Eine Bakterienzelle in der Nahaufnahme© ClaudioVentrella / iStock / Getty Images Plus
Eine Bakterienzelle auf der Suche nach einer geeigneten Partnerzelle, um ihre Resistenzgene weiterzugeben.

Gefährliche Entwicklung

RESISTENZ-BAKTERIEN ÜBERSPRINGEN IMMER ÖFTER ARTENGRENZE

Dass Bakterien, die uns krankmachen, zunehmend Resistenzen gegen gängige Antibiotika entwickeln, ist schon länger bekannt. Doch eine globale Kartierung enthüllt nun Besorgnis erregendes: Die Kleinstlebewesen geben ihre Resistenzgene auch zwischen sehr unterschiedlichen Typen weiter, beispielsweise grampositive auf gramnegative Bakterien.

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Da immer mehr Bakterien resistent sogar gegen Notfall-Antibiotika reagieren, sterben auch immer mehr Menschen an eigentlich beherrschbaren Infektionen. Dabei befinden sich die Bakterien inzwischen überall im Boden, in Staub, in Gewässern oder in der Luft.

Patrick Munk von der Technischen Universität Dänemarks und seine Kollegen interessierte das genauer. Er nutzte dazu die Kanalisation als aussagekräftiges Reservoir unseres bakteriellen Umfeldes, ähnlich wie es weltweit während der Corona-Pandemie gehandhabt wurde. „Abwasser bietet uns eine gute, günstige Methode, um ganze Städte auf die in ihnen kursierenden Antibiotika-Resistenzgene hin zu beproben“, erklärte das Team. „Denn im Abwasser finden wir sowohl die Resistenzgene, die wir in uns tragen als auch diejenigen, denen wir in Zukunft begegnen könnten.“

Tetracycline und Sulfonamide helfen nicht mehr

557 verschiedene Resistenzgene fanden sich nach der Analyse im Abwasser. 13 davon kamen weltweit in jeder einzelnen Probe vor, egal aus welchem Land und von welchem Kontinent. Dazu gehören solche, die Bakterien immun gegen Tetracycline, Sulfonamide und Macrolid-Antibiotika machen. 127 andere Resistenzgene kamen jeweils in mindestens der Hälfte der weltweiten Proben vor.

Die Menge variierte dabei enorm zwischen Regionen und Ländern. Europa und Nordamerika liegen dabei im Mittelfeld – doch in Afrika, Südamerika und dem Mittleren Osten sind die Unterschiede selbst zwischen Nachbarländern enorm. Die Gene fanden sich sowohl in harmlosen Bakterien als auch in bekannten Krankheitserregern, darunter solche aus den Gattungen Streptococcus, Acinetobacter, Klebsiella und Pseudomonas.

Sprünge zwischen den Gattungen auch gruppenübergreifend

Alarmierend dabei für die Forscher: Die Bakterien wechseln ihre Gene munter zwischen ihren Familien - zum Beispiel die grampositiven Enterokokken an die gramnegativen Campylobacter. „Es ist extrem selten, dass ein Gentransfer über so große phylogenetische Entfernungen hinweg stattfindet“, sagt Munk. Solange das nur in nicht krankmachenden Bakterien passiert, mit denen die Menschen schon lange leben, ist das nicht weiter schlimm. Doch was, wenn gruppenübergreifende Antibiotika-Resistenzen auch bei pathogenen Krankheitserregern vorkommen?

Ein besonderer Hotspot der Resistenzweitergabe zwischen Bakterienfamilien liegt den Analysen zufolge in Afrika südlich der Sahara. Munk nennt das einen „Transmissions-Hotspot, in dem Gene über mehrere Bakterienarten selbst an kaum verwandte Arten weitergegeben werden.“ Es illustriert nach Meinung des Wissenschaftlers, wie wenig die Medizin bisher über die Antibiotika-Resistenzen gerade in wenig entwickelten Regionen der Erde weiß. Denn gerade dort fehlt es meist an systematischen Überwachungsprogrammen. „Offenbar können Resistenzgene sich in diesen Regionen ganz anders verhalten als in den Industrieländern, wahrscheinlich weil sie dort bessere Übertragungsmöglichkeiten finden.“ Munk bilanziert: „Man mag glauben, dass es uns nicht betrifft, was auf der anderen Seite des Globus passiert, aber das ist ein Irrtum: Diese Probleme kommen auch zu uns, wie wir schon häufiger gesehen haben.“

Quelle: Scinexx.de

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