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Psychologie in der Apotheke

DIE LETZTE REISE

Sterben ist für viele Menschen ein Tabuthema. Häufig wird so getan, als würde es gar nicht stattfinden. Doch Gevatter Tod kommt früher oder später, den genauen Zeitpunkt kennt niemand.

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PTA und Apotheker werden im Apothekenalltag bisweilen mit schwierigen Themen wie dem Tod konfrontiert. Manchmal erkranken Kunden schwer, sodass ihnen nur noch eine begrenzte Lebenszeit bevorsteht. In anderen Fällen schütten Angehörige, die einen sterbenskranken Menschen begleiten, ihr Herz aus. Gespräche rund um das Thema Sterben und Tod sind nicht einfach und erfordern viel Fingerspitzengefühl.

In Würde sterben Die Endlichkeit des Lebens ist ganz natürlich und macht es besonders wertvoll. Wer es schafft, das zu akzeptieren, dem fällt es weniger schwer, geliebte Menschen beim Sterben zu begleiten und mit dem eigenen Ende besser klarzukommen. Befragungen zufolge möchten die meisten Personen am liebsten zuhause sterben und nach einem schönen, langen Leben nach dem Einschlafen einfach nicht mehr aufwachen. Ein weiteres Ideal ist die Vorstellung darüber, dass sich Familie und Freunde um das Sterbebett herum versammeln und gemeinsam mit dem Sterbenden das letzte Stündlein erleben. Wichtig ist für viele, dass sie nicht alleine sind, wenn der Tod sie einholt.

Begleitung des Lebensabends „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“ – so lautet ein Zitat von Cicely Saunders, der Begründerin der modernen Hospizbewegung und der Palliative Care. Patienten jeden Lebensalters benötigen in ihrer letzten Lebensphase Unterstützung und Zuwendung durch andere Menschen. Die Hospizbewegung definiert Sterbebegleitung als eine Form von Lebenshilfe und grenzt sich damit von der Sterbehilfe ab. Unter Sterbebegleitung versteht man demnach die Hilfe zu einem guten Tod bei schwerkranken oder alten Menschen. Hospize und Hospizdienste sind Institutionen, welche unheilbar kranke Menschen in ihrer letzten Zeit begleiten, um ihnen bis zu ihrem Tod ein Leben in Würde zu ermöglichen.

Sie arbeiten ergänzend zur Betreuung, die durch Ärzte oder Pflegedienste stattfindet. Die Unterstützung Schwerkranker erfolgt demnach durch ein interdisziplinäres Team, das unter anderem aus Angehörigen, Ärzten, Pflegepersonal, Psychologen und ehrenamtlichen Sterbebegleitern besteht. Hospizdienste erwarten von ihren eh- renamtlichen Mitarbeitern meist eine Teilnahme an einem Hospizhelferkurs, denn die Betreuung stellt eine hohe emotionale Belastung dar, sodass eine entsprechende Vorbereitung als sinnvoll betrachtet wird. Wichtige Ziele der Sterbebegleitung sind Schmerzfreiheit, palliativmedizinische Hilfe sowie die seelsorgerische Betreuung.

Palliative Care ist ein Konzept zur Begleitung und Versorgung schwerkranker Menschen jeden Alters mit einer nicht mehr zu heilenden Grunderkrankung.

Große Herausforderung Angehörige sind oft unsicher und wissen nicht, wie sie mit ihren unheilbar kranken Familienmitgliedern umgehen sollen. PTA und Apotheker können ihnen hilfreiche Tipps geben, obgleich es keine verbindlichen Regeln für die Kommunikation mit Sterbenden gibt. Wichtig ist, ehrlich zu sein und mit ihnen realistische Zukunftsaussichten zu besprechen. Schwerkranke können dann ihre letzten Wünsche äußern, über Möglichkeiten der Palliativmedizin entscheiden und mit dem eigenen Leben abschließen.

Lachen ist erlaubt Von konkreten Zeitangaben in Bezug auf die verbleibende Lebenszeit sollte man allerdings absehen und Betroffenen nicht jegliche Hoffnungen nehmen. Es ist sinnvoll, realistische Ziele, die noch erreicht werden können, aufzustellen und Sterbenden zuzusichern, dass sie in der Endphase ihres Lebens nicht alleine sind. Sterbebegleiter sollten Sterbenskranken stets zuhören, ihre Bedürfnisse ernst nehmen, mit ihnen lachen, weinen und hoffen. Mit Schwerkranken oder gar Sterbenden darf auch gescherzt werden, denn dies bringt Freude und Lebendigkeit.

Natürlich passen Witze nicht immer, doch häufiger als man denkt. Angehörige und Sterbebegleiter dürfen sich ruhig trauen, mit den Patienten zu lachen, um auf diese Weise Heiterkeit zu verbreiten. Bei Todkranken ist häufig die Wahrnehmung verändert und Riech-, Seh-, Tast-, Hör- und/oder Geschmackssinn sind besonders stark ausgeprägt. Angehörige sollten daher versuchen, Sterbende nicht zu überreizen. Beispielsweise kann eine innige Umarmung als unangenehm empfunden werden, stattdessen genügt es, seine Anwesenheit durch leichte Berührungen zu zeigen.

Phasen des Sterbens Elisabeth Kübler-Ross war eine schweizerisch-US-amerikanische Psychiaterin und Sterbeforscherin. Sie befasste sich zu Lebzeiten unter anderem mit den Phasen des Sterbens: Im ersten Stadium erfahren Patienten von ihrer Krankheit und möchten diese nicht wahrhaben. Sie leben ohne Veränderungen weiter und hoffen auf einen Irrtum. In der zweiten Phase (Frage nach dem Warum) akzeptieren Todkranke die Diagnose, reagieren mit Zorn und beschimpfen möglicherweise gesunde Menschen. In dieser Situation ist es für Angehörige wichtig, die Klagen zwar ernst zu nehmen, sich dennoch emotional von der Situation abzugrenzen.

Es folgt die meist kurz anhaltende Phase des Verhandelns, in welcher Patienten Gott, Ärzte und Bezugspersonen um Aufschub bitten. Sie formulieren, was sie alles dafür tun würden, wenn ihnen Zeit für bestimmte (familiäre) Ereignisse gewährt würde. Sterbebegleiter und Angehörige sollten in dieser Situation die Hoffnungen der Sterbenden zulassen, ohne jedoch falsche Erwartungen zu schüren. Die nächste Phase (Trauer um vergebene Chancen) ist von einer depressiven Stimmung gekennzeichnet. Schwerkranke trauern um ihr Leben, das sie verlieren werden, zeigen ein hohes Mitteilungsbedürfnis und regeln letzte Angelegenheiten wie das Aufstellen des Testaments. Helfer sollten Sterbende bei Überlegungen, wie das Leben ihrer Familie ohne sie weitergehen kann, unterstützen.

Die fünfte und letzte Phase im Sterbeprozess ist die Phase der Akzeptanz, die nicht alle Sterbenden erreichen. Betroffene haben die Situation akzeptiert und lösen sich langsam von ihrer Umwelt. Häufig wünschen sie keinen oder nur wenig Besuch und möchten keine Gespräche mehr führen. Angehörige sollten in dieser Phase am besten stille Begleiter sein, denn Schweigen ist am Ende die hilfreichste Form der Kommunikation. An dieser Stelle haben Sterbebegleiter die Aufgabe, den Bezugspersonen klar zu machen, dass das Verhalten der Sterbenden keine Ablehnung bedeutet, sondern den endgültigen Todeswunsch ausdrückt.

Nach dem Tod Die Hospizbegleitung erfolgt häufig über den Tod hinaus, denn auch Angehörige brauchen Unterstützung. PTA und Apotheker sollten ihren Kunden klar machen, dass Trauer, obwohl sie sich schmerzhaft anfühlt, weder eine Krankheit noch ein Zeichen von Schwäche ist. Oft hilft es Hinterbliebenen, sich außerhalb der Familie zum Beispiel in einer Trauergruppe mit anderen Trauernden zu treffen. Zusätzlich kann die Begleitung auch in Einzelsitzungen oder in Trauer-Chats stattfinden. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/19 ab Seite 56.

Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie und Fachjournalistin

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