ein Arm mit Gänsehaut© helivideo / iStock / Getty Images Plus
Da stellen sich einem die Haare vor Angst auf - eine zuverlässige physiologische Reaktion auf das Gefühl Angst?

Für eine bessere Therapie

ANGST SOLL EIN MESSBARES GEFÜHL WERDEN

Angst ist ein diffuses Gefühl. Dennoch würde es sich lohnen, die zugehörigen wissenschaftlichen Parameter zu erfassen – findet ein Forschungsteam der Würzburger Uniklinik. Denn das Erschließen der neuronalen Netzwerke im Gehirn würde neue Therapieansätze erschließen.

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Man rennt weg. Man kämpft. Oder man erstarrt. Mit flight, fight or freeze reagieren wir Menschen auf eine Bedrohung, das Gefühl wird „Angst“ genannt, und bei jedem manifestiert sie sich anders. Doch warum? Und was passiert dabei im Gehirn? Unser Verhalten hängt ganz davon ab, welche neuronalen Schaltkreise aktiviert werden, damit wir vor möglichen Schäden geschützt werden.

Das Defense Circuits Lab am Universitätsklinikum Würzburg wollte wissen: Wie verhalten wir uns, wenn wir Angst empfinden? Wie reagiert unser Körper darauf? Und wie hängen Emotionen und physiologische Reaktionen zusammen? Die Forscher wollten nichts weiter, als ein Rahmenkonzept für die präzise Charakterisierung von Angstzuständen entwickeln.

Neues wissenschaftliches Terrain

Professor Dr. Philip Tovote, Leiter des Forschungslabors und Kodirektor des Instituts für Klinische Neurobiologie, sagt dazu: „Obwohl die Neurowissenschaft schon länger an der Entschlüsselung von Angstzuständen und entsprechenden Behandlungsansätzen arbeitet, ist es noch nicht gelungen, ein einheitliches Bild zu gewinnen, das sowohl Verhaltensänderungen als auch physiologische Reaktionen und deren dynamisches Zusammenspiel während Angstzuständen beschreibt.“ Eine Angstreaktion werde immer noch auf eine Verhaltensänderung reduziert; Schockstarre zum Beispiel.  Jedoch: Die Änderung der Herzrate als messbare Konstante beispielsweise wurde nie als eine verlässliche Komponente zur Charakterisierung von Angstzuständen wahrgenommen.

Die Angst zu verstehen ist wichtig. Denn Angststörungen gehören zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen und sie treten oft im Zusammenhang mit kardiovaskulären und neurodegenerativen Erkrankungen wie etwa Parkinson oder Herzinsuffizienz auf. Um die körperlichen Reaktionen von Angst zu behandeln, sei es wichtig, das genaue Zusammenspiel von Körper und Gehirn besser zu verstehen, sagt Tovote.

Mäusen wurde Angst gemacht – und dabei ihre Neuronen vermessen

An Labormäusen wurden dazu verschiedene Herzraten beobachtet: Mal waren sie erhöht, mal erniedrigt, mal unverändert. Diese zunächst widersprüchlich erscheinenden Reaktionen haben die Wissenschaftler in ein Raster namens „Macrostates“ übertragen. „Mit unserer Analyse ist es uns jetzt möglich, feine Abstufungen von verschiedenen Verhaltensänderungen, die zunächst gleich aussehen, aufgrund ihrer unterschiedlichen begleitenden Herzantworten zu erkennen“, sagt der die Untersuchung begleitende Biologe Jérémy Signoret-Genest. Diese präzise Charakterisierung könnte dazu beitragen, Gehirnnetzwerke, die für die Entstehung von Angstzuständen wichtig sind, besser zu verstehen. Man konnte beispielswese bestimmte Nervenzellen im Mittelhirn identifizieren, die für die Generierung einer typischen Angstreaktion in Mäusen verantwortlich sind.

Von Macrostate bis Pathostate

Um noch mehr Parameter festzulegen und unterschiedliche Angstzustände voneinander abzugrenzen sollen in Zukunft weitere Parameter wie zum Beispiel Atemfrequenz und Temperatur in die Untersuchung mit aufgenommen werden. Letztendlich soll das Konzept dann auf krankheitsbedingte Zustände – so genannte „Pathostates“ erweitert werden. Wenn pathologische Angstzustände ganz genau definiert werden könnten, dann würde ein besseres Verständnis der mit Angststörungen verbundenen Erkrankungen und ihrer zeitlichen Dynamik erfolgen, was dann letztendlich die Therapien verbessert.

Quelle: informationsdienst wissenschaft

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