Beinwell (Symphytum officinale).© fermate / iStock / Getty Images

Evidenzbasiert

EINE DER ÄLTESTEN HEILPFLANZEN

Das Wissen der alten Heilkundigen um die traditionelle Heilkraft von Beinwell wurde in modernen Untersuchungen überprüft. Seine Wirkung konnte inzwischen in mehreren klinischen Studien bestätigt werden.

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Beinwell (Symphytum officinale) ist eine bis zu einem Meter große rauhaarige Staude aus der Familie der Borretschgewächse (Boraginaceae). Sie wächst in Europa und Asien in den gemäßigten Zonen, wo sie bevorzugt an Bach- und Flussufern, auf feuchten Wiesen und an Waldrändern anzutreffen ist. Die Stängel der Pflanze sind kräftig und wachsen aus einem mächtigen, bis zu zehn Kilogramm schweren Wurzelstock, der außen schwarz und innen weiß und schleimig ist. Die bis zu 25 Zentimeter großen lanzettförmigen Blätter sind weiß-grau behaart. Von Mai bis August blühen rot-violette, manchmal auch gelblich-weiße Blüten. Sie sind in Trauben angeordnet und hängen glockenförmig herab.

Heilpflanze mit langer Tradition Bereits die indigenen Völker Nordamerikas haben aus der frischen oder getrockneten Wurzel von Symphytum officinale Zubereitungen zur Behandlung von schweren äußerlichen Verletzungen und Knochenbrüchen sowie gegen Verrenkungen, Verstauchungen, Schwellungen und oberflächliche Blutergüsse hergestellt, worauf auch der Name der Pflanze verweist. Der Gattungsname geht auf das griechische „sympho“ = „ich wachse zusammen“ zurück. Die deutsche Bezeichnung Beinwell oder Wallwurz konkretisiert, was zusammenwachsen soll. „Bein“ steht für „Knochen“ und „well“ leitet sich vom mittelhochdeutschen „wallen“ ab, was so viel wie „zusammenheilen“ bedeutet.

Auch die alten Griechen und Römer schätzten die Heilkraft der Pflanze bei diesen Indikationen. In berühmten Werken wie der Materia medica von Dioskurides oder der Naturalis historia von Plinius beschrieben sie Symphytum officinale und seine Anwendungsgebiete. Noch bis in die Neuzeit tauchte die Heilpflanze immer wieder in verschiedenen Arzneibüchern der Medizinhistorie auf, in denen zudem noch weitere Indikationen wie beispielsweise rheumatische Erkrankungen genannt wurden. Damit gehört Beinwell mit zu den ältesten Heilpflanzen der Kulturgeschichte, die noch immer eine heilkundliche Bedeutung haben.

Wurzeln oder Kraut Heute findet sich in den zugelassenen Arzneimitteln nicht nur der klassische Symphytum officinale. Daneben wird die in Süddeutschland im kontrollierten biologischen Anbau angepflanzte Beinwellsorte Symphytum x uplandicum NYMAN („Trauma-Beinwell“) für die Herstellung standardisierter Beinwellzubereitungen verwendet. Während aus dem bereits seit Jahrhunderten geschätzten Symphytum officinale die Wurzel zu einem Fluidextrakt für die Arzneimittelherstellung weiterverarbeitet wird, beinhalten Präparate aus dem „Trauma-Beinwell“ den frischen Presssaft und den Auszug des Pressrückstandes aus den oberirdischen Pflanzenteilen.

Zubereitungen aus dieser speziellen Beinwellsorte sind besonders wirkstoffreich und zudem frei von leberschädigen Pyrrolizidin-Alkaloiden. Als wirksame Inhaltsstoffe wurden in Wurzeln und Kraut Allantoin, Kaffeesäurederivate wie Rosmarinsäure, Gerbstoffe und Schleimstoffe identifiziert, wobei der Gesamtextrakt als Wirkstoff angesehen wird.

Überzeugt in Studien Inzwischen wurde die traditionelle Anwendung von Beinwell bestätigt. Bereits 1990 wurden von der Kommission E zwei positive Beinwell-Monographien für die äußere Applikation bei den altbewährten Indikationen Prellungen, Zerrungen, Verstauchungen sowie Muskel- und Gelenkschmerzen verabschiedet: die eine für das Kraut und die Blätter (Symphyti herba/-folium, Beinwellkraut/-blätter) und die andere für die Wurzel (Symphyti radix, Beinwellwurzel) von Symphytum officinale. Zudem liegen mehrere kontrollierte Studien vor, die sich vor allem auf Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates beziehen.

Dabei konnten sowohl Nachweise für die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Arzneimitteln mit Beinwellwurzel-Fluidextrakt aus Symphytum officinale als auch für Zubereitungen aus den Blättern und Blüten von Symphytum x uplandicum NYMAN erbracht werden. Beispielsweise wurde in einer multizentrischen, doppelblinden, placebokontrollierten klinischen Studie eine schnelle und effektive Schmerzlinderung des Beinwellwurzel-Fluidextrakts bei Patienten mit akuten Rückenschmerzen im Schultergürtel oder im Bereich der Lendenwirbelsäule belegt. Zugleich war die Beinwell-Salbe sehr gut verträglich.

Andere Studien bescheinigen der Zubereitung neben der schmerzreduzierenden Wirkung zudem noch abschwellende und entzündungshemmende Effekte, wie zum Beispiel eine große klinische Multicenterstudie der Sporthochschule Köln. Sie zog daraus den Schluss, dass der Beinwellwurzelextrakt bei der Behandlung akuter Verstauchungen des Sprunggelenks dem nichtsteroidalen Antirheumatikum Diclofenac ebenbürtig ist. Ebenso konnte einer topischen Zubereitung aus den oberirdischen Pflanzenteilen des „Trauma-Beinwells“ eine ausgeprägte Schmerzlinderung (Druckschmerz, Bewegungsschmerz) bei frischen stumpfen Traumen (Verstauchungen, Zerrungen und Prellungen) bescheinigt werden.

Die zugleich beobachteten abschwellenden Effekte waren auf eine ausgeprägte Rückbildung von Hämatomen zurückzuführen. Darüber hinaus ließen sich in einer Doppelblindstudie gute wundheilungsfördernde Effekte des Beinwellextrakts bestätigen. Da die spezielle Beinwellsorte pyrrolizidinfrei ist, kann sie auf oberflächlichen Schürfwunden zur Anwendung kommen. Im Gegensatz dazu dürfen Zubereitungen aus der Beinwellwurzel von Symphytum officinale nur auf intakter Haut appliziert werden – auch wenn sie heutzutage einen Alkaloidgehalt unterhalb des Grenzwertes für Pyrrolizidin-Alkaloide aufweisen.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 02/2022 ab Seite 30.

Gode Chlond, Apothekerin

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