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Was ist eigentlich …

... EIN GERSTENKORN?

Im Juli wird die Gerste reif, die Felder stehen voller üppiger Ähren. Die geernteten Körner verarbeitet man zu Grütze, Bier oder Tierfutter. Weniger nützlich ist das Hordeolum, das Gerstenkorn am Lidrand.

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Die Augenlider dienen dem Schutz unserer empfindlichen Sehorgane. Einerseits halten sie rein mechanisch Lichtreize, Kälte, Hitze und Fremdkörper ab, andererseits sitzen an den Lidern Drüsen, die Bestandteile des Tränenfilms produzieren. Die im Lid liegenden Meibom-Drüsen bilden den Fettanteil des Tränenfilms. Außenliegende Zeis-Drüsen bilden im Bereich der Wimpernfollikel Talg, Moll-Drüsen produzieren Schweiß. Die auf der Haut lebenden Staphylokokken, seltener auch Streptokokken, können ins Auge und damit ins Innere dieser Drüsen gelangen, wenn wir uns die Augen reiben. Auch, wenn man sich mit unsauberen Fingern an das Auge fasst (Händewaschen schützt schließlich nicht nur vor Corona), kann man Keime einbringen.

Sie finden in den Drüsen ideale Bedingungen vor und vermehren sich rasch. So entsteht eine eitergefüllte Erhebung, oft mit einem weißen Punkt obenauf. Sind die Zeis- oder Moll-Drüsen betroffen, sieht ein Gerstenkorn aus wie ein Pickel am Lidrand, man spricht von einem äußeren Gerstenkorn. Es schmerzt, spannt und ist berührungsempfindlich. Die innenliegenden Meibom-Drüsen sind größer, die Staphylokokken können sich hier noch besser vervielfältigen. Ein Hordeolum an dieser Stelle ist oft mit einem stark geröteten und geschwollenen Augenlid verbunden, teilweise ist das Auge vollständig bedeckt. Diese Form bezeichnet man als innenliegendes Gerstenkorn.

Eine Immunschwäche und Diabetes erhöhen das Infektionsrisiko. Kinder entwickeln häufiger ein Gerstenkorn als Erwachsene, da sie sich öfter unbedacht ins Gesicht fassen. Das Hordeolum ist ansteckend, man kann die Entzündung über Türklinken und andere Oberflächen übertragen. Das Korn öffnet sich in der Regel innerhalb weniger Tage selbst, der Eiter fließt ab und das Augenlid heilt folgenlos aus. Breitet sich das Gerstenkorn jedoch auf weitere Wimpernfollikel aus, entsteht eine Bindehautentzündung oder kommen Fieber und ein allgemeines Krankheitsgefühl hinzu, muss der Augenarzt aufgesucht werden. Er verordnet, wenn nötig, Gentamicin als Augentropfen oder -salbe sowie in schweren Fällen Antibiotika zum Einnehmen, um Schäden am Auge und eine Sepsis zu verhindern.

Kamille? Nein, danke Einfache Verläufe lassen sich jedoch auch in der Selbstmedikation gut behandeln. Empfehlen Sie Ihren Kunden eine desinfizierende Augensalbe mit Bibrocathol als Wirkstoff, von der sie drei- bis fünfmal täglich einen kurzen Strang in die Lidfalte einlegen oder mit einem sauberen Wattestäbchen den außenliegenden Teil des Körnchens betupfen. Trockene Wärme beschleunigt den Heilungsprozess. Hier können Sie zu speziellen Gel-​Augenmasken oder Rotlicht raten. Eine solche Wärmeanwendung führt man zweimal täglich für fünf bis zehn Minuten durch. Von nassen Wärmekompressen raten Ophthalmologen ab, da die Feuchtigkeit den Bakterien die Ausbreitung erleichtert.

Insbesondere Kamillentee ist ungeeignet, da er mikrobiologisch nicht rein genug für die Anwendung am Auge ist und die Kamille als Korbblütler zudem Allergien auslösen kann. Bessern sich die Beschwerden nicht innerhalb von drei Tagen, sollte der Kunde den Arzt aufsuchen. Auf keinen Fall darf man versuchen, ein Gerstenkorn selbst zu öffnen – das kann wortwörtlich ins Auge gehen. Durch das Quetschen werden die Bakterien gegebenenfalls bloß weiter verteilt und die Infektion verschlimmert, möglicherweise gelangen sie dann auch an Stellen des Auges, die sie ohne die rabiate Behandlung nicht erreicht hätten. Kontaktlinsenträger sollten für die Zeit der Entzündung auf eine Brille zurückgreifen.

Vor dem nächsten Einsetzen müssen die Linsen, sofern es mehrfach verwendbare Linsen sind, mit einer Wasserstoffperoxid-haltigen Reinigungslösung desinfiziert werden – auch an ihnen können sich die Erreger sammeln. Und bitte nicht vergessen: Auch Wimperntusche und Kajalstifte können Bakterien aufgenommen haben. Um eine Rückansteckung zu verhindern, sollten die Augen-Make-up-Produkte ersetzt werden. Wer zu regelmäßigen Gerstenkörnern neigt, sollte vorbeugend auf eine gute Lidrandhygiene achten. Hierfür stehen spezielle Tücher, Kompressen und Lösungen zur Verfügung. Damit die Haut am Augenlid nicht verhärten und den Talg in den Drüsen einschließen kann, ist auch das Geschmeidighalten des Lidrands eine gute prophylaktische Maßnahme. Raten Sie zu Augenvaselin, einer Dexpanthenol-Augensalbe oder phospholipidhaltigen Augenbenetzungstropfen.

Hagelkorn Aus einem Gerstenkorn kann ein Hagelkorn entstehen. Dieses Chalazion ist ein chronischer, nichtinfizierter Lidrandknoten. Er schmerzt in der Regel nicht. Auch hierbei kann Rotlicht helfen, den enthaltenen Talg zu verflüssigen, allerdings sollte das Hagelkorn in jedem Fall einem Augenarzt vorgestellt werden, um eine bösartige Wucherung auszuschließen. Meist heilt ein Gerstenkorn jedoch innerhalb einer Woche vollständig aus – und gibt den Blick frei auf die sommerlichen Getreidefelder.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 07/2020 ab Seite 112.

Gesa Van Hecke, PTA/Redaktionsvolontärin

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