Mädchen mit Himbeeren in den Händen© ulkas / iStock / Getty Images

Krankheiten im Kindesalter

DIE KRANKHEIT MIT DER HIMBEERZUNGE

Himbeer- oder erdbeerfarben ist die Zunge bei Scharlach. Typisch sind außerdem eine Halsentzündung, geschwollene Lymphknoten, Ausschlag und Fieber. Ganz überwiegend erkranken Kinder und Jugendliche.

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Halsentzündungen durch Streptococcus pyogenes gehören zu den häufigsten bakteriellen Infektionen im Kindesalter. In Deutschland treten jährlich schätzungsweise eine bis 1,5 Millionen Fälle auf, die meisten davon im Winter und Frühjahr in der Altersgruppe der Sechs- bis Zwölfjährigen. Nachdem die Fallzahlen während des 20. Jahrhunderts kontinuierlich gefallen waren, wurden zuletzt nicht nur in Südostasien, sondern auch in Großbritannien, Singapur, Australien und Kanada wieder größere regionale Ausbrüche verzeichnet. Experten halten daher eine globale Beobachtung des Infektionsgeschehens für sinnvoll.

Der Erreger S. pyogenes ist eine Art von Streptokokken, die auch als Gruppe-A-Streptokokken (GAS) oder einfach nur als A-Streptokokken bezeichnet werden. Sie kommen ausschließlich beim Menschen vor und lösen überwiegend die als Scharlach bekannte Halsentzündung (Pharyngitis) aus. Seltener können sie auch die Haut befallen, Wunden infizieren („Wundscharlach“) oder für ein septisches Krankheitsbild (Streptokokken-Toxic-Schock-Syndrom) verantwortlich sein. S. pyogenes besiedelt den Mund- und Rachenraum und wird durch engen Kontakt sowie durch Tröpfcheninfektion übertragen. Die Inkubationszeit beträgt meist ein bis drei Tage. Scharlach ist hoch ansteckend, sodass sich häufig mehrere Personen in einer Familie oder auch in einer Gemeinschaftseinrichtung wie beispielsweise einem Kindergarten infizieren.

A-Streptokokken produzieren sogenannte erythrogene Toxine, die auch als „Superantigene“ bezeichnet werden. Nach aktuellem Verständnis spielen diese Toxine insbesondere bei der Entstehung des Ausschlags, also des Exanthems auf der Haut und des Enanthems (Ausschlag im Bereich der Schleimhäute) im Mund- und Rachenbereich, eine wichtige Rolle. Streptokokken gewinnen die Fähigkeit zur Herstellung eines Toxins, wenn sie selbst mit bestimmten Bakteriophagen infiziert sind, wobei vier Toxine bekannt sind, die in zahlreiche Varianten unterteilt werden. Eine Immunität entwickelt sich immer nur gegenüber dem Toxin, das bei einer Infektion vorherrschend war. Deshalb ist es möglich, mehrfach an Scharlach zu erkranken.

Verlauf Die Symptome einer Scharlacherkrankung können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und reichen von milden, erkältungsähnlichen Beschwerden bis zum typischen Vollbild. In diesem Fall beginnt die Erkrankung mit einem plötzlichen Krankheitsgefühl mit Kopfschmerzen, Fieber, eventuell Schüttelfrost, Halsschmerzen und Schluckbeschwerden. Auch Bauchschmerzen und Erbrechen können auftreten. Die Lymphknoten im Halsbereich sind angeschwollen und druckempfindlich. Die Mandeln entzünden sich, und es bildet sich ein weißlicher Belag.

Das Gesicht und die Wangen sind gerötet, nur der Bereich um den Mund herum ist blass. Nach etwa ein bis zwei Tagen entwickelt sich der charakteristische Ausschlag, der sich über den gesamten Körper ausbreitet. Die kleinfleckigen Papeln sind im Bereich der Achseln und der Leistengegend oft besonders ausgeprägt, jucken aber wenig bis gar nicht. Handinnenflächen, Fußsohlen und die Region um den Mund bleiben ausgespart. Nach etwa sechs bis neun Tagen klingt der Ausschlag wieder ab. Wiederum einige Tage später kommt es zu einer Abschuppung der Haut, die insbesondere an den Handflächen und Fußsohlen einige Wochen anhalten kann. Typisch für Scharlach ist die rote Zunge. Nachdem sie zuerst von einem weißlichen Belag bedeckt war, rötet sie sich nach einigen Tagen und wird als erdbeer- oder himbeerfarben beschrieben.

Diagnose Die Diagnose Scharlach wird bei typischem Verlauf anhand der Symptome gestellt. Allerdings können auch andere virale und bakterielle Erreger ähnliche Halsentzündungen und Ausschläge verursachen. Hier kann ein Antigen-Schnelltest hilfreich sein. Dieser ist zwar sehr spezifisch, aber nicht sehr sensitiv. Das bedeutet: Wenn er positiv ausfällt, kann man mit hoher Sicherheit davon ausgehen, dass es sich um Scharlach handelt. Ein uneindeutiges oder negatives Ergebnis schließt Scharlach aber nicht aus. Im Zweifel kann dann eine Kultur aus einem Rachenabstrich angelegt werden.

Mögliche Komplikationen In der überwiegenden Mehrheit der Fälle heilt Scharlach folgenlos aus. Wenn die Bakterien auf benachbarte Regionen übergreifen, sind Entzündungen des Mittelohrs, der Nebenhöhlen oder der Lunge möglich. Bei etwa einem von 5000 Betroffenen kann als gefürchtete Komplikation mit Verzögerung von meist zwei bis drei Wochen ein rheumatisches Fieber auftreten. Hierbei handelt es sich um eine Autoimmunreaktion, bei der sich das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen, häufig den Herzmuskel (Myokarditis), die Gelenke (Polyarthritis) und/oder die Niere (Glomerulonephritis), richtet. Sehr selten tritt ein Streptokokken-bedingtes Toxic-Schock-Syndrom auf, bei dem die Konzentration des Toxins sehr hoch ist. Es ist bei Kindern mit einer Mortalität von fünf bis acht Prozent assoziiert.

Behandlung Scharlach sollte immer antibiotisch behandelt werden, da dadurch nicht nur die Krankheitsdauer verkürzt, sondern auch das Risiko für Komplikationen reduziert wird. Außerdem verringert sich die Zeit, in der Erkrankte ansteckend sind, deutlich: Die Ansteckungsfähigkeit endet einen Tag nach Beginn der Antibiotikatherapie im Vergleich zu zirka drei Wochen ohne Behandlung. Mittel der Wahl ist Penicillin beziehungsweise Amoxicillin oder Ampicillin. Alternativ können gegebenenfalls auch Cephalosporin, Erythromycin oder Roxythromycin eingesetzt werden. Darüber hinaus gelten die üblichen Maßnahmen wie Bettruhe, wegen der Schluckbeschwerden viel trinken und weiche oder flüssige Nahrung sowie bei Bedarf fiebersenkende Mittel wie Paracetamol oder Ibuprofen.

Patienten, die an rheumatischem Fieber erkrankt sind, erhalten als Prophylaxe über fünf Jahre Penicillin oder ein anderes Antibiotikum. Gemäß Infektionsschutzgesetz dürfen Kinder mit diagnostiziertem Scharlach oder bei Verdacht auf Scharlach keine Gemeinschaftseinrichtungen, also keinen Kindergarten, Hort oder Schule, besuchen. Wenn die Beschwerden abgeklungen sind und sie nicht mehr ansteckend sind, ist ein Besuch wieder möglich. Eine Impfung gegen Scharlach existiert nicht.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 12/2021 ab Seite 78.

Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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