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GEFÄHRLICHE KNOLLE

Bei den alten Inkas hieß sie papa. Wir kennen sie als Erdapfel oder Grundbirne. Gemeint ist die Kartoffel, Deutschlands beliebteste Knolle, die auch ein Gift enthält.

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Als Kartoffel werden die unterirdischen Ausläufer der einjährigen krautigen Kartoffelpflanze aus der Familie der Nachtschattengewächse bezeichnet, die zu essbaren Knollen verdickt sind. Darauf nimmt der botanische Name Solanum tuberosum L. = knolliger (von lat. tuber = die Knolle) Nachtschatten Bezug, der in der älteren Version noch den Zusatz esculentum = essbar trägt. Das deutsche Wort Kartoffel leitet sich vom italienischen tartufolo für Trüffel ab und greift ihre Ähnlichkeit mit dem Trüffelpilz auf.

Grundnahrungsmittel und giftig Die Knolle ist eines der wichtigsten Lebensmittel und fehlt in fast keinem deutschen Haushalt. Umso erstaunlicher ist für viele, dass Botaniker die Kartoffel als Giftpflanze einstufen. Das aber aus gutem Grund, denn alle Teile des bedeutsamen Nährstofflieferanten enthalten toxische Steroidalkaloidglykoside zum Schutz der Pflanze vor Fraßfeinden und Schädlingen. Dabei macht die Substanz Solanin etwa 95 Prozent des Alkaloidgehaltes aus.

Vorsicht grüne, keimende Knollen Besonders giftig sind die oberirdischen Pflanzenteile, also Kraut, Blüten und Beeren. Aber selbst in der essbaren Knolle steckt das giftige Solanin. 30 bis 80 Prozent des Alkaloids befinden sich in beziehungsweise direkt unterhalb der Schale. Die meisten der heutigen Kultursorten weisen aber normalerweise einen unschädlichen Solaningehalt (zwischen 1,8 und 9,4 Milligramm Solanin/100 Gramm Knolle) auf. Erst unter ungünstigen Bedingungen entstehen gesundheitlich bedenkliche Mengen des Alkaloids (35 Milligramm/100 Gramm).

Vor allem erhöht sich seine Konzentration bei unsachgemäßer Lagerung bei Licht oder bei zu hohen Temperaturen, wodurch die Knollen zu keimen beginnen und grün werden. In den grünen Partien, Augen und Keimen reichert sich das Toxin an. Allerdings geht die Alkaloidproduktion nicht immer mit einer Grünfärbung einher, sodass noch unverfärbte Kartoffeln bereits Intoxikationen hervorrufen können. Auch sind gekochte grüne Kartoffeln giftig, da Solanin relativ hitzebeständig ist.

Vergiftungserscheinungen Solanin wirkt schleimhautreizend, bei starker Toxizität kann es die roten Blutkörperchen zerstören. Leichte Vergiftungen äußern sich mit Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfällen sowie Kratzen im Hals. Bei starken Vergiftungen leiden die Betroffenen unter Krämpfen, Schwäche und Sehstörungen. Sehr schwere Verlaufsformen lösen Angstzustände, Herzschwäche, Atemnot und schließlich den Tod durch Atemlähmung aus. Als toxische Dosis gelten bei einem Erwachsenen 25 Milligramm, die tödliche Dosis wird auf 400 Milligramm geschätzt.

Tipp
Ein beliebtes Hausmittel bei Kratzen im Hals sind Wickel. Dafür werden zwei bis drei nicht zu heiße Kartoffeln zerdrückt, auf ein dünnes Tuch gelegt und so lange am Hals belassen, bis der Wickel seine ganze Wärme abgegeben hat.

Da die Kartoffelalkaloide bei höherer Konzentration in der Regel als geschmacklich unangenehm empfunden werden, wird selten von Intoxikationen durch Verzehr der Knollen berichtet. Vielmehr kommt dies bei der Aufnahme von Beeren vor, wobei diese nur vereinzelt schwere Verlaufsformen annehmen, da die Giftstoffe meist spontan erbrochen werden.

Vom Teufelskraut zur tollen Knolle In der Heimat der Kartoffel, im südamerikanischen Andenhochland, züchteten die Inkas schon vor 6000 Jahren viele Sorten der Knolle und nutzten sie als Speisekartoffel. Anfang des 16. Jahrhunderts brachten die Spanier und Engländer die Kartoffel nach Europa, wo sie zunächst aber nur als Zier- und Heilpflanze angepflanzt wurde.

Neben der schönen Blüte wurde ihre heilende Wirkung beispielsweise bei Kopfschmerzen, Knochenbrüchen und Magenleiden geschätzt. Noch heute kommt der frische Saft in der Volksheilkunde vor allem aufgrund seiner entwässernden und säurebindenden Wirkung zum Einsatz. Berüchtigt waren damals zugleich die giftigen grünen Beeren, denen man eine dem Bilsenkraut ähnliche Rauschwirkung zuschrieb. Daher verbot die Kirche den Kartoffelanbau an vielen Orten und belegte eine Zuwiderhandlung mit einer Anklage wegen Hexerei.

Auch bei den Bauern war die Kartoffel als giftiges Teufelskraut verschrien, da sie aus Unkenntnis die giftigen Pflanzenteile, also die Beeren und das Kraut sowie die rohen Knollen verzehrten. Erst 200 Jahre später gelang es Friedrich dem Großen, den Anbau per Dekret durchzusetzen und legte damit die Grundlage für ihre Etablierung als Volksnahrungsmittel.

Speisekartoffel und Stärkelieferant Inzwischen wird die Kartoffel nahezu weltweit angebaut. Neben der Verwendung als Speisekartoffel bedient sich die pharmazeutische Industrie der in der Knolle enthaltenen Stärke und beschreibt ihre Qualität im Europäischen Arzneibuch. Stärke wird als Pudergrundlage sowie als Füll-, Binde- und Sprengmittel bei der Tabletten- und Kapselherstellung verwendet. Aber vor allem benötigt die Lebensmittelindustrie Stärke zur Herstellung von Back-, Teig- und Süßwaren, Puddings, Saucen, Cremes und Fertiggerichten.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/13 auf Seite 98.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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