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Weichmacher

GEFÄHRLICHE CHEMIKALIEN

Kunststoffe können auch krank machen. So enthält Weichplastik Substanzen, die wie Hormone wirken. Diese Phtalate können unter anderem zu Unfruchtbarkeit führen oder Diabetes auslösen.

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Plastik ist in unserem Alltag fast überall zu finden. Dadurch kommen wir immer wieder mit Weichmachern in Kontakt, die spröden Kunststoffen zugesetzt werden, um sie dehnbar oder biegsam zu machen. Meist handelt es sich dabei um äußere Weichmacher, die im Gegensatz zu inneren Weichmachern nicht fester Bestandteil des Kunststoffpolymers sind. Dadurch können sie ausgasen oder ausgelöst werden und gelangen so in die Umgebung.

Jährlich werden Millionen Tonnen Weichmacher verarbeitet, vor allem in PVC-Produkten wie Kabeln oder Verpackungsfolien. Eine Gruppe dieser Chemikalien, die Phtalate, steht dabei im Verdacht, besonders gesundheitsschädlich zu sein.

Unterschiedliche Molekülketten Phtalate lassen sich in niedermolekulare und höhermolekulare Verbindungen unterteilen. Zu den niedermolekularen gehören Diethylhexylphtalat und Dibutylphtalat (DBP), während Diisononylphtalat (DINP) und Diisodecylphtalat (DIDP) zu den höhermolekularen Phtalaten zählen. Die niedermolekularen Phtalate wirken ähnlich wie Estrogene. Zwar sind sie um das tausend- bis zehntausendfache weniger effektiv als die natürlichen Hormone, jedoch werden sie nur zu einem geringen Teil ausgeschieden und reichern sich im Fettgewebe an.

Dadurch kann es zu einschneidenden Störungen im Hormonhaushalt kommen. So kann die estrogene Wirkung der Weichmacher in der embryonalen und frühkindlichen Entwicklung von Männern zu genitalen Missbildungen und auch zur Unfruchtbarkeit führen, da die Spermienentwicklung gestört ist. Bei Frauen kann die Hormonwirkung das Risiko für eine Fehlgeburt um das Fünffache erhöhen. Einige Wissenschaftler machen das Umweltgift sogar für eine Hemmung der Insulinproduktion beziehungsweise einer Resistenz gegen das Hormon verantwortlich, was mit einem höheren Risiko für Typ-2-Diabetes verbunden ist.

Erste Verbote Man geht davon aus, dass das Verschlucken und Einatmen von Pthalaten am gefährlichsten ist. Die Europäische Union hat daher einige der Verbindungen in Babyartikeln, Spielzeugen für Kleinkinder, Kosmetika und Lebensmittelverpackungen verboten. Gerade über Lebensmittel nehmen wir einen Großteil der Weichmacher auf. Da sich Phtalate in Fett lösen, sind sie insbesondere in Kunststoffverpackungen für Fleisch, Wurst oder Fisch problematisch. Getränke aus PET-Flaschen hingegen sind in der Regel kaum belastet, da sich der Weichmacher nicht im Wasser löst.

Neue Grenzwerte Wie viel von den in Kunststoffen enthaltenen Phtalaten wirklich in den menschlichen Organismus gelangt, weiß man nicht. Man kann die Weichmacher aber im Urin nachweisen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit und das Bundesamt für Risikobewertung gehen für DEHP von einer tolerierbaren täglichen Menge von 50 Mikrogramm/Kilogramm Körpergewicht aus.

Für den zweiten niedermolekularen Weichmacher DBP gilt der allgemeine Grenzwert von 10 Mikrogramm/Kilogramm. Die hochmolekularen Weichmacher sind mit 15 Mikrogramm/ Kilogramm (DIDP) und 150 Mikrogramm/ Kilogramm (DINP) angesetzt. Studienergebnisse zeigten jedoch, dass diese Werte teilweise um ein Vielfaches überschritten wurden. Ab Februar 2015 dürfen DEHP und DBP laut REACH, der neuen EU-Chemikalienverordnung, nur noch mit besonderer Genehmigung eingesetzt werden. Dadurch ist die Kontrolle zwar verstärkt, Grenzwerte wird es aber weiterhin nicht geben. Außerdem können die Stoffe in Importprodukten weiterhin genehmigungsfrei verwendet werden.

Einige Firmen stellen aber bereits alternative Weichmacher her. Es handelt sich dabei um Alkylsulfonsäureester, die biologisch abbaubar und nicht gesundheitsschädlich sind und die vom Bundesamt für Risikobewertung empfohlen werden.

Weichmacheröle Bei der Kautschukherstellung werden ebenfalls Weichmacher eingesetzt. Dabei handelt es sich nicht um Phtalate, sondern um Öle mit aromatischem oder paraffinem Charakter. Gerade die aromatischen Weichmacheröle stellen eine Gesundheitsgefahr dar, denn sie enthalten polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). PAK gelten als krebserzeugend, erbgutverändernd und fortpflanzungsgefährdend. Sie entstehen, wenn natürliche Substanzen wie Holz, Kohle oder Öl unvollständig verbrannt werden, kommen aber auch in Erdöl vor. Wird Letzteres dann für Weichmacheröle verwendet, sind diese PAK-verseucht.

Produkte, die Weichmacheröle enthalten, sind neben Autoreifen zum Beispiel Mousepads oder Schreibtischunterlagen, Gummistiefel oder -schuhe, auch Flipflops oder Badespielzeug. Da polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in der Umwelt verbleiben und sich dort an Ruß- oder Staubpartikel binden, gilt seit 2010 ein EU-weiter Grenzwert für PAK in Autoreifen, um dem Abrieb des Stoffes Einhalt zu gebieten. Der Grenzwert gilt allerdings nicht für Reifen an Kindergeräten (Fahrrad, Roller, Kettcar). In Kinderspielzeug werden sogar PAK-Werte toleriert, die Hundert Mal höher liegen als die für Autoreifen.

Doch ab 27. Dezember 2015 wird sich das ändern. Denn dann werden die neuen, vereinheitlichten EU-Werte gelten. Jedes Produkt, bei dem ein Hautkontakt von mehr als 30 Sekunden wahrscheinlich ist (z. B. bei Armbanduhren mit Plastikbändern oder Badeschuhen) darf nicht mehr als ein Milligramm/Kilogramm PAK enthalten sein – nur ein Zehntel des bisherigen Grenzwerts. Schnuller dürfen sogar nur noch 0,5 Milligramm/Kilogramm der Chemikalien enthalten.

ZUSATZINFORMATIONEN

Weichmacher in Arzneimitteln
Pthalate, meist DBP, stecken auch in Medikamenten. Dort nutzt man sie zum Beispiel in der Ummantelung, die Tabletten gegen Magensaft resistent macht. Aber auch Medizinprodukte wie Blutbeutel oder Katheter enthalten diese Weichmacher. Seit März 2010 gilt eine Kennzeichnungspflicht für DEHP-haltige Medizinprodukte.

PAK-haltige Produkte meiden
Nicht alle chemischen Verbindungen sind auf Produkten deklariert. Um sich vor PAK in Kunststoffprodukten zu schützen, kann man den Riechtest machen: Je stärker, teerig-öliger und künstlicher ein Kautschuk-Produkt riecht, desto eher sollte man die Finger davon lassen. Auch sind in schwarzen Gummiprodukten meist mehr PAK enthalten. Billigprodukte oder Produkte aus Fernost sollte man meiden - in ihnen wurden besonders hohe Konzentrationen an polyzyklisch aromatischen Kohlenwasserstoffen gemessen. Besorgte Verbraucher sollten auf den Hinweis: "phtalatfrei" oder "frei von schädlichen Weichmachern" achten. Allerdings gilt auch hier: Nicht alle Produkte sind überhaupt ausreichend gekennzeichnet, da eine Volldeklaration noch nicht Standard ist.

Den Artikel finden SIe auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 04/14 ab Seite 64.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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