Frau balanciert © MaleWitch / iStock / Thinkstock
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Chronische Übersäuerung

EIN SENSIBLER BALANCEAKT

Ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Säuren und Basen ist eine der Grundvoraussetzungen für den reibungslosen Ablauf unseres Stoffwechsels. Was stört dieses empfindliche Gleichgewicht und welche Folgen kann das für die Gesundheit haben?

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Übersäuerung kann auch andere Ursachen haben Es ist nicht nur die Ernährung, die säurelastig ist. Auch zu wenig Bewegung und Stress beeinflussen das Säure-Basen-Gleichgewicht ungünstig. Jeder Sport und auch sonst alles, was unseren Kreislauf anregt, fördert die Ausscheidung von Säure. In unserem Arbeitsalltag kommt Bewegung allerdings oft zu kurz. Dazu haben die meisten Menschen auch mehr oder weniger viel Stress, der sich langfristig auf das gesamte Befinden negativ auswirkt – auch auf das Säure-Basen-Gleichgewicht. Um ihr Gewicht zu reduzieren oder zu halten, legen sehr viele Menschen immer mal wieder eine Diät oder Fastenkur ein.

Dies ist eine zusätzliche Belastung des Körpers mit Säuren. Denn wenn körpereigenes Fett abgebaut wird, entstehen durch oxidative Prozesse Ketosäuren. Formuladiäten, bei denen Ersatzmahlzeiten mit hohem Eiweißgehalt gebräuchlich sind, stellen eine weitere Säurebelastung für den Stoffwechsel dar. Die dadurch entstehende latente Übersäuerung kann sogar durch eine verschlechterte Stoffwechselleistung den weiteren Fettabbau verhindern. Man spricht dann von einer Diätoder Fastenkrise, bei der trotz kalorienreduzierter Ernährung das Gewicht nur langsam fällt.

Die Niere ist, wie erwähnt, das einzige Organ, das aktiv Säure ausscheiden kann. Wenn im Alter die Nierenfunktion nachlässt, sinkt auch die Fähigkeit Säure auszuscheiden. Dazu kommt, dass ältere Menschen häufig zu wenig trinken und sich nicht selten einseitig ernähren. Oftmals fehlen gerade die wichtigen Basenlieferanten Obst und Gemüse. Senioren tragen daher ein erhöhtes Risiko für eine chronische Übersäuerung. Ein weiterer Risikofaktor sind chronische Krankheiten. Es ist bekannt, dass zum Beispiel Diabetes mellitus zu einer erhöhten Produktion von Ketosäuren führt. Chronische Lungen- und Nierenerkrankungen vermindern die Ausscheidung von Säuren. Auch Erkrankungen, die mit Durchfall einhergehen, können durch den Verlust von Basen eine Übersäuerung begünstigen.

Übersäuerung beeinflusst den Energiestoffwechsel Ist der pH-Wert geringfügig verschoben, kann dies langfristig die Stoffwechselaktivitäten einschränken. Denn keine Stoffwechselreaktion läuft im Körper ohne Enzyme. Deren Aktivität ist jedoch stark pH-abhängig. Bereits leichte Abweichungen können zu Funktionsstörungen in den verschiedensten Organen führen. Es gibt allerdings keine charakteristischen Symptome.

Es sind Störungen des Allgemeinbefindens und Beschwerden, wie Müdigkeit und Antriebsschwäche, verringerte Leistungsfähigkeit, Konzentrationsstörungen, erhöhte Stressempfindlichkeit, Nervosität und Unruhezustände, die mit einer chronischen Übersäuerung in Zusammenhang stehen können. Auch Muskel- und Gelenkschmerzen, erhöhte Infektanfälligkeit sowie Veränderungen von Haut, Haaren und Nägeln können durch eine Übersäuerung begünstigt werden.

Kompensation bei Überlastung des Säure-Basen- Gleichgewichts Der Körper verfügt allerdings noch über eine Art Notfallmaßnahme, wenn der Zustand der latenten Übersäuerung anhält und nicht anders ausgeglichen wird. Er kann Basen aus den Knochen mobilisieren. Knochen enthalten basische Kalzium- und Magnesiumverbindungen. Die dauerhafte Übersäuerung führt dazu, dass diese aus dem Knochen gelöst werden. Gleichzeitig wird durch die pH-Verschiebung zum Sauren hin die Aktivität der knochenabbauenden Zellen, der Osteoklasten, gesteigert, während die der knochenaufbauenden Zellen, der Osteoblasten, gehemmt wird. Alle diese Effekte können langfristig zum Verlust von Knochensubstanz führen und eine Osteoporose begünstigen.

Zusätzlich hat der Organismus die Möglichkeit, Säuren ins Bindegewebe einzulagern. Zum Bindegewebe gehören neben dem Bindegewebe im engeren Sinne, das zum Beispiel Organe umhüllt, auch Stützgewebe, wie Knorpel, Sehnen und Bänder. Zwischen den kollagenen und anderen fibrillären Fasern, die die Zugfestigkeit des Bindegewebes garantieren, befinden sich Proteoglykane, die stark quellen und vor allem Kompressionskräfte aufnehmen und verteilen können. Proteoglykane sind Makromoleküle, die zu etwa 95 Prozent aus Polysacchariden und zu 5 Prozent aus Proteinen bestehen.

Aufgrund des hohen Polysaccharid-Anteils entsprechen die Eigenschaften denen der Polysaccharide, das heißt, sie sind durch die vielen OH-Gruppen sehr hydrophil und können große Mengen Wasser binden. Dazu kommt, dass sie vielfach sulfatiert sind, also Sulfatreste besitzen, die eine negative Ladung tragen. Dies wiederum erhöht die Hydrophilie und damit das Wasserbindevermögen um ein Vielfaches. Dadurch sind die Proteoglykane ideale Gleitmittel in Gelenken und die perfekte Grundsubstanz für Sehnen, Bänder und Gelenke. Wenn der Körper die Säurelast nicht ausscheiden oder neutralisieren kann, können sich die positiv geladenen Protonen an die negativ geladenen Sulfatreste der Proteoglykane anlagern.

So sind sie zunächst gebunden und belasten das Säure-Basen-Gleichgewicht nicht mehr. Allerdings verliert das Bindegewebe dadurch seine Ladungen und somit auch seine Wasserbindekapazität. Die Folge ist ein Elastizitätsverlust, der die Funktion von Sehnen, Bändern und Knorpel beeinträchtigt. Mechanische Belastungen können schlechter abgefangen werden. Auch die Nährstoffversorgung der Bindegewebszellen ist vermindert. Es kommt leichter zu entzündlichen Prozessen. Die Folge können Rücken-, Gelenkund Muskelschmerzen sein. Naturheilkundler sprechen von „Säurestarre“. Auch die Haut enthält bindegewebige Strukturen, die bei einer Übersäuerung ihr Wasserbindevermögen verlieren. Der Verlust an Elastizität kann sich bei Frauen zum Beispiel als Cellulite äußern.


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