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Tuberkulose

DIE RÜCKKEHR DER SEUCHE

In den westlichen Industrieländern waren die Fallzahlen für die Infektionskrankheit über Jahrzehnte rückläufig. Doch seit einigen Jahren wächst die Zahl der Neuerkrankungen wieder besorgniserregend.

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Tuberkulose ist weltweit immer noch die Nummer eins der Todesursachen durch behandelbare Infektionskrankheiten. Pro Jahr gibt es laut WHO etwa neun Millionen Neuinfektionen und schätzungsweise 1,4 Millionen Todesfälle.

Der Keim ist global verbreitet, etwa ein Drittel aller Menschen trägt ihn in sich. Während die Krankheit bei etwa fünf bis zehn Prozent der Menschen mit intaktem Immunsystem ausbricht, ist dies bei Betroffenen mit Immunschwäche wesentlich häufiger der Fall. Tuberkulose ist daher besonders in Ländern mit hohen HIV-Infektionsraten ein großes Problem.

85 Prozent der Tuberkulose-Neuinfizierten leben in Afrika, Südostasien und der Westpazifikregion. Auf Europa entfallen nur etwa fünf Prozent der Neuerkrankungen, die meisten davon auf osteuropäische Länder. In Westeuropa war die Seuche fast in Vergessenheit geraten, doch nun melden auch Länder wie Großbritannien wieder vermehrt Fälle. Grund dafür ist neben der Globalisierung und der damit verbundenen Zuwanderung auch die Entstehung multiresistenter Keime.

Schlafende Keime Tuberkulose wird durch Mykobakterien ausgelöst, umweltresistente Erreger, die sich im Gegensatz zu anderen Bakterien sehr langsam vermehren. Die Keime können durch Tröpfcheninfektion übertragen werden, wobei sich die Erreger über Stunden in der Raumluft halten. Werden sie eingeatmet, gelangen sie in die Lunge, wo sie eine Entzündung verursachen .

Diese bleibt jedoch häufig unbemerkt, weil der Erreger in den meisten Fällen durch eine sofortige Immunantwort des Körpers eingekapselt wird. Diese Kapseln werden als Tuberkel (Knötchen) bezeichnet. Die Erreger haben dadurch keinen Anschluss an das Atemwegssystem und können somit nicht ausgeschieden werden, Der Betroffene ist also noch nicht ansteckend, was man als geschlossene Tuberkulose bezeichnet.

»Ein deutliches, wenn auch seltenes Symptom für eine Tuberkulose ist blutiger Auswurf.«

Mykobakterien sind jedoch in der Lage, ihren Stoffwechsel so stark zu reduzieren, dass sie jahrelang in diesen Kapseln überleben können. Nur selten ist ein Organismus nicht in der Lage, die Erreger zu verkapseln. Dann kann die Tuberkulose auch bereits direkt nach der Infektion ausbrechen.

Normalerweise erkranken die Patienten aber – wenn überhaupt – erst lange nach der Primärinfektion. Dabei ist die Gefahr, dass die Krankheit ausbricht, ein bis zwei Jahre nach der Infektion am höchsten. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen es erst Jahrzehnte später zu einer offenen Tuberkulose kommt. Neben der häufigsten Form, der Lungentuberkulose, die etwa 80 Prozent der Fälle ausmacht, können über weitere Infektionswege wie Blut, Lymphe, offene Wunden oder Nahrung, auch andere Organe infiziert werden.

Offene Form In den meisten Fällen führt eine vorübergehende Schwächung des Immunsystems dazu, dass die Tuberkuloseherde aufbrechen. Dann wird aus der geschlossenen eine offene Tuberkulose. Betroffene sind dann hochinfektiös und können Symptome wie Nachtschweiß, Fieber, Mattigkeit, vor allem aber wochenlang andauernden Husten mit gelb-grünem Auswurf entwickeln. Dazu können auch Atemnot und Brustschmerzen kommen. Ein deutliches, wenn auch seltenes Symptom für eine Tuberkulose ist blutiger Auswurf. Dann ist die Krankheit jedoch meist schon weit fortgeschritten.

Jeder ungeklärte Husten, der sich mit anderen grippeähnlichen Beschwerden über mehr als drei Wochen hinzieht, sollte vorsichtshalber auf Tuberkulose abgeklärt werden. Die Diagnose erfolgt mittels klinischer, bakteriologischer und radiologischer Verfahren. Eine latente Infektion lässt sich mit dem Tuberkulinhauttest oder dem Interferon-Gamma-Test, einem Bluttest, nachweisen.

Lungenschädigung im späten Stadium Die Erreger vermehren sich in der Lunge und zerstören dort das Gewebe. Es treten die für die Tuberkulose typischen „käsigen Nekrosen“ auf, wodurch das Organ in einem fortgeschrittenen Stadium dann regelrecht „mottenzerfressen“ aussieht. Daher stammt auch die Redewendung „Die Motten kriegen“, die man heute benutzt, wenn man sich in einer sehr unangenehmen Situation befindet. Diese Nekrosen sind im Röntgenbild nachweisbar, ebenso wie die Tuberkel.

Vermehren sich die Erreger weiter, können sie sich über das Blut oder die Lymphabflusswege zum Beispiel auch in Knochen, Nieren, Haut oder Gehirn ausbreiten. Sind mehrere Organe betroffen, spricht man von einer Miliartuberkulose. Häufige lebensbedrohliche Komplikationen sind dann Meningitis oder Sepsis.

Behandlung einfach, aber aufwändig Tuberkulose ist mithilfe einer Antibiotikakur im Normalfall gut behandelbar. Bereits zwei bis drei Wochen nach Beginn der Therapie sind die Betroffenen nicht mehr ansteckend, soweit es sich um Bakterienstämme handelt, die auf Antibiotika ansprechen. Da sich die Erreger nur langsam teilen, ist allerdings die Gefahr sehr hoch, dass sich bei zu kurzer Behandlung Resistenzen gegen die Medikamente bilden. Viele der Keime befinden sich zudem in einem Ruhezustand, in dem sie von den Antibiotika nicht angegriffen werden können.

Um sicher zu gehen, dass die Erreger komplett vernichtet sind, wird die Kur daher über einen Zeitraum von sechs Monaten fortgesetzt. Dabei kommen in den ersten beiden Monaten gleich vier, in den letzten vier Monaten noch einmal zwei unterschiedliche Antibiotika zum Einsatz.

Gefahr durch Resistenzen Ein frühzeitiger Abbruch der Behandlung kann dazu führen, dass der Patient weiterhin ansteckend bleibt. Außerdem wird so der Bildung von resistenten Keimen Vorschub geleistet. Resistente Tuberkulosestämme sind bereits in vielen Ländern ein großes Problem.

Greifen die Medikamente der Standardtherapie nicht, kommen Fluorchinolone und Aminoglykoside zum Einsatz und die Therapie verlängert sich auf mindestens 21 Monate. Besonders gefährlich ist die extensiv resistente Tuberkulose, bei der auch diese Wirkstoffe nicht mehr greifen. Durch Zuwanderung aus Ländern, in denen Tuberkulose, auch in ihrer resistenten Form, ein ernsthaftes Problem ist, könnte die Seuche auch in andere Länder zurückkehren.

Wirklich schützen vor einer Ansteckung kann man sich durch normale Hygienemaßnahmen nicht. Zwar gibt es eine Impfung, die aber aufgrund schlechter Wirksamkeit und Nebenwirkungen seit 1998 nicht mehr empfohlen wird. Der beste Schutz ist, Erkrankte schnellstmöglich zu erkennen, zu isolieren und vollständig zu therapieren. Daher gehört die Tuberkulose zu den meldepflichtigen Krankheiten.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/14 ab Seite 116.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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