© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Was ist eigentlich…

…EIN DELIR?

Oder anders gefragt: Warum ist man kurzzeitig verrückt, aggressiv oder lethargisch? Erlebt Verwirrtheitszustände, sieht Dinge und hört Dinge, die gar nicht existieren – und ist dabei doch prinzipiell geistig vollkommen gesund?

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Das Delir oder Delirium ist eines der Leitsymptome ersten Ranges einer akuten, körperlich begründbaren Psychose. Fieber, Operationen, Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenentzug sowie Stoffwechselentgleisungen oder eine Fehlversorgung mit Flüssigkeit beziehungsweise Elektrolyten können ein Delir auslösen. Wird die zugrundeliegende Erkrankung behandelt, bessert sich auch der Allgemeinzustand des Deliranten. Doch harmlos ist ein Delir deshalb keinesfalls, es handelt sich vielmehr um einen lebensbedrohlichen Zustand, der eine sofortige intensivmedizinische Betreuung mit sich bringt. Der Begriff leitet sich aus dem Lateinischen ab und kann mit Irresein, wahnsinnig, faseln oder vom Normalen abweichen übersetzt werden. Und das beschreibt die Begleiterscheinungen eines Delirs ganz gut.

Durchgangssyndrom – wird häufig synonym zu Delir verwendet, verharmlost den Zustand aber, denkt man dabei doch an eine unangenehme, jedoch zeitlich abgrenzbare Störung, die „durchgangen“ werden muss – und Abwarten wäre beim Delir genau die falsche Reaktion. Laut ICD-10 treten bei einem nicht durch einen Entzug bedingten Delir charakteristisch Bewusstseinsstörungen zusammen mit zwei der folgenden Begleiterscheinungen auf: Störungen der Aufmerksamkeit, der Wahrnehmung, des Denkens, des Gedächtnisses, der Psychomotorik, der Emotionalität oder des Schlaf-Wach-Rhythmus, häufig begleitet von Tachykardie, Schwitzen, Zittern und Harninkontinenz auf.

Auch Halluzinationen und Wahnvorstellungen sind möglich. Ein Großteil der Betroffenen befindet sich zu diesem Zeitpunkt in intensivmedizinischer Betreuung im Krankenhaus, meistens sind sie älter, multimorbide oder leiden an einer Demenz. So vielfältig wie Ursachen und Störungen ist auch die Therapie. Im akuten Zustand werden Vitalparameter überwacht, Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalt normalisiert sowie psychomotorische Unruhe gedämpft. Vorliegende, grundlegende Infektionen sollten antibiotisch behandelt werden. Auch kann der Schutz vor Selbstverletzung oder gar Suizid angezeigt sein. Dafür werden unter Umständen auch kurzzeitig Neuroleptika oder Benzodiazepine eingesetzt.

Doch wichtiger ist die Frage, vor allem in der Anschlussbehandlung: Was hat der Patient eigentlich? Und tatsächlich kann auch hier präventiv etwas getan werden: Studien konnten zeigen, dass der Einsatz geschulter Delir-​Pfleger zu einer erheblichen Reduktion des postoperativen Verwirrungszustands führen kann. Eine über 70-Jährige hat ein ungefähr 20-prozentiges Risiko ein postoperatives Delir zu entwickeln – unter spezieller Delir-​Pflege kann dies auf knapp fünf Prozent gesenkt werden.

Abgrenzende Diagnostik Wahrscheinlich werden 30 bis 60 Prozent der Delirien nicht erkannt, vor allem da sich die Symptomatik stark unterscheidet, sich bei einigen erst nachts wahrnehmbare Beschwerden zeigen und aufgrund des fortgeschrittenen Alters der meisten Betroffenen stattdessen fälschlicherweise demenzielle Syndrome diagnostiziert werden – diese Patienten werden meist zu Unrecht in die Gerontopsychiatrie überwiesen. Doch im Gegensatz zu rein psychiatrischen Erkrankungen ist eine klare Trennung zwischen körperlichen und geistigen Beschwerden beim Delir nicht möglich und dies sollte auch in der Therapie berücksichtigt werden.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/18 auf Seite 32.

Farina Haase, Apothekerin/Redaktion

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