Mohnblumen © Charlie Edward / 123rf.com
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Drogen

GEFÄHRLICHES AUS DEM SCHREBERGARTEN

Jedes Jahrzehnt hat seine bevorzugten Rauschmittel. Die Designer-Drogen der 1990er-Jahre wurden zum Jahrtausendwechsel von Biodrogen abgelöst. Besonders begehrt mittlerweile: Hortensien aus dem Garten!

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Auch wenn sie aus Pflanzen gewonnen werden, sind sie keineswegs harmlos. Zwar propagieren ihre Konsumenten das Motto „Weg von der Chemie, hin zur Natur“ und glauben, dass das, was natürlich ist, ja nicht schädlich sein kann – doch das ist eine irrige Annahme. Denn die meisten Pflanzen, aus denen Biodrogen gewonnen werden, sind Giftpflanzen, die schon in der Antike als Heil- und Rauschmittel bekannt waren. Viele von ihnen enthalten Wirkstoffe, die tödlich sein können.

Kaum einschätzbare Wirkung Die Konzentration des Gifts hängt von vielen Faktoren ab, wie vom Alter der Pflanze, ihrem Standort und der Sonneneinstrahlung. Der Anteil der psychoaktiven Substanzen kann sich nicht nur von Tag zu Tag, sondern sogar von Stunde zu Stunde unterscheiden, im schlimmsten Fall sogar verdoppeln. Und auch die körperliche und seelische Verfassung des Konsumenten ist Schwankungen unterworfen. All diese Variablen machen es nahezu unmöglich, die Wirkung von Biodrogen einzuschätzen.

Gefahr von Psychosen sehr hoch Bei vielen Pflanzen tritt die Wirkung erst nach einer halben Stunde oder noch später ein, sodass die Konsumenten glauben, zu wenig genommen zu haben. Daher nehmen sie eine zweite Dosis zu sich, die dann schon eine Überdosis sein kann. Tatsächlich gibt es immer wieder Todesfälle nach dem Genuss von Produkten aus Tollkirschen oder Engelstrompeten. Zudem hält der Rausch bei Naturdrogen nicht selten mehrere Tage an, sodass dafür prädisponierte Menschen dabei leicht in eine Psychose abrutschen können. So verzeichnen die Drogenberatungsstellen immer mehr Jugendliche, die schon mit 14 oder 15 Jahren langfristige psychische Probleme aufgrund von Naturdrogen haben.

Leicht zu beschaffen Doch Biodrogen boomen trotzdem, was sicher auch daran liegt, dass man sie verhältnismäßig leicht und legal beschaffen kann. Die Pflanzen finden sich in vielen Gärten oder wachsen wild im Wald. Ausgefallenere Gewächse kann man im Internet kaufen. Für den Rausch werden aus unterschiedlichen Pflanzenteilen meist Tees hergestellt, oder sie werden geraucht.

Nachtschattengewächse weit vorne Die Anhänger von Biodrogen konsumieren hauptsächlich halluzinogen wirkende Produkte. Den Löwenanteil bilden Pflanzen, die schon im Mittelalter wegen ihres Rauschpotenzials als „Hexengewächse“ bekannt waren. Dabei handelt es sich um Nachtschattengewächse wie Engelstrompete, Stechapfel oder Tollkirsche. Stechapfelsamen wurden zermahlen und dem Bier zugefügt, um den Rausch zu stärken. Aus Bilsenkraut stellte man Beruhigungs- und Betäubungsmittel her.

Magic Mushrooms
Ebenfalls halluzinogen wirken psilocybinhaltige Pilze, Psilos oder magic mushrooms genannt. Sie wachsen im Wald, sind recht klein, mit kegelförmigen Hüten und langen Stielen. Die Pilze werden getrocknet und dann geraucht oder gekaut, wobei der Geschmack sehr unangenehm ist. Die zu den Indoalkaloiden zählenden Wirkstoffe Psilocybin und Psilocin wirken wie LSD, allerdings nicht so lange, wodurch die Gefahr einer Psychose im Vergleich zu LSD geringer ist. Die Alkaloide können trotzdem, wie bei allen anderen Pflanzen, überdosiert werden, was in diesen Fällen jedoch meist nur zu Übelkeit und Erbrechen führt.

Heute werden die Pflanzen zu ähnlichen Zwecken genutzt, allerdings ohne das fundierte Wissen der damaligen Zeit. Die in den Nachtschattengewächsen enthaltenen Tropanalkaloide wie Atropin und Scopolamin wirken auf das zentrale Nervensystem und führen dadurch zu Halluzinationen. Einen besonders hohen Alkaloidgehalt hat die Engelstrompete, wobei diese Substanzen in allen Pflanzenteilen enthalten sind. Bei Überdosierung kann ihre atropinerge Wirkung zum Herz-Kreislauf-Kollaps bis hin zum Tod durch Atemlähmung führen.

Stimulierende Biodrogen Wer sich mit Pflanzen aufputschen möchte, greift zu Meerträubel, einer Pflanze, die Ephedrin und Norephedrin enthält. Das indirekte Sympathomimetikum Ephedrin verengt die Gefäße und erhöht Blutdruck und Herzfrequenz. Meist werden die getrockneten Blätter der Pflanze mit heißem Wasser übergossen und der Extrakt dann getrunken . Bei Überdosierung kann es zu Übelkeit, Muskelzittern, Herzrasen und Atemschwierigkeiten kommen.

»Eine Naturdroge, die ebenfalls mit MDA verwandt scheint, ist „Herbal Ecstasy“.«

Der mexikanische Peyote-Kaktus, den man in gut sortierten Gartencentern kaufen kann, enthält Meskalin. Dieses ähnelt MDA, dem Wirkstoff von Ecstasy. Konsumenten schneiden den Kaktus in Scheiben, trocknen diese und kauen sie als „buttons“. Der Kaktus kann auch zu Pulver zerrieben werden oder man stellt einen Auszug daraus her. Meskalin wirkt zwar zunächst aufputschend, danach treten jedoch starke Halluzinationen und Synästhesien auf. Hierdurch ist die Gefahr von Horrortrips und dadurch auch Psychosen bei Meskalin besonders hoch. Eine Naturdroge, die ebenfalls mit MDA verwandt scheint, ist „Herbal Ecstasy“. Mit Ecstasy hat dieser aufputschende Pflanzencocktail jedoch meist nicht viel gemein.

Was genau in den Herbal-Ecstasy-Mischungen drin ist, wissen nur die Hersteller. Meist gehören verschiedene Alkaloide, Koffein und Ephedrine zu den Wirkstoffen. Herbal Ecstasy wirkt leistungssteigernd, kann aber bei Überdosierung oder regelmäßiger Anwendung zu Angstzuständen und Schlafstörungen führen.

Von Hortensien high werden Seit einiger Zeit wundern sich Gartenbesitzer, warum dort, wo eben noch ihre blühende Hortensie stand, nun ein trauriger, blütenloser Busch oder gar ein Loch im Boden zu sehen ist. Der Grund: Die Hortensienbüsche werden von experimentierfreudigen Jugendlichen geplündert, weil die getrockneten Blüten eine ähnliche Wirkung haben sollen wie Cannabis. Ein gefährlicher Boom, denn beim Rauchen der Blüten wird Blausäure freigesetzt. Eine Vergiftung führt zu Übelkeit und Störungen des zentralen Nervensystems, bei entsprechend hoher Dosis zur Atemlähmung und schließlich zum Tod.

Die Experimentierfreude und Unbekümmertheit, mit der Biorauschmittel mittlerweile konsumiert werden, versetzt Drogenberater in Alarmbereitschaft. Denn den meisten Konsumenten fehlt es an botanischem Wissen, um die Gefahr überhaupt realistisch einschätzen zu können – gleichzeitig sind psychotrope Substanzen in vielen Gärten zu finden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/14 ab Seite 98.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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