Platzhalter Titelbild PTA© DIE PTA IN DER APOTHEKE

Gerichte aus der Kindheit

SAUERBRATEN MIT KARTOFFELKLÖSSEN

Wie wunderbar. Ein Sauerbraten, selbst eingelegt, mit eigenhändig zubereiteten Kartoffelklößen: Das ist das Leibgericht von Susanne Poth. Die Redakteurin unserer Zeitung erinnert sich sehr genau an diesen Kindheitsschmaus.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Auf der Suche nach den Geschmacksjuwelen der Vergangenheit sind wir im Rahmen unserer neuen Serie auf einen deutschen Klassiker gestoßen: Sauerbraten gibt es in unzähligen Variationen, Kartoffelklöße auch, und im Gatten, dem Koch, erwachte sofort dieses Glimmen in den Augen, das den Kennerblick verrät. Seinem Vor-sich-hin- Murmeln entnahm ich, dass auch in seiner Kindheit dieses Fleisch und vor allem die Klöße eine Rolle gespielt hatten. Susanne Poth hat echte Recherche betrieben, denn alte Rezepte – dies hier stammt von ihrer Urgroßmutter – haben es so an sich, dass sie „aus der Lameng“ zubereitet wurden.

„14 bis 19 Kartoffeln“ steht im handschriftlichen Original, das sie uns zur Verfügung gestellt hat, und „Gries ¼, Kartoffelmehl ¼“, welche Einheit leider nicht, und so musste mein Mann rumprobieren. Ich finde, er hat es meisterhaft gelöst. Dieses Gericht ist aufwändig und bedarf tagelanger Vorbereitung, doch es lohnt sich wirklich. Als mein Gatte das Fleisch einlegte, erzählte er ein bisschen. Er hatte ein „Bürgermeisterstück“ besorgt, das kennt jeder Metzger, dabei handelt es sich um ein dreieckiges Stück Muskelfleisch aus der Keule vom Rind, das besonders zart ist.

Früher, da war das nicht unbedingt so. Da wurde für den Rheinischen Sauerbraten Pferdefleisch verwendet, und zwar von älteren Tieren. Deren Fleisch war zäh und es benötigte langes Einlegen in säurehaltiger Beize, um es genießbar zu machen. Pferdefleisch isst heute kaum einer mehr, doch das Marinieren hat sich gehalten. Suchen Sie vor dem Einlegen unbedingt eine ausreichend große Form aus Glas oder Keramik und stellen Sie sie griffbereit hin, denn das Gesuche ist immer blöd, wenn man gerade beim Aufgießen ist.

Also: Für ein Stück Fleisch vom einem Kilo nimmt man je 500 Milliliter Wasser, Essig und Rotwein (nicht zu trocken!), tut das Ganze in einen Topf, fügt sechs Blätter Lorbeer, je einen Teelöffel Wacholder und ganze Nelken hinzu. Schnippelt dann noch eine Packung Suppengrün hinein, fügt drei Gewürzspekulatius hinzu und kocht das Ganze auf. Bitte nicht salzen! Die Flüssigkeit wird dann über das Fleisch gegossen, sodass es bedeckt ist. Die Form wird verschlossen und für fünf bis sieben Tage an einen kühlen Ort gestellt. Keine Sorge, Essig, Alkohol und Kälte lassen Mikroorganismen keine Chance.

Einen Tag vor dem geplanten Essen kocht man ein Kilo Kartoffeln in Salzwasser, pellt diese noch warm und schickt sie dann durch die Kartoffelpresse oder man stampft sie. Diese Pampe lässt man über Nacht im Kühlschrank (oder im Winter auf der Außenfensterbank stehen) stehen und verarbeitet sie erst am nächsten Tag. Dann werden 125 Gramm Hartweizengrieß und 125 Gramm Kartoffelmehl hinzugefügt, zwei mittlere Eier und maximal zwei Teelöffel Salz. Außerdem, ganz wichtig bei dieser Variante: Drei Esslöffel getrockneter Majoran. Sie werden sehen, das gibt diesem Gericht eine sehr delikate, ganz besondere Richtung.

Alles mit den Händen gründlich vermengen. Dann eine halbe Stunde stehen lassen. Am Tag des Mahls heizen Sie bitte den Backofen auf 160 Grad vor. Schneiden dann ein Kilo Zwiebeln in kleine Stückchen (viel Spaß!). Nehmen Sie das Fleisch aus der Marinade, tupfen es sehr gut trocken und braten es scharf an. Die Zwiebeln werden extra in einer Pfanne sanft geschmurgelt. Nach dem Anbraten salzen und pfeffern Sie das Fleisch bitte – und geben erst dann die Zwiebeln hinzu. Jetzt wird auch die abgeseihte Marinade darüber gegossen. Schmortopf-Deckel drauf und ab in den Backofen – der wird aber auf 80 Grad heruntergeregelt, ganz wichtig, sonst haben Sie am Ende ein Stück Kohle im Topf.

Sie ahnen schon, dies wird ein Niedergar-Rezept. Nach drei Stunden ist das Fleisch so richtig schön mürbe, durchzogen von köstlichsten Aromen. Jetzt können Sie die von Hand zu Kugeln geformten Kartoffelklöße in das kochende Wasser eines ausreichend großen Topfes geben. Die Herdplatte (oder das Gas) ausschalten und die Klöße 15 bis 20 Minuten ziehen lassen, dann sind sie fertig. In der Zwischenzeit die Soße bereiten. Dazu nehmen Sie das Fleisch aus dem Topf, packen es warm in Alufolie ein und stellen es beiseite. Seihen Sie bitte die Soße ab. Übrig bleiben die vielen Zwiebeln, die schmecken nachher köstlich mit einem untergezogenen Löffel Honig als Beilage.

Nun schmecken wir ab: Fünf zerbröselte Spekulatius müssen unbedingt noch in die Soße, Salz und Pfeffer nach Gusto. Dann mixen Sie die Soße bitte mit einem Zauberstab auf, denn die Kekse lösen sich nicht von allein auf. Sie geben dem Ganze eine herrlich pastöse Konsistenz und dieses gewisse Extra an Geschmack. Servieren Sie Fleisch, Soße, Klöße und Zwiebeln extra, jeder macht sich dann so seine eigene Mischung auf dem Teller… „Da sehe ich unsere ganze Familie mit den Großeltern am Mittagessenstisch in der alten Wohnung im Esszimmer, das mir früher riesig erschien – und, wie ich heute weiß, eher klein ist…“, schreibt Susanne Poth. Heute kocht sie das Gericht zusammen mit ihrem Mann gern für ihre Jungs: „Und dann hauen sich alle die Klöße rein, bis sie fast platzen! Das hat schon mein Bruder so gemacht!“ Kann ich gut verstehen. Auch bei uns machte hinterher das Fläschchen mit den Bitterstoffdrogen-Extrakten die Runde. Der süßsaure Klassiker aus jedermanns Kindheit ist immer auch ein potenzieller Kandidat fürs, naja, Überfressen. Also halten Sie am besten schon vorher ein bisschen Platz im Magen, wenn es heißt: „Kommt ihr? Es gibt Sauerbraten mit Kartoffelklößen!“

Guten Appetit!

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 12/2021 ab Seite 128.

Alexandra Regner, PTA und Medizinjournalistin in Zusammenarbeit mit Michael Regner, Koch


Haben auch Sie ein besonderes Gericht aus Kindertagen, an dem Sie uns teilhaben lassen wollen? Dann schreiben Sie mir unter a.regner@uzv.de. Nennen Sie den Namen Ihrer Lieblingsspeise und beschreiben Sie gern, wie es schmeckte und was sie besonders daran mochten. Wir werden es dann mit Sorgfalt nachkochen und Ihnen in dieser Kolumne davon erzählen. Bitte schreiben Sie auch Ihren Namen und den Namen der Apotheke, in der Sie arbeiten, dazu. Mit der Zusendung erlauben Sie uns, Sie zu zitieren. Ich freu mich jetzt schon drauf!

×