Auf einem Wandkalender ist der 1. Januar 2022 mit einem roten Rahmen markiert. Ein Finger hält den roten Rahmen und wird ihn wohl gleich verschieben.© Stockah / iStock / Getty Images Plus
Diese Markierung muss nun noch einmal weitergeschoben werden: Das E-Rezept geht am 1. Januar 2022 noch nicht bundeswet verpflichtend an den Start.

Gematik

E-REZEPT-START AUFGESCHOBEN, NICHT AUFGEHOBEN

Eigentlich sollte in knapp zwei Wochen das E-Rezept bundesweit verpflichtend an den Start gehen. Eigentlich. Das neue Bundesgesundheitsministerium verschiebt den Start. Der Grund: Prozesse und Technik sind noch nicht ausgereift. Wie geht es jetzt weiter?

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Schon länger hatten kritische Stimmen angemerkt, dass für den Start des E-Rezepts am 1. Januar 2022 noch nicht alle Strukturen geschaffen seien. Bislang hatten das Bundesgesundheitsministerium (BMG) und die Gematik sich dagegen verwehrt. Gestern, am 20. Dezember, jedoch richtete das BMG ein Schreiben an die Gesellschafter der Gematik. Darin sagt das BMG die verpflichtende Einführung des E-Rezepts an Neujahr ab.

In dem Schreiben heißt es, die Voraussetzungen für eine sichere flächendeckende Einführung des E-Rezepts in zwei Wochen seien nicht erfüllt. Deshalb solle der Testbetrieb zunächst ausgeweitet und dann schrittweise vollständig auf die elektronischen Verordnungen umgestellt werden.

BMG folgt Befürchtungen der anderen Gematik-Gesellschafter

Die neue BMG-Führung schließt sich damit weiteren Gematik-Gesellschaftern an: Die bisherigen Feldtests reichen nicht aus, um einen sicheren Betrieb zu garantieren. Thomas Renner, Leiter der Unterabteilung „Digitalisierung und Innovation“ im BMG, macht in dem Schreiben deutlich, dass „anders als oftmals von den Akteuren kommuniziert, die erforderlichen technischen Systeme noch nicht flächendeckend zur Verfügung stehen.“ Genau das sei jedoch Grundvoraussetzung für die verpflichtende E-Rezept-Einführung (gemäß §360 Abs. 1 SGB).

Die Gesellschafter der Gematik sind das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), die Bundesärztekammer (BÄK), die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), der Deutsche Apothekerverband (DAV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-SV), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV).

Schlupfloch „Ausfalltatbestand“

Gänzlich abgesagt werden kann das E-Rezept nicht, denn die Pflicht zu elektronischen Verordnungen ist im Patientendatenschutzgesetz (PDSG) festgelegt. Es gibt aber ein Schlupfloch, den sogenannten Ausfalltatbestand, der eigentlich für Technikausfälle ins PDSG geschrieben wurde: Kann ein Arzt kein E-Rezept generieren, darf er weiterhin auf Papier verordnen. Diesen Ausfalltatbestand nutzt das BMG nun, in dem es zugibt, dass E-Rezepte noch nicht ausreichend technisch erprobt sind.

Damit stellt das BMG sich hinter den DAV, die KBV, die KZBV, die BÄK, die BZÄK sowie die DKG, die am 1. Dezember bereits auf die Barrikaden gegangen waren. Die Gematik-Gesellschafter hatten Bedenken geäußert, ob angesichts des noch laufenden Feldtests und nicht hinreichender Erprobung der gesamten Prozesskette eine fehlerfreie Ausstellung, Übermittlung, Annahme und Abrechnung von elektronischen Rezepten ab dem 1. Januar 2022 möglich sein wird. Renner schreibt:

„Ich teile die Auffassung, dass sich aus den bisherigen Ergebnissen der Testung in der Fokusregion Berlin/Brandenburg aufgrund der zu geringen Teilnehmerzahl die erforderlichen Rückschlüsse auf eine flächendeckende technische Funktionalität noch nicht ziehen lassen.“

E-Rezept nicht ausreichend getestet

Statt der geplanten 1000 wurden nur 42 echte elektronische Verordnungen getestet und durchliefen die komplette Prozesskette. Außerdem hatten sich nur vier Praxisverwaltungssysteme, nur zwei Krankenkassen (AOK Nordost und IKK BB) und nicht alle Rechenzentren beteiligt.

Hier erfahren Sie, wie die Arbeit mit E-Rezepten im Apothekenalltag funktioniert.

Wie geht es mit dem E-Rezept weiter?

Ab Januar soll der kontrollierte Test- und Pilotbetrieb nun schrittweise fortgesetzt und ausgeweitet werden. Dabei fordert das Ministerium mehr Engagement aller Beteiligten: „Diese kontrollierte Test- und Pilotphase in den kommenden Wochen erfordert jedoch auch deutliche Verbesserungen in der Unterstützung und der Verbindlichkeit der Testprozesse mit klaren Verantwortlichkeiten, einer höheren Transparenz über den Projektfortschritt seitens aller Beteiligten und einen Reporting-Prozess, der geeignet ist, Missverständnisse über den Reifegrad der Einzelkomponenten sowie des Gesamtsystems zukünftig zu vermeiden.“ Die neue BMG-Leitung will die Einzelheiten zum weiteren Vorgehen, vor allem die gegenseitigen Pflichten, in den nächsten Wochen mit den Gematik-Gesellschaftern abstimmen.

Bundesweit und verbindlich kommt das E-Rezept erst, wenn die Testphase erfolgreich abgeschlossen wurde. Im Schreiben des BMG heißt es: „Sobald die vereinbarten Qualitätskriterien erfüllt sind, soll die Umstellung auf das E-Rezept nach einem noch festzulegenden Rollout-Verfahren erfolgen.“ Die Gematik soll alle Prozesse weiterhin eng begleiten.

Quellen:
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/e-rezept/bmg-sagt-e-rezept-einfuehrung-ab/ 
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/bmg-verschiebt-flaechendeckende-e-rezept-einfuehrung-130392/seite/alle/ 
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/gematik-kritik-beim-e-rezept-ziehen-nicht-alle-mit-130007/ 
https://www.gematik.de/ueber-uns/struktur#:~:text=Die%20Gesellschafter%20der%20gematik%20sind,GKV%2DSV)%2C%20die%20Kassen%C3%A4rztliche 

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