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Autophagie

DIE MÜLLABFUHR UNSERER ZELLEN

Die Suche nach dem Jungbrunnen, nach dieser mythischen Vorstellung einer Quelle, in der man badet und ihr dann jung und gesund entsteigt, ist bisher erfolglos geblieben. Dabei könnte das Gesuchte in uns selbst liegen.

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Das Zauberwort heißt Autophagie. Es ist eine Art Recycling- Prozess innerhalb von Zellen, den man quer durch die ganze Evolution findet, also in Einzellern genauso wie in Zellen von Säugetieren und damit auch in menschlichen Zellen. Bei diesem Prozess baut die Zelle nicht mehr benötigte und krankhaft veränderte Zellbestandteile ab und nutzt die anfallenden Abbauprodukte, wie Aminosäuren und Lipide, um daraus etwas Neues aufzubauen oder einfach zur Energiegewinnung. Ist die Autophagie gestört, fehlt dieser Prozess der Zellreinigung und dies scheint Krankheiten wie beispielsweise Krebs, Diabetes, Alzheimer oder Parkinson zu begünstigen.

Artgerechtes Essen Es entspricht ganz bestimmt nicht dem Bedürfnis unserer Zellen, stets zu jeder Tages- und Nachtzeit Nahrung zur Verfügung zu haben. Dazu sind wir einfach noch viel zu sehr Steinzeitmensch. Unsere Vorfahren schlugen sich nach einer erfolgreichen Jagd den Bauch ordentlich voll und mussten anschließend wieder ein paar Tage mit einem kärglichen Mahl aus Körnern und Wurzeln auskommen. Man möchte nicht mit ihnen tauschen, aber auf hochkalorisches Essen 24/7 und Fastfood sind unsere Zellen und unser ganzer Organismus definitiv nicht eingestellt. Denn Recycling ist bei diesem Überfluss nicht nötig.

Selbstreinigung und Selbsterhaltung Der japanische Molekularbiologe Yoshinori Ohsumi erhielt 2016 für seine Forschung zur Autophagie den Nobelpreis für Medizin. Seitdem wissen wir, wie Autophagie abläuft: Zuerst schließt sich eine Hülle um die Bestandteile, die abgebaut werden sollen. Es entsteht ein Autophagosom. Dieses verschmilzt dann mit Lysosomen, kleinen Bläschen voller Enzyme, die die in der Hülle eingeschlossenen Bestandteile zerlegen. Was nicht neu verbaut oder zur Energiegewinnung genutzt werden kann, wird abtransportiert und ausgeschieden. Abgebaut werden abgestorbene Zellbestandteile, fehlstrukturierte Proteine bis hin zu ganzen Zellorganellen, beispielsweise ältere Mitochondrien. Auch krankhafte oder potenziell krankmachende Strukturen sowie eingedrungene Bakterien und Viren werden so entsorgt.

Regelmäßig fasten? Der Autophagie-Prozess wird vor allem dann hochgefahren, wenn der Nachschub an Nährstoffen fehlt. So können dringend benötigte Moleküle doch noch hergestellt werden. Durch Fasten und durch intensiven Sport kann man das Recycling daher aktivieren. Die frühere Empfehlung, fünf Mahlzeiten am Tag zu sich zu nehmen, gilt heute nicht mehr. Die Zellen brauchen Zeit, sich selbst zu reinigen – möglichst jeden Tag. Daher scheint sich neben dem Heilfasten auch das Intervallfasten günstig auf Entzündungsprozesse und Erkrankungen auszuwirken. Neu ist die Erkenntnis, dass es eine Substanz gibt, die auch ohne Nährstoffmangel den zellulären Reinigungsprozess in Gang setzt. Das Molekül heißt Spermidin, kommt in allen Zellen des Körpers vor, ist in Samenzellen jedoch hochkonzentriert zu finden. Mit steigendem Alter lässt die Produktion aber leider nach.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/2020 ab Seite 54.

Sabine Breuer, Apothekerin/Chefredaktion

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