Frau balanciert © MaleWitch / iStock / Thinkstock
© MaleWitch / iStock / Thinkstock

Chronische Übersäuerung

EIN SENSIBLER BALANCEAKT

Ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Säuren und Basen ist eine der Grundvoraussetzungen für den reibungslosen Ablauf unseres Stoffwechsels. Was stört dieses empfindliche Gleichgewicht und welche Folgen kann das für die Gesundheit haben?

Seite 2/4 13 Minuten

Seite 2/4 13 Minuten

Citrate sind gute Basen Man könnte nun annehmen, dass der Bicarbonat-Puffer durch die orale Gabe von Bicarbonat (als NaHCO3, Natriumhydrogencarbonat) regeneriert werden und so quasi aufgefüllt werden könne. Dies ist jedoch ein Trugschluss, denn Natron und auch alle anderen anorganischen Bicarbonat-Verbindungen reagieren bereits im Magen mit der Magensäure. Dabei entsteht Kohlendioxid, das durch Aufstoßen rasch den Körper verlässt. Die Auswirkung auf den pH-Wert des Blutes ist nur gering. Anders verhält es sich bei Citraten, den Salzen der Zitronensäure. In gelöster Form binden sie äquivalente Mengen an Säure (H+).

So unterstützen sie den aktiven Säureabbau im gesamten Stoffwechsel. Dabei werden sie formal zu Zitronensäure umgewandelt, die wiederum zu Wasser und CO2 abgebaut wird. Der große Vorteil der Citrate gegenüber Natron ist ihre Stabilität im sauren Milieu des Magens. Sie sind quasi von Natur aus magensaftresistent und lösen sich erst im Dünndarm, wo sie dann resorbiert werden. Folglich kommt es nicht zu einer nennenswerten Neutralisierung von Magensäure und auch nicht zur Freisetzung von CO2 im Magen. Citrate binden die Säure erst nach ihrer Resorption im Blut.

Dadurch können sie den Säure-Basen-Haushalt im Körper stabilisieren, und zwar kontinuierlich und langfristig. Sie sind zudem gut verträglich und haben eine gute Bioverfügbarkeit. Deshalb enthalten hochwertige Basenpräparate stets Citrate, idealerweise als Mischung verschiedener Mineralstoffverbindungen in Form von Magnesium-, Kalzium-, Natrium- und Kaliumcitraten. Einerseits werden hierdurch die synergistischen Effekte der organisch gebundenen Salze genutzt, andererseits wird die Überdosierung mit einem Mineralstoff ausgeschlossen.

Wenn die Pufferkapazität erschöpft ist Gelangt ständig Säure in den Körper oder wird im Rahmen von Stoffwechselreaktionen freigesetzt, ohne dass die Puffer in ausreichendem Maße regeneriert werden, dann erschöpfen sie sich mit der Zeit und sind nicht mehr in Lage, den pH-Wert in seinen engen Grenzen zu halten. Der pHWert im Blut, in den Organen und in den Körperzellen verschiebt sich geringfügig – bleibt aber dennoch innerhalb der Normgrenzen. Diese schleichende Form der Übersäuerung verläuft oft unbemerkt, weshalb man auch von einer latenten Übersäuerung spricht. Dies ist keine Erkrankung im engeren Sinne. Sie steht aber offenbar mit einigen unspezifischen Beschwerden in Zusammenhang und kann auch an der Entstehung chronischer Erkrankungen beteiligt sein beziehungsweise deren Verlauf ungünstig beeinflussen.

SAUER IST NICHT IMMER SÄUREBILDEND

Nicht alles, was sauer schmeckt, muss auch säurebildend sein. Ein klassisches Beispiel sind Zitronen. Sie schmecken furchtbar sauer, ihre Wirkung im Organismus ist jedoch basisch. Unser Körper ist mit Geschmacksrezeptoren für sauer schmeckende Substanzen ausgestattet, basische Stoffe erkennt er jedoch nicht. Daher können wir die Vielzahl an organisch gebundenen basischen Mineralstoffen auch nicht schmecken.

Übersäuerung ist meist ein Ernährungsproblem Auch bei einer gesunden Lebensweise fallen stets Säuren und Basen an, allerdings in einem ausgewogenen Verhältnis. Sinnvoll wäre es, ein ausgewogenes Maß an basischen und sauren Lebensmitteln zu verzehren. Insgesamt ist jedoch die Belastung durch säurebildende Lebensmittel höher als die Basenzufuhr durch basische Lebensmittel. So muss man beispielsweise zum Ausgleich von 100 Gramm Fleisch bis zu 400 Gramm Gemüse essen. Als Richtlinie gilt daher die 80:20- Regel: Von 100 Gramm Lebensmitteln sollten immer 80 Gramm Obst, Gemüse oder Salat sein.

Dies entspricht jedoch nicht unserer üblichen Ernährungsweise. Der stetige Überschuss an Säuren und damit die Erschöpfung der Puffersysteme sind vor allem unseren westlichen Ernährungsgewohnheiten geschuldet. Dies ist im Wesentlichen auf einen hohen Anteil eiweißreicher Nahrungsmittel bei gleichzeitig niedrigem Verzehr basischer Lebensmittel zurückzuführen. Eiweißreiche Produkte, wie Milchprodukte und Fleisch, aber auch Brot und Backwaren, enthalten unter anderem die schwefelhaltigen Aminosäuren Cystein und Methionin.

Sie werden vom Körper sauer verstoffwechselt, dabei entsteht unter anderem Schwefelsäure. Dazu kommen Phosphate in Fleisch, Wurst und Cola. Die Phosphorsäure belastet den Säure-Basen-Haushalt ebenfalls negativ. Die einzigen basischen Lebensmittel, die allerdings im Verhältnis zu den säurebildenden von den meisten Menschen in den westlichen Industrienationen zu wenig zugeführt werden, sind Obst, Gemüse, Kartoffeln, Salat und Nüsse. Sie enthalten Mineralstoffverbindungen, wie Kalium-, Magnesium- und Kalziumcitrat, die den bereits beschriebenen basischen, also säurebindenden Effekt haben und die körpereigenen Regulationsmechanismen unterstützen. Zucker, Fette und Öle gelten für den Säure-Basen- Haushalt als neutrale Lebensmittel.

Selbst Menschen, die sich Gedanken über ihre Ernährung machen und vermeintlich gesund leben, sind nicht unbedingt vor einer latenten Übersäuerung gefeit. So essen Vegetarier und Veganer häufig viel Brot- und Getreideprodukte und damit ebenfalls säurebildende Lebensmittel. Die Einteilung in säure- und basenbildende Nahrungsmittel erfolgt nach dem sogenannten PRAL- Rechenmodell (Potential Renal Acid Load). Danach werden Lebensmittel nach ihrer potenziellen Säurebelastung der Niere eingeteilt. Nach einem physiologischen Rechenmodell wird ermittelt, wie hoch die Säureausscheidung über die Niere beim Verzehr von bestimmten Lebensmitteln ist.


Weiterlesen auf der nächsten Seite ...

„Ein sensibler Balanceakt”

×