Heißluftballon.© camptoloma / iStock / Getty Images

Frauengesundheit

EINE HEISSE ANGELEGENHEIT

Fliegende Hitze – das ist ein weit verbreitetes Synonym für die ungeliebten Hitzewallungen, die zu den typischsten Anzeichen der hormonellen Umstellung im Leben einer Frau zählen.

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Etwa 85 Prozent aller Frauen leiden in den Wechseljahren unter Hitzewallungen – die einen mehr, die anderen weniger. Meist machen sie sich anfangs nur nachts bemerkbar und stören den Schlaf. Später können sie auch tagsüber auftreten, was die Lebensqualität massiv beeinträchtigen kann.

Leitsymptom Vasomotorische Beschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche gelten als das häufigste und bedeutsamste Symptom der Wechseljahre. Typischerweise steigt das Hitzegefühl von der Brust über den Hals in den Kopf und in die Oberarme hinein. Dabei werden Intensität und Länge der Hitzewellen von den Frauen individuell verschieden erlebt. Ein kurzes Aufblitzen der aufsteigenden Hitze ist ebenso möglich wie ein sich über mehrere Minuten erstreckendes Geschehen. Auch können einige Frauen lediglich eine leichte Wärme verspüren, die manche sogar als angenehm empfinden.

Andere zerfließen hingegen geradezu. Bei ihnen bricht derartig der Schweiß aus, dass es einen Kleidungswechsel erforderlich macht. Herzrasen, Schwindel und Angstgefühle können sich zusätzlich einstellen. Ebenso ist die Häufigkeit ganz unterschiedlich. So erleiden einige nur ein oder zwei Hitzewallungen am Tag, andere müssen sie jedoch bis zu 20 Mal am Tag ertragen. Unter Umständen dauern die Hitzeschübe viele Jahre lang an.

Etwa die Hälfte der betroffenen Frauen klagt bereits vor Beginn der letzten Menstruation (Menopause) darüber, zu einem Zeitpunkt, an dem viele noch gar nicht den Eintritt in die Wechseljahre bemerkt haben. Nach der Menopause, also in der Postmenopause, lassen die Beschwerden in der Regel nach. Sie können sich aber bis zum 65. Lebensjahr hinziehen. Im statistischen Mittel machen Hitzewallungen den Frauen etwa fünf Jahre zu schaffen, zumeist in der Zeit um die Menopause herum (Perimenopause).

Hormone aus dem Takt Ursache für die unangenehmen Temperaturschwankungen ist die nachlassende Estrogenproduktion in der Perimenopause, die das Gleichgewicht von Botenstoffen wie Noradrenalin und Serotonin im zentralen Nervensystem durcheinanderbringt. Folge ist eine Störung des Steuerungszentrums für Körpertemperatur und Stimmungslage im Zwischenhirn (Hypothalamus). Daher wird zum einen das Thermoregulationszentrum empfindlicher und reagiert bei leichtem Temperaturanstieg mit unangemessenen Wärmeverlusten, die sich als Hitzewallungen darstellen. Zudem leiden einige Frauen in dieser Zeit auch verstärkt unter erhöhter Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen bis hin zu depressiven Verstimmungen.

Leitliniengerechte Therapieoptionen Auch wenn Hitzewallungen keine Krankheit sind, wünschen die betroffenen Frauen mit stark ausgeprägten Beschwerden eine Behandlung und suchen Rat in der Apotheke. Verschiedene Therapiemöglichkeiten stehen zur Verfügung, die in der S3-Leitlinie „Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen“ der deutschen, österreichischen und schweizerischen Gesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe aufgeführt werden. Unter ihnen finden sich medikamentöse und nicht-medikamentöse Maßnahmen. Dabei spielen auch pflanzliche Optionen eine Rolle, die Sie Ihrer Kundin im Rahmen der Selbstmedikation empfehlen können.

Praxistipps
Empfehlen Sie ergänzend
+ homöopathische Einzel- und Komplexmittel, z. B. Acidum sulfuricum D12, Sanguinaria canadensis D6,
+ Salbeipräparate zur Reduktion der Schweißproduktion,
+ Baldrian-, Hopfen-, Melisse- und/oder Passionsblumen-Präparate zum Einschlafen,
+ den Konsum von Kaffee, Alkohol und scharfen Gewürzen einzuschränken,
+ sich im „Zwiebellook“ anzuziehen, um Hitzewallungen erträglicher zu machen.

Hormone und Psychopharmaka Als effektivste Behandlungsoption bei Wechseljahresbeschwerden gilt immer noch die Hormonersatztherapie, die heute nur noch nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung verordnet wird. Hitzewallungen sind eine anerkannte Indikation, vorausgesetzt es liegen keine Kontraindikationen (z. B. Brustkrebs) vor. Grundsätzlich wird Frauen, die noch eine Gebärmutter besitzen, eine Kombinationstherapie verordnet. Sie müssen Estrogene mit Gestagenen kombinieren, um einen estrogenbedingten Aufbau der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) zu verhindern und damit die Gefahr für einen Gebärmutterkrebs zu reduzieren.

Bei hysterektomierten Frauen, also Frauen, denen die Gebärmutter entfernt wurde, ist die alleinige Gabe eines Estrogens ausreichend. Dabei werden transdermale Applikationsformen bevorzugt, da für diese ein günstigeres Nutzen-Risiko-Verhältnis angenommen wird. Bestehen gegen eine Hormongabe Kontraindikationen, empfehlen die Leitlinien als zweite Option selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) sowie selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNR).

Sie erhöhen die Serotonin-Konzentration im zentralen Nervensystem und reduzieren damit die Hitzeschübe. Zugleich werden mit den verschreibungspflichtigen Psychopharmaka Hitzewallungen als weniger belastend empfunden. Zudem wird das Antiepileptikum Gabapentin als wirksame Alternative aufgeführt.

Beliebte Phytotherapeutika Nicht alle Frauen dürfen oder möchten zu Hormonen greifen oder mit Medikamenten gleichzeitig ihre Psyche beeinflussen. Sie wünschen pflanzliche Mittel, wobei vor allem bei leichten bis moderaten Symptomen ein Therapieversuch lohnenswert ist. Allerdings gilt es, unter den Phytotherapeutika zu differenzieren, da die Datenlage zu den verschiedenen pflanzlichen Präparaten bezüglich ihrer Wirksamkeit und Sicherheit uneinheitlich ist.

Zum einen werden Soja- und Rotklee-Präparate angeboten, die durch ihre Isoflavone eine schwache phytoestrogene Wirkung entfalten und als Phytoestrogene bezeichnet werden. Hinsichtlich ihrer Wirkung bei Hitzewallungen existieren unterschiedliche Studienergebnisse, ebenso zur Sicherheit. Auch wenn für Frauen in der Postmenopause Entwarnung bezüglich schädlicher Auswirkung auf die Brustdrüse gegeben werden konnte, weiß man noch nicht genau, wie sich Phytoestrogene auf Frauen in der Prä- oder Perimenpause auswirken. Daneben existieren Präparate mit dem Sibirischen Rhabarber. Sie zählen auch zu den Phytoestrogenen, da sie Stilbene enthalten.

Auch bei diesen Präparaten ist eine Bewertung zur Wirksamkeit schwierig. Vor allem können bislang aufgrund der unzureichenden Datenlage weder Langzeitwirkungen noch Risiken ausreichend beurteilt werden. Für alle Präparate mit phytoestrogener Wirkung gilt, dass ihre Einnahme bei Frauen mit hormonabhängigen Tumoren wie beispielsweise Brustkrebs nicht empfohlen wird. Von den Phytoestrogenen sind Präparate mit der Traubensilberkerze (Cimicifuga) abzugrenzen. Bei Cimicifuga werden inzwischen estrogenartige Effekte an Brust und Gebärmutter ausgeschlossen, da in Studien weder eine erhöhte Brustgewebsdichte noch eine vermehrte Epithelzellproliferation festgestellt werden konnte.

Cimicifuga soll vielmehr als selektiver Estrogenrezeptor-Modulator (SERM) wirken. Zudem werden antioxidative, antiphlogistische und serotonerge Effekte diskutiert. Die Leitlinien betonen aber, dass ausschließlich registrierte beziehungsweise zugelassene Präparate verwendet werden sollten. Außerdem werden Johanniskraut-Präparate erwähnt, auch wenn nur wenige Studien zur Wirkung bei Hitzewallungen vorliegen. Sie können nicht nur Stimmungsschwankungen und depressive Episoden verbessern, sondern auch zur Reduktion von Hitzewallungen beitragen. Zu beachten sind allerdings mögliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln, da Johanniskraut eine Induktion von Enzymen des CYP P450-Systems hervorruft.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 04/2022 ab Seite 74.

Gode Chlond, Apothekerin

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