© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Berühmte Apotheker

ENTDECKER DES RÜBENZUCKERS

Er war einer der letzten bedeutenden Anhänger der Phlogistontheorie. Und entdeckte den Zuckergehalt heimischer Pflanzen, was letztlich die teure Einführung des Übersee-​Rohrzuckers überflüssig machte: Andreas Sigismund Marggraf (1709 bis 1782).

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In Berlin geboren, in Berlin gestorben. Kein Weltenbummler! Zur Vertiefung seiner apothekerlichen und chemischen Erkenntnisse ist er aber durchaus durch die deutschen Lande gereist: Andreas Sigismund Marggraf. Geboren wurde er als erster Sohn des Apothekers Henning Christian Marggraf (1680 bis 1754) und dessen Frau Martha Kellner (1685 bis 1752) am 3. März 1709. Sein Vater war Gründer und Inhaber der Apotheke „Zum goldenen Bären“ und unterrichtete als königlicher Hofapotheker seinen Sohn schon früh in apothekerlichen, chemischen Belangen.

Und so studierte Andreas Sigismund Marggraf schließlich am Berliner Collegium medico-chirurgicum Chemie, wo er auch Student des Leiters der Klasse praktische pharmazeutische Chemie Professor Caspar Neumann war. Bei Neumann lernte Marggraf unter anderem Stahls „Phlogistontheorie“ kennen, die sein chemisches Denken Zeit seines Lebens bestimmen sollte. Zur Vertiefung seiner Kenntnisse studierte Marggraf danach in Straßburg Chemie und Physik, in Halle Medizin und in Freiberg Metallurgie. Anschließend ging er auf eine mehrmonatige Studienreise durch deutsche Lande, um sein Wissen, insbesondere in der Hütten- und Bergwerksindustrie, zu vervollständigen.

20 Jahre Apotheker in Berlin Seit 1732 in Berlin zurück, arbeitete Andreas Sigismund Marggraf bis 1752 offiziell in der väterlichen Apotheke. Einen 1737 an ihn ergangenen Ruf an die braunschweigische Hof-​Apotheke, verbunden mit der Oberaufsicht über die Bergwerke, lehnte er ab. Schon 1738 wurde er allerdings besoldetes Mitglied der Königlich-​Preußischen Societät der Wissenschaften und widmete sich mehr und mehr der chemischen Forschung. Er hatte eine ausgezeichnete experimentelle Ausbildung erhalten, auf deren Grundlage er zahlreiche strukturierte Untersuchungen durchführte.

Eine Methode zur Phosphorherstellung durch Erhitzen von eingedampftem Harn mit Bleioxidchlo- rid, Sand und Kohle entstand so im Jahr 1743. Die Herstellung von Kaliumcyanid (Zyankali) gelang Marggraf 1745. Er erkannte die Giftwirkung des Salzes und fand heraus, dass Cyanid-Zusätze zu wässrigen Lösungen mit Bodensatz meist zur Auflösung des Niederschlages führten. Allerdings erkannte er noch nicht die Ursache dieses Lösungsvorganges – die Komplexbildung. Marggraf untersuchte viele Pflanzen und Tiere und versuchte, die darin enthaltenen chemischen Stoffe zu isolieren.

Die „Zuckerisolierung“ aus heimischen Pflanzen Sein Vater war als Hofapotheker wohl der einzige Berliner Apotheker, der mit dem Luxusgut Rohrzucker handelte. Zurückkehrende Kreuzfahrer hatten den seit Jahrhunderten in Asien gewonnenen Rohrzucker nach Europa gebracht, wo bis dahin nur mit Honig gesüßt worden war. Rohrzucker war nur der Oberschicht überhaupt bekannt. Marggraf junior interessierte dieses wertvolle Gut ebenfalls – und machte es zu einem seiner Untersuchungsobjekte. Er stellte schließlich 1747 fest, dass in drei einheimischen Pflanzen, etwa dem „weißen Mangold“ Cicla officinarum (Runkelrübe), der Zuckerwurzel (Sisarum Dodonaxi) sowie dem roten Mangold (Rüben-​Mangold) Zucker enthalten ist.

Er beschreibt ausführlich die Gewinnung des Zuckers aus dem Saft dieser Wurzeln und die Reinigung desselben. Auch konnte er nachweisen, dass dieser Zucker tatsächlich identisch mit dem teuer aus Amerika importierten Rohrzucker (Saccharose) ist. Für die Untersuchungen von Zuckerkristallen nutzte Marggraf als erster Chemiker ein damals noch vergleichsweise neues Gerät, ein Mikroskop. Doch dass er mehr Analytiker und „Labormensch“ als Praktiker beziehungsweise Vermarkter war, zeigt sich daran, dass er die Entwicklung nicht bis zur Produktionsreife weiterführte.

Dabei hatte er klar erkannt, dass sich auf der Grundlage seiner Forschungen der einheimische Zuckerbedarf decken und somit viel Geld verdienen ließ. Die industrielle Produktion von Saccharose aus heimischen Zuckerrüben anstelle des Imports kostspieligen Übersee-Rohrzuckers wurde jedoch erst durch einen seiner Schüler, Franz Karl Achard (1753 bis 1821), zu Beginn des 19. Jahrhunderts in die Praxis umgesetzt.

Verlust der Bären-Apotheke Stattdessen verlor Andreas Sigismund Marggraf nach dem Tod seiner Mutter im Jahr 1752 aufgrund einer Intrige seiner Schwäger Joachim Friedrich Lehmann und Julius Tilebein die väterliche Bären-​Apotheke. Sogar das Haus musste er zügig verlassen. Seiner Neigung entsprechend zog er es vor, sich weiter der chemischen Wissenschaft zu widmen. Ab 1754 erleichterte ihm dies die Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften, die ihm eine Dienstwohnung (Wohnhaus) und ein Laboratorium zur Verfügung stellte. Nach Reorganisation der Königlich-Preußischen Societät der Wissenschaften zur Akademie gehörte er der Physikalischen Klasse an und wurde 1760 sogar deren Direktor.

Unverheiratet und primär nur mit chemischen Problemlösungen – so wird gerne postuliert – ganz unabhängig von aktuellen Zeitfragen beschäftigt, verbrachte Marggraf tatsächlich den größten Teil seines Lebens mit analytischen Untersuchungen im Labor. Ein Verhalten, das ihm gepaart mit seinen Untersuchungserfolgen letztlich viel Anerkennung eintrug. Für ihn zählte ausschließlich das Versuchsergebnis, auch wenn es der Theorie widersprach. Das 18. Jahrhundert war dabei aus chemischer Sicht das Jahrhundert der Verbrennungstherorien. Die ersten 75 Jahre standen ganz im Zeichen der von Georg Ernst Stahl eingeführten „Phlogistontheorie“. Obwohl diese durch den französischen Chemiker und Naturwissenschaftler Antoine Laurent de Lavoisier (1743 bis 1794) im Jahr 1777 eindeutig widerlegt wurde, trug die Phlogistontherorie doch wesentlich zur Weiterentwicklung der Chemie bei.

Marggraf war und blieb bis zum Ende seiner Forschungszeit 1781 trotzdem Anhänger dieser Theorie und führte viele Experimente in der Hoffnung durch, doch noch das sagenhafte Phlogiston zu entdecken. Methodisch war er dennoch sehr fortschrittlich und entwickelte ins- besondere die Nass-Chemie weiter. Lösen, Extrahieren, Fällungsreagenzien zog er den althergebrachten Methoden des Schmelzens, Sublimierens, des Glühens mit Kohle vor. Er fand die „Berliner-Blau-Reaktion“ als Eisen-Nachweis, nutzte die unterschiedliche Flammenfärbung als einfache Nachweismethode für Natrium- und Kaliumsalze (1758) – und wies auch auf deren unterschiedliche Kristallformen hin.

Auch ist die erste Charakterisierung des anorganischen Farbpigments Ultramarin (1768) sein Verdienst. Seine Arbeiten veröffentlichte Marggraf in den Schriften der Berliner Akademie, ließ sie später sogar in deutscher Sprache als Buch herausgeben. Am 7. August 1782 starb Andreas Sigismund Marggraf in Berlin; schon einige Jahre zuvor (1774) hatte er einen Schlaganfall erlitten. Heute gilt Marggraf als einer der bedeutendsten deutschen Chemiker des 18. Jahrhunderts.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/19 ab Seite 66.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

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