Fachpersonal durchgeführt werden. Die Verbände sind mehrfach verwendbar und sollten täglich oder alle paar Tage gewechselt werden. Binden sollten gemäß Pflegeanweisung häufig gewaschen werden, da Schweiß und Schmutz das Material angreifen und die Elastizität beeinträchtigen.

Phytotherapie zur Venenstärkung Wer Tabletten gegen seine Venenschwäche einnehmen möchte, dem steht ein breites Angebot pflanzlicher Extrakte zur Verfügung. Tatsächlich gibt es keinen rein synthetisch hergestellten Wirkstoff, der bei Veneninsuffizienz angezeigt ist. Die Therapie mit Phytopharmaka hat sich als alleinige Behandlungsform zur maßgeblichen Unterbrechung des Krankheitsverlaufs der chronischen venösen Insuffizienz allerdings in Studien bisher nicht bewährt. Phlebologen der Fachgesellschaften raten jedoch durchaus zu einer Kombination der Phytopharmaka mit der Kompressionstherapie. In wissenschaftlichen Untersuchungen bei einigen definierten Extrakten mit Flavonoiden, Saponinen und Aescin wurde eine Verbesserung der Symptome Spannungsgefühl in den Beinen, Kribblen und müde Beine nachgewiesen.

Die zugelassenen Arzneimittel aus rotem Weinlaub, gelben Schnurbaum, Buchweizen, Mäusedorn und Rosskastaniensamen wirken ödemprotektiv, indem sie die Durchlässigkeit der Venenwände vermindern und weniger Flüssigkeit in das umliegende Gewebe gelangt. Bekannt zur Linderung von Venenbeschwerden ist der Extrakt aus den Blättern des Roten Weinlaubs (Vitis vinifera), das zur Färberrebe, einer besonders alten Rebsorte, zählt. Der Anbau erfolgt überwiegend in den Mittelmeerländern und erst nach der Traubenlese werden die roten Blätter geerntet. Der Extrakt des roten Weinlaubs besteht aus Proanthocyanidinen und Polyphenolen.

Die Wirkstoffe haben antioxidative, entzündungshemmende und abschwellende Effekte. Studien zufolge wirkt der rote Weinlaubextrakt schützend und sogar reparativ auf das geschädigte Venenendothel. Zugelassene Arzneimittel sind Tabletten, die 360 Milligramm Extrakt enthalten, die ein- bis zweimal täglich eingenommen werden, sowie äußerlich anzuwendende Cremes, Gele und Sprays. Nach oraler Einnahme erfolgt die Resorption über den Dünndarm in den Blutkreislauf. Der Metabolit Quercetin-3-​O-Glucuronid reichert sich im Endothel der Venen an, sorgt für eine Stabilisierung der Endothelbarrieren und vermindert so den Übertritt von Flüssigkeit in das Gewebe.

Zusätzlich soll Quercetin-3-O-Glucuronid die Produktion von Entzündungsbotenstoffen mindern und so einer Aktivierung von Thrombozyten sowie Leukozyten und damit einer Thrombosebildung bei geringer Bewegung vorbeugen. Studien zeigen, dass sich die Beinschmerzen der Patienten unter der Therapie vermindern und sich das Unterschenkelvolumen nach einer 12-wöchigen Therapie deutlich reduzieren ließ. Bei der Beratung in der Apotheke ist wichtig, Patienten darüber aufzuklären, dass diese Effekte nur möglich sind, wenn die Therapie kontinuierlich über mehrere Wochen umgesetzt wird. Bereits lange bekannt ist der auf Aescin standardisierte Extrakt aus den Samen der Rosskastanie (Aesculus hippocastanum).

Das Saponingemisch vom Triterpenglykosid-​Typ Aescin wirkt ebenfalls anti-ödematös durch seine gefäßabdichtende Wirkung. Aescin hemmt die Freisetzung lysosomaler Enzyme in den Blutkreislauf. So werden die venösen Endothelzellen weniger geschädigt und können die Gefäßwand der Venen besser stabilisieren. Es wird die Integrität der Zellwand wiederhergestellt und ein Ödemrückgang erreicht. Saponine können den Magen reizen. Daher haben die pharmazeutischen Hersteller aescinhaltige Kapseln als magensaftresistent überzogene Retardpräparate formuliert, die sich erst im Darm lösen und so gut verträglich sind. Als Wechselwirkung ist nur die Wirkungsverstärkung gerinnungshemmender Substanzen bekannt.

Selten treten als Nebenwirkungen Juckreiz sowie Übelkeit und Magenbeschwerden auf. Deshalb sollten magenempfindliche Menschen die Tabletten mit einem großen Glas Wasser zur Mahlzeit einnehmen. Die empfohlene Dosis beträgt zweimal täglich 50 Milligramm (mg). Der therapeutische Effekt ist auch hier erst nach Tagen bis Wochen zu spüren, deshalb sollte die Einnahme regelmäßig über einen längeren Zeitraum erfolgen. Aus den Blättern des gelben Schnurbaumes (Saphora japontica) und dem echten Buchweizen (Fagopyrum esculentum) werden Hydroxyethyl-Rutoside gewonnen, die die kapillare Durchblutung verbessern sollen und ebenfalls das Endothel durch antioxidative Eigenschaften schützen.

Ähnlich wirken die semisynthetischen Substanzen Oxerutin und Troxerutin. Als Dosisempfehlung gilt die tägliche Gabe von 150 Milligramm Rutin in Form eines Fertigarzneimittels mit standardisiertem Extrakt. Die Ruscogenine, Saponine aus dem Mäusedornwurzelstock (Ruscus aculeatus), werden ebenfalls zur Ödemprotektion eingesetzt. Vermutlich sind die Wirkmechanismen ähnlich wie bei den anderen pflanzlichen Venenmitteln. Bei der Abgabe dieser Phytopharmaka ist immer darauf hinzuweisen, dass es keine rasche oder gar akute Linderung nach der einmaligen Einnahme gibt. Zur Unterstützung auf einer langen Reise im Auto oder im Flugzeug sind die oralen Ödemprotektiva nicht geeignet.

Auch zur kosmetischen Besserung von unschönen Besenreißern sollten sie nicht empfohlen werden. Wünscht ein Patient mit gravierenden Beschwerden und offenen Hautstellen – also beginnenden Ulcera – Phytopharmka, sollten PTA diese höchstens zur Unterstützung einer Kompressionstherapie abgeben. Salben und Gele mit pflanzlichen Extrakten sowie mit Heparin haben einen subjektiv kühlenden und lindernden Effekt durch die Massage. Allerdings ist ihre Wirksamkeit bei einer chronischen Veneninsuffizienz nicht ausreichend belegt.

Warum eigentlich Krampfader?

Bei der Venenerkrankung spielen Krämpfe keine Rolle. Die Begrifflichkeit leitet sich ab vom mittelhochdeutschen Wort „Krumpader“ – krumme Ader – nach dem äußeren Erscheinungsbild der Venenerkrankung.

Mit Druck zusammenhalten Wem die Kompressionstherapie empfohlen wird, denkt möglicherweise direkt an unschöne Gummistrümpfe, Schwierigkeiten beim Anziehen und ein starkes unangenehmes Druckgefühl auf die Beine. Die modernen Kompressionsstrümpfe wiederlegen diese Vorurteile allerdings. Sie sind aus angenehmen Materialien mit einem hohen Tragekomfort, mit einer breiten Farbenvielfalt, die sich von den normalen Feinstrümpfen kaum unterscheidet. Die Kompression ist die Therapie der Wahl bei allen Stadien der Venenerkrankung und kann das Fortschreiten nachhaltig aufhalten. Gegenanzeigen sind eine dekompensierte Herzinsuffizienz, die periphere arterielle Verschlusskrankheit und eine tiefe Beinthrombose.

Kompressionsstrümpfe oder -verbände üben einen festen Druck auf die erweiterten Venen aus und verbessern die Funktion der Venenklappen. Sie erhöhen die Rückflussgeschwindigkeit des Blutes zum Herz und optimieren die Leistung der Wadenmuskelpumpe. Damit reduziert sich der Druck auf die innere Venenwand. Im umliegenden Gewebe wirkt die Kompressionstherapie antiödematös und steigert den lymphatischen Fluss. Doch welche Strümpfe sollen welchem Patienten empfohlen werden? Stützstrümpfe, die ebenfalls in Apotheken erhältlich sind, sind ideal für Menschen mit gesunden Venen, aber besonderen Belastungen zur Prävention.

Sie bewirken durch ihr verstärktes Gewebe eine leichte Kompression auf die Beine und helfen, wenn Menschen lange sitzen oder stehen, sowie unter der Belastung einer Schwangerschaft. Wer bereits eine diagnostizierte Veneninsuffizienz hat, benötigt medizinische Kompressionsstrümpfe mit einer stärkeren Wirkung. Sie werden in vier Kompressionsklassen – in Abhängigkeit vom erreichten Druck – eingeteilt. Der Druck im Bereich des Sprunggelenkes ist die Messgröße zur Ermittlung der passenden Kompression für den Patienten. Es werden die mäßige, mittelkräftige, kräftige und extrakräftige Kompression unterschieden.

Klasse 1 wird bei leichter oder beginnender Krampfaderbildung ohne Ödeme, zum Beispiel im Rahmen einer Schwangerschaft empfohlen. Klasse 2 ist angezeigt bei einer ausgeprägten Varikose mit Schwellungen, Ödemen oder nach operativen Eingriffen im Venensystem. Klasse 3 wird eingesetzt nach Thrombosen und Abheilen von Unterschenkelgeschwüren, chronischer Veneninsuffizienz und starker Hautveränderung. Klasse 4 wird nur dann verordnet, wenn das Krankheitsbild noch schwerer ist, begleitet von Lymphödemen. Der Arzt legt nach Diagnosestellung die Kompressionsklasse fest und verordnet Strümpfe oder Strumpfhosen. Zwei Paar Strümpfe oder zwei Strumpfhosen werden pro Jahr von der Krankenkasse auf ärztliche Verschreibung erstattet.

Nach einem halben Jahr nimmt die Elastizität des Materials ab. Dann sollten die Strümpfe ausgetauscht werden, um optimale Kompression zu erreichen. Es gibt Kniestrümpfe, Schenkelstrümpfe und Strumpfhosen, mit oder ohne Fußspitze. Wer eine bessere Luftzirkulation des Fußes wünscht, für den sind Strümpfe mit offener Spitze angenehm. Damit die Strümpfe exakt sitzen, werden die Beine in der Apotheke vermessen und die Strümpfe dann entweder als Serienware oder Extraanfertigung bestellt. Die Beine sollten morgens kurz nach dem Aufstehen gemessen werden, bevor sich bereits Schwellungen gebildet haben. Umfang und Länge des Beines werden an bestimmten Messpunkten gemessen. Dazu gibt es von den Herstellern spezielle Tabellen.

Der kontrollierte Druck, den Kompressionsstrümpfe oder -binden ausüben, bewirkt auch, dass das Blut in den zusammengepressten Venen schneller fließt. Dadurch wird der Bildung von Blutgerinnseln vorgebeugt. Außerdem gehen Schwellungen zurück, weil Gewebsflüssigkeit zurück in die Vene gedrückt wird.

Praktische Tipps Damit es nicht zu Nachfragen kommt, ist bei der Rezeptierung eines ganz wichtig: Auf dem Rezept für Kompressionsstrümpfe, die zu den Hilfsmitteln zählen, muss das Feld mit der Nummer 7 (Hilfsmittel) mit einer „7“ gekennzeichnet werden. Außerdem sollte das Rezept neben der Diagnose (ICD-10-Code) möglichst genaue Angaben zu Anzahl, Länge, Kompressionsklasse und weiteren möglichen Ausstattungsmerkmalen der Strümpfe enthalten. Bei der Belieferung muss der Patient den Empfang auf der Rückseite des Rezepts mit seiner Unterschrift bestätigen. PTA und Apotheker sollten sich vor der Abgabe versichern, dass die Strümpfe passen und der Patient sie auch alleine anziehen kann.

Wer nicht genug Kraft aufbringt, die Strümpfe selber anzuziehen, sollte eine Anziehhilfe nutzen. Es gibt Drahtgestelle, über die der Strumpf gezogen wird, und Gleithilfen für das Abrollen des Strumpfes. Hinweise zur Pflege sind ebenfalls wichtig: Die Strümpfe werden am besten bei 30 bis 40 Grad Celsius im Schonwaschgang ohne Weichspüler gewaschen und dann ohne Trockner getrocknet. So bleibt die Elastizität der Fasern erhalten. Für den therapeutischen Erfolg ist aber das tägliche Tragen das A und O. Ein toller Service ist es, wenn die PTA ein bis zwei Wochen nach der Auslieferung eines Strumpfes beim Patienten nachfragt, wie der Betroffene mit dem neuen Strumpf zurechtkommt.

Was hilft sonst? Um die Venentätigkeit in Schwung zu bringen, reichen spezielle Venenübungen, die 10 bis 15 Minuten täglich gemacht werden. Gymnastische Übungen sind in Venenratgebern der pharmazeutischen Hersteller abgebildet und erklärt. Informationen dazu finden Interessierte auch auf der Homepage der Venenliga. Außerdem ist es bei Übergewicht die wichtigste Maßnahme eine Gewichtsreduktion einzuleiten. Dabei dreht sich alles um mehr Bewegung. Wer sich mehr bewegt, verliert überflüssige Kilos und das ist weniger Belastung für die Venen. Mehr Bewegung bedeutet nicht zwangsläufig mehr Sport, sie kann auch in den normalen Alltag integriert werden: Anstelle den Fahrstuhl zu nutzen, wird die Treppe genommen, für kurze Strecken bleibt das Auto stehen und es wird mit dem Fahrrad gefahren.

Gut zu merken ist die 3S-3L-Regel: Sitzen und Stehen ist schlecht, lieber Laufen oder Liegen. Das bedeutet zum Beispiel, dass am Abend getrost die Beine zur Entlastung hochgelegt werden dürfen. Hohe Temperaturen weiten die Gefäße und verschlechtern den Blutrücktransport. Also sollten lange Sonnenbäder, Sauna und Hitze gemieden werden. Günstig sind kalte Wechselbäder. Um die Durchblutung der Beine zu verbessern, sollten Raucher auf eine Raucherentwöhnung angesprochen werden.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/19 ab Seite 34.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

×