Statue © TonyBaggett / iStock / Getty Images
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Frauen in der Medizingeschichte

EIN MÜHSAMER WEG

Ina Democh hieß die Frau, die 1901 als erste in Deutschland ihre Approbation als Ärztin erwarb. Studieren musste sie allerdings in der Schweiz – hierzulande war eine universitäre Ausbildung erst ab 1908 möglich.

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Rousseau und Voltaire, die großen Philosophen der Aufklärung, waren sich da ganz sicher: Es gäbe da eine „natürliche Unterlegenheit des weiblichen Geschlechtes“. Im 18. und auch noch im 19. Jahrhundert galt es als wissenschaftlich erwiesen, dass Frauen unfähig waren zu studieren. Es lag einfach nicht in ihrer Natur. Das sah allerdings schon die Griechin Agnodike anders. Sie lebte im dritten Jahrhundert vor Christus und musste sich Männerkleidung anziehen, um als Ärztin zu praktizieren. Im 12. Jahrhundert nach Christus galt Trota von Salerno als eine Verfasserin eines gynäkologischen Fachbuches, die Quellenlage ist allerdings unsicher.

Erst im 11. Jahrhundert trat dann Hildegard von Bingen auf den Plan. Sie schaffte es, eine Verbindung der damals herrschenden Viersäftelehre mit der Phytotherapie herzustellen und diese mit einem ganzen Rezeptebuch zu untermauern – die „Hildegard-Medizin“ zu kreieren war aber nur aus dem Kloster heraus möglich. Weder hatte die Äbtissin aus dem rheinhessischen Bermersheim eine medizinische Ausbildung noch in der herrschenden Männerwelt etwas zu sagen: Ihre charismatische Persönlichkeit, mächtige Freunde und das Konstrukt von „Visionen aus göttlicher Eingebung“ machten jedoch großen Einfluss möglich.

Dorothea Erxleben (1715–1762) hatte gleich zweimal Glück: Ein fortschrittlich denkender Vater und ein ebenso modernes Staatsoberhaupt unterstützten den ihr vorgezeichneten Weg, die Arztpraxis ihres Vaters in Quedlinburg zu übernehmen. Der Stadtphysikus nahm seine hochbegabte Tochter ganz selbstverständlich auf seine Krankenbesuche mit, ließ sie gar als seine Stellvertreterin in der Praxis arbeiten – und fand es empörend, dass sie nicht wie ihr Bruder Medizin studieren durfte. Friedrich der Große sah das genauso und bewilligte die väterliche Eingabe. Dorothea machte ein glänzendes Examen, unterhielt eine Praxis, zog dabei elf Kinder groß – und starb mit 47 Jahren an Brustkrebs.

Als Florence Nightingale 1810 geboren wurde, war es für Frauen immer noch nicht vorgesehen, einem bezahlten Beruf nachzugehen – ja nicht mal eine echte höhere Schulbildung war für Mädchen üblich. Doch die junge Frau aus der britischen Oberschicht hatte es sich in den Kopf gesetzt, die übel beleumdete und unstrukturierte Krankenpflege zu revolutionieren. Sie hatte bereits weltweit Erfahrungen gesammelt, als ein britischer Staatssekretär sie bat, ihre Kenntnisse in einem türkischen Militärkrankenhaus während des Krim-​Krieges anzuwenden.

Die energische Dame verpasste nicht zuletzt dank mitgebrachter Spendengelder sowie selbst ausgebildeter Pflegerinnen dem Hospital eine funktionierende Infrastruktur. Als sie 90-jährig starb, gab es eine anerkannte pflegerische Ausbildung in der „Nightingale School of Nursing“ in London, und das Konzept setzte sich weltweit durch: Eine staatlich geprüfte „Krankenschwester“ ist fortan eine hochgeschätzte Fachkraft.

Elizabeth Blackwell (1821–1910) war eine der Ärztinnen, die an Nightingales Pflegeschule Vorträge hielt und Prüfungen abnahm. Geboren in Großbritannien, aufgewachsen in den USA und versehen mit einem Hochschulabschluss, wollte sie als junge Frau Medizin studieren, wurde jedoch von nicht weniger als zwölf Universitäten abgelehnt. Das Geneva College in New York nahm sie an – und Elizabeth bestand 1849 als Jahrgangsbeste. Jedoch: Niemand wollte ihr Praxisräume vermieten, denn sie war eine Frau.

Blackwell bildete sich in Geburtshilfe weiter und kaufte ein eigenes Haus, gründete zudem das „Women’s Medical College of the New York Infirmary“, an dem nur Frauen studieren dürfen, damit sie sich nicht den Schikanen und Unbilden an einer „Männeruniversität“ unterziehen müssen. Sie übergab das College an ihre Mitstreiterinnen, kehrte nach England zurück und gründete den Vorläufer des heutigen britischen Gesundheitssystems. Daneben verhalf sie Nightingales Nurses zu einer fundierten Berufsausbildung.

„Natürliche Unterlegenheit des weiblichen Geschlechts“ galt den Aufklärern als Argument, warum Frauen nicht studieren durften.

Cécile Vogt (1875–1962) gelang es zwar, einen Studienplatz in Paris zu ergattern und auch zu promovieren, doch wurden ihr auf dem beruflichen Weg so viele Steine in den Weg gelegt, dass man sich wundert, wie sie es trotzdem zur Wegbereiterin für Frauen in der Wissenschaft geschafft hat. Die Neurologin heiratete in Berlin den Hirnforscher Oskar Vogt, hatte mit ihm zwei Töchter und arbeitete ab 1902 unbezahlt in seinem neurobiologischen Laboratorium an der Berliner Universität.

Später gründeten beide ein privates Institut für Hirnforschung und allgemeine Biologie im Schwarzwald. Die Öffentlichkeit nahm sie lange lediglich als Mitarbeiterin ihres Mann wahr. Weniger bekannt ist, dass Cécile Vogt zwischen 1922 und 1953 insgesamt 13-mal für einen Nobelpreis für Physiologie oder Medizin nominiert wurde, die Auszeichnung jedoch nie erhalten hat. Gemeinsam mit ihrem Ehemann ist Cécile Vogt eine der Begründerinnen der modernen Hirnforschung.

Helene Deutsch (1884–1982), eine Schülerin von Sigmund Freud, studierte ab 1907 Medizin in Wien und München und promovierte 1912, sie heiratete im gleichen Jahr. Durch die nachfolgende Mutterschaft und ihr Interesse an der Psychoanalyse begann sie eine Analyse bei Freud – der diese allerdings abbrach, weil er meinte, keinerlei Hinweise auf eine Neurose bei seiner Patientin finden zu können. In Weiterführung des Freudschen Ansatzes fand Helene Deutsch jedoch ihr Lebensthema und wurde die erste Psychoanalytikerin, die sich speziell auf die Psychologie der Frau und die weibliche Sexualität spezialisiert. Die rüstige Lady nahm noch mit über 80 Jahren an Demonstrationen gegen den Vietnam-Krieg teil und schrieb eine viel beachtete Autobiografie mit dem Titel „Confrontations with myself“.

Rahel Hirsch (1870–1953) war Deutschlands erste Professorin für Medizin, doch ihr erging es übel. Hirsch studierte zunächst Pädagogik und arbeitete als Lehrerin, begann danach jedoch in Zürich ein Medizinstudium, legte 1903 ihr Staatsexamen ab. Ihr Interesse galt der Forschung; sie wies den Übergang von Stärkemolekülen von der Schleimhaut des Dünndarms in den Harntrakt nach – ein Phänomen, das später „Hirsch-Effekt“ benannt wird. Ihr Vortrag wurde jedoch von ihren männlichen Kollegen auf einem Kongress abgelehnt. Zwar erhielt sie die Leitung der Poliklinik in der Berliner Charité und einen Professorentitel, jedoch keinen Pfennig Gehalt. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurde der Jüdin die Kassenzulassung entzogen und sie floh zu ihrer Tochter nach England. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in einer Nervenheilanstalt, geplagt von Depressionen und Wahnvorstellungen.

Hermine Heusler-Edenhuizen (1872–1955) war Arzttochter, als sie in Ostfriesland geboren wurde. Beeinflusst durch einen Zeitschriftenbeitrag von Helene Lange entschloss sie sich, als eine der ersten Frauen Deutschlands das Abitur nachzuholen und begann danach ein Studium. Sie wollte Arzt werden wie ihr Vater. Frauen sind jedoch in Deutschland an den Universitäten offiziell noch nicht zugelassen; sie musste also für jeden einzelnen Vorlesungsbesuch den Professor um Erlaubnis bitten. Trotz aller Widrigkeiten legte sie ihr Examen 1903 ab und ließ sich danach zur Fachärztin für Frauenheilkunde ausbilden. Hermine Heusler-Edenhuizen war die erste niedergelassene Frauenärztin Deutschlands und zudem Frauenrechtlerin. Sie trat schon früh für die Abschaffung des Paragraphen 218 ein.

Den Artikel finden Sie auch in der Sonderausgabe Frauengesundheit der PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 74.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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