© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Frozen Shoulder

EISZEIT IN DER SCHULTER

Erst massive Schmerzen, dann Gelenksteife: Diese Symptome sind typisch für das Frozen-Shoulder-Syndrom. Auch wenn die Beschwerden im Laufe der Zeit wieder vergehen, beeinträchtigen sie die Lebensqualität massiv.

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Der Name ist Programm: Die Frozen Shoulder, zu Deutsch: eingefrorene Schulter, ist eine quälende Erkrankung der Schultergelenkkapsel, bei der die Schulter erst heftig schmerzt, um anschließend vorübergehend zu versteifen. Ursprung der Pein ist eine Entzündung der Gelenkschleimhaut und der Kapselstrukturen. Im weiteren Krankheitsverlauf verklebt und vernarbt das Gewebe und die Gelenkkapsel schrumpft. Die Folge: Die Mobilität der Schulter lässt nach, aktive und passive Bewegungen sind nur noch eingeschränkt möglich. Haare föhnen, Fenster putzen, Einkaufstaschen tragen? Mit Frozen-Shoulder-Syndrom ist an einen normalen Alltag kaum noch zu denken. Viele Betroffene können eine Zeitlang weder zur Arbeit noch ihren Hobbys nachgehen.

Und sie brauchen viel Geduld: Denn die Krankheit, die von Medizinern adhäsive Kapsulitis genannt wird, ist eine langwierige Angelegenheit. Überwiegend trifft die Schultersteife Menschen zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Bei etwa einem Viertel der Patienten quittieren beide Schultern vorübergehend ihren Dienst – meist jedoch zeitversetzt. Frauen haben häufiger mit dem Frozen-Shoulder-Syndrom zu tun als Männer. Zum Glück ist das tückische Leiden eine selbstlimitierende Erkrankung. Bis sich das Gelenk allerdings wieder vollständig erholt hat, können ein bis drei Jahre vergehen. Und manch ein Betroffener muss sogar dauerhaft mit kleineren Bewegungseinschränkungen zurechtkommen. Die gute Nachricht: Die adhäsive Kapsulitis tritt in aller Regel nur einmal im Leben auf.

Meist primär Experten unterscheiden zwei Formen des Frozen-Shoulder-Syndroms: Weitaus häufiger ist die primäre Schultersteife – sie tritt spontan auf, ohne offensichtlichen Grund und ist eine eigenständige Erkrankung. Die genauen Ursachen sind unklar. Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus und hormonelle Veränderungen, etwa durch eine Schilddrüsenüberfunktion oder in Zusammenhang mit der Menopause, können das Risiko, eine Schultersteife zu entwickeln, womöglich erhöhen.

Darüber hinaus wird auch eine entsprechende genetische Veranlagung als Ursache für die Entstehung der primären Frozen Shoulder diskutiert. Im Gegensatz dazu ist die sekundäre Schultersteife klassischerweise die Folge einer Verletzung, eines anderen Schulterproblems oder einer Operation. Eine Kalkschulter, ein Sehnenriss, ein Sturz oder verschleißbedingte Erkrankungen des Gelenks gehören zu den möglichen Auslösern. Auch eine längere Ruhigstellung des Schultergelenks kann eine sekundäre Frozen Shoulder nach sich ziehen.

Frozen Shoulder oder Kalkschulter?

Massive Schulterschmerzen und eingeschränkte Beweglichkeit sind typisch für beide Erkrankungen, doch die Ursachen sind ganz unterschiedliche: Die Frozen Shoulder (adhäsive Kapsulitis) ist auf degenerative Prozesse im Bereich der Gelenkkapsel zurückzuführen. Bei der Kalkschulter (Tendinosis calcarea) entstehen die Gelenkbeschwerden durch eine Kalkeinlagerung im Ansatzbereich der Schultersehnen. In Ultraschall und Röntgenbild ist die Verkalkung gut zu erkennen. Eine Frozen Shoulder kann Folge einer Kalkschulter sein.

Drei Krankheitsstadien Insbesondere die Frozen Shoulder primärer Natur verläuft charakteristischerweise in drei Phasen.

  • Phase 1: Leitsymptom der ersten Erkrankungsphase, die auch als Einfrierphase (Freezing) bezeichnet wird, sind heftige Schulterschmerzen. Sie treten meist urplötzlich auf, wie aus dem Nichts. Möglicherweise kommt es bei bestimmten alltäglichen Bewegungen zu den massiven Beschwerden. Rasch werden die Schulterschmerzen zu Dauerbegleitern, die Betroffene vor allem nachts plagen und ihnen den Schlaf rauben. Das erste Krankheitsstadium dauert mehrere Monate.
  • Phase 2: Die ausgeprägten Schmerzen lassen in diesem Stadium des Frozen-Shoulder-Syndroms allmählich nach, während das Gelenk zunehmend versteift. Die Einschränkung der Beweglichkeit ist in der zweiten Phase, die auch als Plateau- oder Einsteifungsphase (Frozen) bezeichnet wird, am stärksten ausgeprägt. Besonders offensichtlich wird sie, wenn der Arm nach außen beziehungsweise innen gedreht oder abgespreizt wird. Typischerweise können Betroffene das Ellenbogengelenk nicht mehr auf Schulterhöhe anheben. Gegen Ende dieser Phase kann die Schulter vollständig unbeweglich sein. Dieses Stadium kann vier bis zwölf, möglicherweise sogar bis zu fünfzehn Monate dauern.
  • Phase 3: Allmählich geht es wieder bergauf. Im letzten Krankheitsstadium, das als Lösungs- oder Auftauphase (Thawing) bekannt ist, wird die versteifte, nicht mehr schmerzende Schulter langsam wieder beweglicher. Die entzündlichen Veränderungen an der Gelenkkapsel bilden sich zurück. Das betroffene Schultergelenk ist schließlich in seiner Beweglichkeit nur noch unwesentlich eingeschränkt oder sogar wieder voll beweglich. Dieses Stadium dauert durchschnittlich neun Monate. Wichtig zu wissen: Wie lange die einzelnen Krankheitsphasen fortbestehen, variiert von Patient zu Patient und lässt sich nicht vorhersagen. Wer viel Glück hat, ist schon nach sechs bis neun Monaten wieder fit. Im Extremfall können aber auch bis zu zehn Jahre ins Land ziehen, bis die Schulter ihre ursprüngliche Beweglichkeit wiedererlangt hat.

Spurensuche Die plötzlich einschießenden, starken Schulterschmerzen sind es meist, die Betroffene dazu veranlassen, zum Arzt zu gehen. Der erste Ansprechpartner kann der Hausarzt sein, der den Patienten an einen Orthopäden beziehungsweise Schulterspezialisten überweisen kann. Weil Schulterschmerzen unterschiedliche Ursachen haben können, ist eine exakte Diagnostik unabdingbar. Neben Anamnese und körperlicher Untersuchung spielen dabei auch bildgebende Verfahren eine zentrale Rolle. Typisch für das primäre Frozen-Shoulder-Syndrom ist allerdings, dass im Röntgenbild keine Auffälligkeiten zu erkennen sind.

Die Untersuchung kann aber dennoch hilfreich sein, um andere Krankheiten auszuschließen. Mittels Sonografie und, falls erforderlich, Magnetresonanztomografie können erfahrene Fachärzte die Strukturen im Schultergelenk exakt beurteilen und Auffälligkeiten wie verdickte Bänder oder Kapselanteile erkennen. Geduldig bleiben Steht die Diagnose fest, brauchen Patienten vor allem eines: viel Durchhaltevermögen. Doch allein das Wissen, dass die Schultersteife zwar schmerzhaft und langwierig ist, aber schließlich doch wieder vergeht, ist für viele Betroffene eine Erleichterung. Wie das Leiden behandelt wird, hängt maßgeblich vom Stadium der Erkrankung ab.

Gegen die heftigen Schmerzen, die die erste Phase prägen, kann der Arzt nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) verordnen. Glucocorticoide, die ins Schultergelenk injiziert oder oral verabreicht werden, können die Schmerzen lindern und die Gelenkbeweglichkeit verbessern. Ab der zweiten Krankheitsphase sind Krankengymnastik und Bewegungstraining wichtige Voraussetzungen für die Mobilisierung der Muskulatur, die das Schultergelenk umgibt. Unter anderem kann die Beweglichkeit der Schulter durch die manuelle Therapie positiv beeinflusst werden.

Gezieltes Bewegungstraining unter Anleitung eines Physiotherapeuten spielt auch im dritten Krankheitsstadium eine zentrale Rolle, wenn die Schulter langsam wieder auftaut. Sollten konservative Behandlungen versagen oder die Erholungsphase stagnieren, kommt eine arthroskopische Operation infrage. Unter Vollnarkose wird im Rahmen eines minimal-invasiven Eingriffs die Gelenkkapsel gezielt durchtrennt, um Verklebungen zu lösen und den Krankheitsverlauf zu verkürzen. Auf die Operation folgt dann eine Physiotherapie.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/2021 ab Seite 24.

Andrea Neuen, freie Journalistin

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