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Muskeln & Gelenke

ES SCHMERZT UND ZIEHT

Vielfältig wie die Beschwerden sind auch die Ursachen und Behandlungsstrategien. Für die Selbstmedikation sind sie nur selten geeignet, doch therapiebegleitende Empfehlungen aus der Apotheke sind für Betroffene oft Gold wert.

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Dem einen schmerzen die Knie beim Laufen, beim anderen sind morgens die Fingergelenke geschwollen. Der eine plagt sich nach dem Sport mit heftigem Muskelkater herum, der andere leidet unter nächtlichen Wadenkrämpfen. Mit schmerzenden Muskeln oder Gelenken hat wohl jeder Mensch schon einmal Bekanntschaft gemacht. Und auch in der Apotheke gehören diese Beschwerden zum „Alltagsgeschäft“.

Die Ursachen für Probleme mit dem Bewegungsapparat sind so vielfältig wie die Beschwerden selbst: Unter anderem können Verletzungen, Verschleißerscheinungen, Verspannungen und Entzündungen dafür verantwortlich sein. Muskel- und Gelenkschmerzen können Leit- oder Begleitsymptom zahlreicher Erkrankungen sein, akut auftreten oder chronisch verlaufen, in ihrer Intensität von „unangenehm“ bis „unerträglich“ reichen. Abgesehen von wenigen Ausnahmen gehört die Behandlung von Muskel- und Gelenkproblemen immer in die Hände erfahrener Ärzte, wie Internisten, Orthopäden und Rheumatologen.

Für die Selbstmedikation kommen lediglich leichtere, vorübergehende Beschwerden bekannter Ursache infrage. Dennoch ist es äußerst wichtig, dass sich das Apothekenteam mit „Rheuma“, „verspanntem Nacken“ & Co. auskennt, um betroffene Apothekenkunden kompetent beraten und ihnen sinnvolle therapeutische Zusatzempfehlungen geben zu können. Unser kleiner Überblick über häufige Ursachen von Muskel- und Gelenkschmerzen soll Ihr Wissen auffrischen.

Starke Muckis Weit über 600 Muskeln sorgen in unserem Körper für Beweglichkeit, Stabilität und Schutz von Knochen, Gelenken und Organen. Und die „fleißigen Muckis“ leisten noch viel mehr: Als größtes Stoffwechselorgan greift die menschliche Muskulatur sowohl in den Fett- als auch in den Zuckerstoffwechsel ein.

»Weit über 600 Muskeln sorgen in unserem Körper für Beweglichkeit, Stabilität und Schutz von Knochen, Gelenken und Organen.«

Zu recht gelten Muskeln als natürliche Schlankmacher: Denn sie verbrennen deutlich mehr Energie als Fettgewebe. Trainierte Menschen mit größerer Muskelmasse haben einen höheren Grundumsatz als untrainierte Zeitgenossen. Das heißt: Selbst im Schlaf verbrennt ihr Körper mehr Kalorien. Zudem haben Forscher entdeckt, dass Muskeln hormonähnliche Botenstoffe ausschütten.

Diese sogenannten Myokine haben einen positiven Einfluss auf zahlreiche Gewebe und Organe, unter anderem auf die Leber, die Bauchspeicheldrüse, das Herz, die Knochen und wahrscheinlich sogar auf das Gehirn. Einige der Myokine können Entzündungsprozesse im Körper stoppen, die ihrerseits für zahlreiche Erkrankungen verantwortlich gemacht werden.

Muskeln sind unersetzlich und recht belastbar, doch können sie uns auch starke Schmerzen bereiten. Muskelschmerzen werden von Medizinern als Myalgien bezeichnet und können ganz unterschiedliche Ursachen haben.

Falsche Haltung Viele Menschen leiden unter Muskelverspannungen (Myogelosen), die sehr oft die Folge von Fehlhaltungen, -belastungen und/oder Bewegungsmangel sind. Von Verspannungen ist neben dem Schulter-Nacken-Bereich besonders häufig die Rückenmuskulatur betroffen. Verspannte Muskulatur fühlt sich hart an und ist druckempfindlich. Wichtig ist im Akutfall, die dadurch bedingten Schmerzen möglichst rasch in den Griff zu bekommen.

Neben Analgetika haben sich physikalische Therapiemaßnahmen, etwa Wärmeanwendungen und Massagen, bewährt. Schmerzlindernd wirken auch durchblutungsfördernde Wärmepflaster mit Wirkstoffen wie Capsaicin oder Nonivamid, Schmerzöle (z. B. mit Eisenhut, Kampfer und Lavendel) sowie Wärmeauflagen.

Werden Muskelverspannungen nicht rechtzeitig therapiert, besteht die Gefahr, dass Betroffene in einen Teufelskreis aus Schmerzen, daraus resultierender Schonhaltung und noch stärkeren Beschwerden geraten. Um diese dauerhaft loszuwerden, ist oft eine Lebensstiländerung erforderlich. Und das bedeutet in der Praxis sehr oft: Stress abbauen und mehr Bewegung in den Alltag integrieren. Wirbelsäulengymnastik, Rückenschwimmen, Yoga & Co. halten die Muskulatur in Form. Unterstützend bei chronischen Problemen wirkt auch eine Kombination aus Uridinmonophosphat, Vitamin B12 und Folsäure.

Sportliche Schattenseiten Körperliche Aktivität ist Balsam für die Muskeln, kann ihnen aber manchmal auch Schaden zufügen: Eine meist eher harmlose Angelegenheit ist der Muskelkater. Ursache sind Mikroverletzungen in den Muskelfasern, die durch Überanstrengung der Muskulatur entstehen.

In aller Regel vergeht Muskelkater innerhalb weniger Tage wieder von selbst. Warme Bäder mit Rosmarin oder Fichtennadelöl sowie Saunagänge können das Abklingen der Beschwerden beschleunigen, da die Wärme für eine bessere Muskeldurchblutung sorgt. Leichte Lockerungsübungen sind ebenfalls gut, auf Sport und Kraftbelastungen sollten Betroffene jedoch verzichten, bis der Muskelkater wieder vorüber ist.

MAGNETFELDTHERAPIE
Bei dieser alternativmedizinischen Behandlung werden die Patienten einem pulsierenden oder statischen Magnetfeld ausgesetzt. Dadurch wird die Durchblutung angeregt und vermehrt Sauerstoff vom Blut an die Zellen abgegeben. Das Magnetfeld soll auch auf die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zellen, einwirken. Durch diese Effekte erhalten die Zellen einen Revitalisierungsschub, was Heilungsprozesse beschleunigen und die Abwehrkräfte steigern kann. Die Anwendungsgebiete der Schulmedizin sind orthopädische Beschwerden, aber auch Wundheilungsstörungen der Haut. Auch die Reizschwelle für Schmerzen wird angehoben. Dadurch werden Schmerzen erst später wahrgenommen, was den Einsatz der Magnetfeldtherapie in der Schmerztherapie, vor allem bei chronischen Schmerzen an Knochen und Gelenken erklärt. Häufig wird die Magnetfeldtherapie mit anderen komplementärmedizinischen Methoden kombiniert.

Beim Sport kann es – durch Unvorsicht (z. B. unzureichendes Aufwärmen, Überanstrengung) oder eine Verkettung unglücklicher Umstände – auch zu akuten Muskelverletzungen kommen. Dazu zählen etwa Muskelprellungen, -zerrungen und -faserrisse. Muskelverletzungen schmerzen oft stark und sollten nach der Erstversorgung unbedingt vom Arzt begutachtet werden. Denn hinter manch einer vermeintlich „harmlosen Prellung“ kann sich in Wirklichkeit ein Knochenbruch oder eine andere ernsthafte Verletzung verbergen.

Bei akuten Muskelverletzungen (und auch bei Gelenkverstauchungen und Bänderzerrungen) erfolgt die Erstversorgung nach der sogenannten PECH-Regel: Pause, Eis, Compression (Druck), Hochlagern. Zum Kühlen eignen sich beispielsweise Erste-Hilfe-Kühlpacks. Um den Heilungsprozess bei stumpfen Verletzungen zu unterstützen, haben sich Lokaltherapeutika bewährt, etwa Salben und Gele mit den Wirkstoffen Diclofenac, Ketoprofen oder Ibuprofen. Schmerzlindernde, entzündungshemmende und abschwellende pflanzliche Externa enthalten beispielsweise Auszüge aus Arnika und Beinwell. Bei Prellungen und Zerrungen hat sich auch die Einnahme der Enzyme Bromelain und Papain bewährt.

Ein nicht nur bei Sportlern verbreitetes Problem sind Muskelkrämpfe, die insbesondere in den Waden für heftige Schmerzen sorgen und auch als Wadenkrämpfe bezeichnet werden. Muskelkrämpfe treten oft urplötzlich auf, tückischerweise häufig mitten in der Nacht. Eine häufige Ursache ist Magnesiummangel, zu dem es unter anderem durch starkes Schwitzen kommen kann. Liegt dieser zugrunde, kann ein ausreichend hoch dosiertes Magnesiumpräparat aus Ihrem Apothekensortiment Abhilfe schaffen.

Krankheiten als Auslöser Manchmal sind auch Erkrankungen für Muskelschmerzen verantwortlich. Sie können sowohl die Muskeln selbst betreffen, aber auch das zentrale Nervensystem oder andere Organe. So gehen beispielsweise die Multiple Sklerose und die rheumatische Erkrankung Fibromyalgie mit Muskelschmerzen einher, oft kommt es auch bei einer Schilddrüsenunterfunktion, bei Parkinson und bei Infektionskrankheiten zu Muskelbeschwerden.

Dass selbst eine banale Erkältung Muskel- und Gelenkschmerzen (so genannte „Gliederschmerzen“) verursachen kann, hat wohl jeder schon einmal am eigenen Leib gespürt. Die Vielzahl der möglichen Erkrankungen, die sich hinter dem Symptom „Muskelschmerzen“ verbergen können, verdeutlicht die Notwendigkeit, mit Beschwerden unklarer Ursache schnellstmöglich zum Arzt zu gehen. Für Sie als PTA wichtig zu wissen ist auch, dass einige Arzneimittel Muskelschmerzen als Nebenwirkung haben können. So etwa Statine, der H2-Rezeptor-Antagonist Cimetidin sowie die Antibiotika Penicillin und D-Penicillamin.

Gelenke halten zusammen Schmerzen des Bewegungsapparates gehen sehr häufig auch von den Gelenken aus. Grundsätzlich haben sie die Aufgabe, zwei Knochen miteinander zu verbinden und so für Stabilität und Beweglichkeit zu sorgen. Ob Sattel-, Kugel- oder Scharniergelenk: Über 140 dieser technischen Wunderwerke haben ihren Sitz im menschlichen Körper. Die größten sind die Hüft- und Kniegelenke, die einen Großteil unseres Körpergewichts tragen müssen und deshalb besonders anfällig für Abnutzungserscheinungen sind.

Der Gelenkverschleiß, medizinisch als Arthrose bezeichnet, ist die häufigste schmerzhafte Gelenkerkrankung. Bevorzugt tritt die Verschleißerkrankung in den Kniegelenken (Gonarthrose) und den Hüftgelenken (Koxarthrose) auf, doch auch die kleinen Wirbelsäulengelenke und die der Hände sind häufig betroffen.

Charakteristische Symptome sind Gelenkgeräusche, ausgeprägte Schmerzen, Gelenksteifigkeit und der so genannte Anlaufschmerz, eine deutliche Bewegungseinschränkung nach einer längeren Ruhephase oder zu Beginn einer Bewegung. Durchaus möglich auch, dass die geschädigten Gelenke geschwollen und entzündet sind. Meist tritt die Arthrose im höheren Lebensalter auf. Die Behandlung des chronischen Leidens gehört in die Hände des Arztes, der unter anderem nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) verordnen kann.

Fehler in der Abwehr Von der Verschleißerkrankung Arthrose unterscheidet sich die rheumatoide Arthritis (RA), unter der hier zu Lande schätzungsweise 800 000 Menschen leiden. Hinter RA verbirgt sich eine chronische Gelenkentzündung, die vermutlich durch eine „Fehlsteuerung“ des Immunsystems ausgelöst wird. Typischerweise äußert sie sich durch Schmerzen, Überwärmung und Schwellung des betroffenen Gelenks. Häufig sind mehrere Gelenke gleichzeitig entzündet.

Arthritis kann Menschen aller Altersgruppen treffen und muss frühzeitig und konsequent von einem erfahrenen Rheumatologen behandelt werden. Verordnet werden Patienten sowohl Basistherapeutika und eventuell auch Biologika, die direkt ins Krankheitsgeschehen eingreifen und in der Lage sind, eine krankheitsbedingte Gelenkzerstörung zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Daneben ist meist auch die Gabe schmerzstillender und entzündungshemmender NSAR erforderlich.

Tipps für Apothekenkunden mit Arthrose
+ Übergewicht abbauen Jedes Kilo zuviel lastet auf den Gelenken. Wichtig deshalb, diese langsam, aber konsequent abzubauen. Die Kombination aus kalorien- und fettverminderter Ernährung und Bewegung führt dauerhaft zum Erfolg.
+ In Bewegung bleiben Die Gelenke müssen bewegt werden, damit die umgebenen Muskeln und die Gelenkknorpel gestärkt werden. Ohne Bewegung „rosten“ Gelenke regelrecht ein, was die Schmerzen verstärkt. Empfehlenswert sind gelenkschonende Sportarten wie Nordic Walking, Rad fahren in der Ebene, Tanzen, Schwimmen oder Wassergymnastik. Ungeeignet sind hingegen sportliche Aktivitäten, die kurze Sprints, plötzliches Abstoppen, heftige Drehbewegungen oder Sprünge erfordern.
+ Gelenkfreundlicher Alltag Arthrosegeplagte müssen im Alltag auf die Gelenke achten. Das heißt zum Beispiel: keine schweren Lasten tragen, am Schreibtisch auf eine vernünftige Sitzposition achten und regelmäßig Pausen machen.
+ Entspannung üben Sinnvoll kann es sein, eine Entspannungstechnik zu erlernen. Autogenes Training, Yoga oder Tai Chi können auch helfen, eine bessere Kontrolle über den Schmerz zu bekommen.

Diclofenac, Ibuprofen & Co. sind bei entzündeten Gelenken unverzichtbare Helfer, sollten aufgrund möglicher Nebenwirkungen, die von Schädigungen der Magenschleimhaut bis bin zu Magengeschwüren und Nierenschädigungen reichen, jedoch keinesfalls über einen längeren Zeitraum ohne ärztliche Verordnung eingenommen werden. Darauf sollten Sie im Beratungsgespräch hinweisen. Auch hier wird zudem die gesamte Bromelain-Papain-Enzymkombination eingesetzt.

Eventuell können RA-Patienten auch von pflanzlichen Antirheumatika profitieren, die Teufelskrallen- oder Weidenrindenextrakt enthalten. Entzündungshemmende Rheumasalben und -gele mit chemisch-synthetischen oder pflanzlichen Wirkstoffen können therapiebegleitend empfohlen werden, wobei von diesen Externa keine Wunder erwartet werden dürfen.

Entzündungen als Folge Nicht nur die rheumatoide Arthritis führt zu schmerzhaften Gelenkentzündungen. Vielmehr können auch viele andere Erkrankungen damit einhergehen. Dazu zählt beispielsweise die durch Zecken übertragene Borreliose. Auch andere Infektionskrankheiten können Gelenkschmerzen zur Folge haben, etwa Hepatitis, Windpocken und Grippe.

Typischerweise treten Gelenkbeschwerden auch bei zahlreichen Erkrankungen auf, die zum rheumatischen Formenkreis gehören: etwa bei Gicht, Morbus Bechterew und Morbus Reiter. Kommt es im Rahmen der chronischen Hautkrankheit Schuppenflechte zu Gelenkentzündungen, sprechen Mediziner von Psoriasis-Arthritis.

Zu guter Letzt ist auch eine Schleimbeutelentzündung (Bursitis) häufig für schmerzende Schulter-, Ellenbogen-, Hüft-, Knie-, Hand- oder Sprunggelenke verantwortlich. Schleimbeutel sind überwiegend in der Nähe von Gelenken lokalisiert und können sich – etwa durch Drucküberlastung – entzünden. Neben Gelenkschmerzen kommt es dadurch oft auch zu Bewegungseinschränkungen. Die Therapie besteht in der Regel darin, das betroffene Gelenk ruhig zu stellen, um den entzündeten Schleimbeutel nicht weiter zu belasten, und zu kühlen. Zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung werden NSAR eingesetzt.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/13 ab Seite 14.

Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin

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