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Säuglinge und Kleinkinder

GESUND REISEN MIT KINDERN

Egal wohin und wie lange die Reise geht. Sind Säuglinge und kleine Kinder mit dabei, muss die Reiseapotheke einige Dinge speziell für den Nachwuchs bereithalten. Denn nicht alles ist überall zu bekommen.

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Bei Reisen mit Kindern lauern nicht nur gesundheitliche Probleme am Urlaubsort. Es muss gleich bei der Anreise mit ihnen gerechnet werden. Einige Verhaltensregeln und eine gut ausgestattete Reiseapotheke helfen, dass der Familienurlaub von Anfang an ein Erfolg wird.

Reiseübelkeit Insbesondere leidet der Nachwuchs im Vor- und Grundschulalter unter Reiseübelkeit. Egal ob im Bus, auf der Fähre oder im Flieger – bei empfindlichen Kindern meldet sich bei längerer Fahrt das Gleichgewichtssystem. Damit die Reise ruhig beginnen kann, sollte im jeweiligen Verkehrsmittel ein Ort aufgesucht werden, der seltener Unwohlsein auslöst. Im Bus eignet sich eine Sitzgelegenheit vor der Vorderachse, im Flugzeug ein Platz auf der Höhe der Tragflächen und auf dem Schiff ist die Überfahrt mittig an Deck am angenehmsten.

Reichen diese Vorkehrungen nicht aus, kann man das Gleichgewichtssystem auch mit einer nächtlichen Anreise austricksen, währenddessen das Kind schläft. Nützt alles nichts, helfen vorbeugende Medikamente gegen Reisekrankheit. Neben Tabletten mit Ingwer haben sich H1-Antihistaminika der 1. Generation bewährt. Letztere sind auch als Kaugummi im Handel. Sie sind bei Kindern sehr beliebt, da sie sofort wirken und das Kauen für Ablenkung sorgt. Am besten werden sie im Handgepäck aufbewahrt, damit sie immer griffbereit sind.

Tipps für unterwegs hilft auch beim Fliegen, die Druckunterschiede bei Start und Landung auszugleichen und somit Ohrenschmerzen zu vermeiden. Eine gute Alternative ist das Lutschen von Bonbons oder Trinken. Säuglinge werden möglichst gestillt. Liegt bereits eine Erkältung mit verstopften Nasennebenhöhlen oder einer geschlossenen Ohrtube vor, sind vor Abflug abschwellende Nasentropfen zur Wiederherstellung der Belüftung zu verabreichen. Vorsicht kann auch bei Autofahrten geboten sein. Bei längeren Fahrstrecken mit hohen Temperaturen können die Kleinen mit einem Hitzekollaps und schlimmstenfalls Hitzschlag reagieren.

Da ihre Temperaturregulation noch nicht optimal funktioniert, sind sie noch nicht in der Lage, die Wärme nach außen abzugeben und die Körpertemperatur konstant zu halten. Daher sollten kleine Kinder auch nie im Sommer bei extremer Hitze allein im Auto zurückgelassen werden. Selbst kurze Stopps auf Reisen sind im geschlossenen Fahrzeug tabu, denn die Sonne kann die Innenraumtemperaturen schnell auf bis zu 70 °C hochklettern lassen. Vorbeugend sollte im Auto für Schatten gesorgt werden und das Kind nicht zu warm angezogen sein, um eine behinderte Wärmeabgabe zu vermeiden. Zudem muss das Kind ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen. Prinzipiell ist die beste Vorsorgemaßnahme bei großer Hitze, viel über den ganzen Tag hinweg zu trinken.

Durchfall – ein häufiger Reisebegleiter Die häufigste Reisekrankheit ist die Reisediarrhö. Sie ist insbesondere für Säuglinge und Kleinkinder wegen des Flüssigkeits- und Elektrolytverlustes bedrohlich. Je jünger das Kind, desto größer ist die Gefahr einer raschen Dehydratation. Auslöser sind meist durch Bakterien oder Viren verunreinigtes Wasser oder kontaminierte Speisen. Daher ist es in fremden Regionen mit schwierigen hygienischen Situationen immer riskant, Leitungswasser zu benut- zen. Vielmehr sollte nur Wasser aus versiegelten Flaschen (Mineralwasser) oder frisch abgekochtes beziehungsweise mit einem Wasseraufbereitungspräparat behandeltes Wasser verwendet und Säuglinge möglichst gestillt werden.

Stillen stellt die sicherste Ernährung auf Reisen dar, weil das Infektionsrisiko bei der Nahrungsaufnahme entfällt. Beim Umgang mit Nahrungsmitteln ist immer der Rat „peel it, boil it, cook it or forget it!“ zu befolgen. Rohe Kost wie ungekochtes Gemüse, ungeschältes Obst, Meeresfrüchte oder ungebratenes Fleisch sind ebenso wie Eiswürfel tabu und auf Eierspeisen oder Eis sollte wegen der Salmonellengefahr verzichtet werden. Treten Durchfall und Erbrechen trotz aller Vorsichtsmaßnahmen auf, ist die rasche und kontinuierliche Gabe von Flüssigkeit und Elektrolyten notwendig. Optimal sind orale Rehydratationslösungen. Ersatzweise kann man auch eine Lösung aus zehn gestrichenen Teelöffeln Zucker und einem gestrichenen Teelöffel Kochsalz in einem Liter Wasser oder Fruchtsaft herstellen.

Davon sollten 30 bis 50 ml pro Kilogramm Körpergewicht in einer Stunde löffelweise und abgekühlt getrunken werden. Sehr zuverlässig hemmt Loperamid die Darmbewegungen. Ein kurzfristiger Einsatz (nicht länger als zwei Tage) ist besonders sinnvoll bei Reiseaktivitäten, die mit Durchfall unvereinbar sind wie längere Bus- oder Flugreisen. Bei schweren Darminfektionen, die mit Fieber oder blutigem Durchfall einhergehen, darf Loperamid nicht eingesetzt werden. Ebenso ist es für Kinder unter zwei Jahren kontraindiziert. Bei Durchfall können auch Probiotika helfen die Durchfalldauer zu reduzieren und die Gefahr eines größeren Wasser- und Elektrolytverlustes zu minimieren. So haben sich beispielsweise ab dem Säuglingsalter Präparate mit Lactobazillen und ab zwei Jahren Präparate mit Saccharomyces boulardii bewährt.

Denken Sie bei der Zusammenstellung der Reiseapotheke auch bereits an Beschwerden während der Anreise.

Verdauung aus dem Gleichgewicht Auf eine ungewohnte Ernährung mit stark gewürzten oder fettigen Speisen, andere Lebensgewohnheiten oder veränderte klimatische Bedingungen reagieren viele Kinder mit einer trägen Verdauung oder Blähungen. Daher gehören Mikroklistiere oder Glycerinzäpfchen in die Reiseapotheke, um eine akute Verstopfung zu lösen. Laxanzien wie Bisacodyl oder Natriumpicosulfat sind nicht für Kinder unter zwei beziehungsweise vier Jahren zugelassen. Zudem sind Entschäumer wie Dimeticon oder pflanzliche Karminativa zur Linderung von Blähungen sinnvolle Reisemedikamente. Alternativ eignen sich blähungstreibende Tees mit Anis-, Fenchel- und Kümmelfrüchten.

Was sonst noch in die Reiseapotheke gehört Klimatisierte Luft auf Flughäfen und im Flugzeug trocknen die Schleimhäute der Atemwege meist so sehr aus, dass Erkältungen gleich zu Anfang einer Reise vorprogrammiert sind. Aber auch im weiteren Verlauf der Reise werden Klimaanlagen in Hotels oder Restaurants schnell zum Auslöser grippaler Infekte. Kleine Kinder entwickeln besonders leicht eine Mittelohrentzündung. Daher sollten neben abschwellenden Nasentropfen auch fiebersenkende und schmerzstillende Präparate sowie ein Fieberthermometer mitgenommen werden. Am besten eignen sich Paracetamol oder Ibuprofen. Als Saft ist es möglich, beide Wirkstoffe für (fast) jede mitreisende Altersstufe adäquat zu dosieren (ab sechs Monaten).

Für Kinder, die zu Fieberkrämpfen neigen, ist rektal applizierbares Diazepam die passende Medizin, die der Arzt zuvor jedoch verschreiben muss. Acetylsalicylsäure (ASS) eignet sich erst bei Jugendlichen. Bei Kindern unter 14 Jahren muss auf ASS wegen der Gefahr des Reye-Syndroms verzichtet werden. Zudem ist es für Reisen in die Tropen nicht einsetzbar, da bei einigen Infektionen wie beispielsweise dem Dengue-Fieber das Risiko für Blutungen erhöht ist. Daneben gehören entzündungshemmende Augentropfen ins Reisegepäck, denn Säuglinge und Kleinkinder neigen durch Sand, Wind und UV-Strahlung leicht zu Bindehautentzündungen. Nicht fehlen darf zudem ein Erste-Hilfe-Set, das mit Verbandmaterial und einem Desinfektionsmittel zur Wundversorgung ausgestattet ist, da bei Kindern immer mit kleinen Unfällen zu rechnen ist.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/20 ab Seite 82.

Gode Chlond, Apothekerin

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