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Vitamine

DIE B-VITAMINE – ZIEMLICH KOMPLEX

Seit genau 100 Jahren werden eine Reihe wasserlöslicher Vitamine als B-Vitamine bezeichnet. Alle zusammen nennt man oft Vitamin-B-Komplex. Was fällt Ihnen zu diesen Vitaminen ein? Irgendwas mit Nerven? Dann wird es Zeit, sich mal wieder genauer mit diesen zu befassen.

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Da alle B-Vitamine wasserlöslich sind, besteht bei oraler Gabe nur eine geringe Gefahr der Überdosierung. Der gemeinsame Nachteil der Wasserlöslichkeit ist aber, dass die B-Vitamine nicht gespeichert werden können (einzige Ausnahme: Vitamin B12) und deshalb sehr regelmäßig dem Körper zugeführt werden müssen. Sonst gibt es aber große Unterschiede, zum Beispiel in Bezug auf die Empfindlichkeit gegenüber Licht oder Hitze, weshalb einige viel leichter bei der Nahrungszubereitung inaktiviert werden und es deshalb schneller zu Mangelerscheinungen kommen kann. Schauen wir uns die einzelnen B-Vitamine doch mal genauer an:

Vitamin B1Das erste der vielen B-Vitamine ist nicht nur wichtiger Bestandteil vieler Enzyme im Kohlenhydratstoffwechels, sondern auch unverzichtbar für die Funktion von Neurotransmittern, also Botenstoffen bei der Reizübertragung zwischen einzelnen Nerven. Dieses Vitamin ist auch unter dem Namen Thiamin bekannt. Wegen des leichten Schwefelgeruchs werden Vitamin-B1-haltige Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel gerne verkapselt oder mit einer Drageeschicht versehen, um die Compliance zu verbessern. Natürliche Nahrungsquellen sind Vollkornprodukte, Hefe, Schweinefleisch und Nüsse, ganz besonders Macadamia-​Nüsse.

Obwohl dieses B-Vitamin hitzeempfindlich ist und es dadurch zu Verlusten beim Kochen von Nahrungsmitteln kommt, gibt es in Deutschland nur selten Mangelerscheinungen. Durchaus zu Mangelerscheinungen kann es aber in Situationen mit einseitiger Ernährung kommen, beispielsweise wenn geschälter Reis, dem der vitaminhaltige Keimanteil fehlt, zur Haupnahrungsquelle wird. Das trifft auch für die überwiegende Verwendung von weißem Mehl (z. B.Typ 405) zu. Ein weiterer Grund für Mangelerscheinungen kann erhöhter Alkoholkonsum sein. Aus diesen Gründen sind einige Länder wie die USA und Großbritannien dazu übergegangen, dem Mehl künstlich Vitamin B1 zuzusetzen.

Vitamin B2Das zweite B-Vitamin wird auch Riboflavin genannt. Wenn Sie dabei an Flavonoide – die gelben Pflanzenfarbstoffe denken, liegen Sie richtig. Das gelbe Vitamin wird aufgrund seiner Farbe in der Lebensmittelindustrie gerne als natürlicher Farbstoff eingesetzt. Auch deshalb kommt es in Deutschland bei normaler, abwechslungsreicher Ernährung glücklicherweise selten zu Mangelerscheinungen von Vitamin B2, das Bestandteil vieler Enzyme des gesamten Stoffwechsels ist.

Vitamin B3Diese Bezeichnung gilt inzwischen als veraltet, der Ausdruck Niacin hat sich durchgesetzt. Das Vitamin kommt vermehrt in Geflügel, Wild, Milch und Eiern vor. Veganer können Niacin in Form von Datteln, Cashew-Kernen, Champignons und Hülsenfrüchten zu sich nehmen. Bei unausgewogener Ernährung könnte es sonst zu Mangelerscheinungen wie Hautentzündungen, Schleimhautreizungen mit Durchfall und auch zu Depressionen kommen. Das Vollbild der Mangelerkrankung ist unter dem Namen Pellagra bekannt. Dies tritt zum Glück selten auf, da Niacin vom menschlichen Körper auch aus der Aminosäure Tryptophan hergestellt werden kann.

Vitamin B5Etwa gleichbekannt ist dieses Vitamin unter dem Namen Pantothensäure. Es ist mitverantwortlich für die körpereigene Cholesterinsynthese, für die Wundheilung nach Hautverletzungen, den Erhalt der Schleimhaut und des Haarwachstums. Auch hier kommt es bei ausgewogener Ernährung selten zu Unterversorgungen. Als pflanzliche Lieferanten eignen sich besonders Pinienkerne und Avocados. Außerdem kann Pantothensäure aus der Vorstufe Dexpanthenol, dem entsprechenden Provitamin, das in vielen Wundheilsalben enthalten ist, synthetisiert werden.

Vitamin B6Genau genommen handelt es sich um einen Sammelbegriff für drei Vitamine, die alle eine Vorstufe von Pyridoxalphosphat sind. Es ist an über 100 enzymatischen Reaktionen beteiligt. Besonders wichtig ist dabei die Synthese des Hämoglobins, also des für den Sauerstofftransport verantwortlichen roten Blutfarbstoffes. Bei einem Mangel kommt es deshalb zu einer Anämie. Dies kommt in Deutschland glücklicherweise selten vor, auch Vegetarier und Veganer können durch Avocados und Nüsse ihren Vitamin-B6-​Bedarf ausreichend decken.

Allerdings gibt es dennoch Bevölkerungsgruppen, die zusammen mit einem Mangel an weiteren B-Vitaminen einen Vitamin-B6-Mangel aufweisen. Zu diesen zählen unter anderem Senioren, die sich nur unzureichend ernähren sowie Menschen, die häufig Diäten halten. Außerdem sind Alkoholiker durch ihren vermehrten Vitamin-B6-Bedarf häufig von Mangel betroffen.

Vitamin B7Hier spricht man fast nie von Vitamin-B7, auch um Verwechslungen mit dem in angelsächsischen Ländern üblichen Ausdruck Vitamin B8 zu vermeiden, sondern von Vitamin H oder Biotin. Es übernimmt neben vielen enzymatischen Stoffwechselfunktionen auch Funktionen im Zellkern. Zwar kommt es in fast allen Lebensmitteln vor, allerdings nur in sehr geringen Mengen, wodurch tatsächlich auch bei ausgewogener Ernährung einige Menschen Mangelerscheinungen vorweisen, die sich nicht nur durch Probleme mit Haut, Haaren und Nägeln äußern können, sondern auch mit Depressionen einhergehen können.

Einen Teil dieses Bedarfs deckt der menschliche Körper auch durch seine eigenen Darmbakterien. Aus diesem Grund wird es in mancher Literatur nicht zu den Vitaminen gezählt, da es streng genommen nicht essenziell ist, also nicht mit der Nahrung zugeführt werden muss. Das Ausmaß der Aufnahme in den Blutkreislauf ist aber von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich, wodurch eine Zufuhr mittels Arzneimitteln oder Nahrungsergänzungsmitteln oft sinnvoll ist.

Vitamin B9Bekannt ist dieses B-Vitamin unter dem Namen Folsäure beziehungsweise Folat. Diese Namen kommen vom lateinischen Wort Folium = Blatt, was auf das Vorkommen in grünen Pflanzenblättern hinweist. Gute Nahrungsquellen sind Weizenkeime und Hülsenfrüchte. Da das natürlich vorkommende Folat sehr empfindlich gegenüber Licht, höheren Temperaturen und Sauerstoff ist, kann es auch bei ausgewogener Ernährung zu einem Mangel kommen. Das kann besonders für Schwangere dramatische Folgen haben. Bei einem Mangel in der Frühschwangerschaft steigt die Gefahr für das Kind, an einer nicht verschlossenen Wirbelsäule zu leiden (Spina bifida).

Dies passiert zu einem Zeitpunkt der Embryonalentwicklung, bei dem die Schwangerschaft oft noch gar nicht bekannt ist. Deshalb sollten Sie Ihren Kundinnen mit Kinderwusch unbedingt zu einem synthetischen Folsäurepräparat raten, denn Folsäure hat gegenüber dem natürlich vorkommenden Folat eine wesentlich bessere Bioverfügbarkeit. Auch im weiteren Verlauf der Schwangerschaft besteht ein erhöhter Bedarf. Liegt dann ein Mangel vor, erhöht sich die Gefahr von Frühgeburten. Da einige Menschen eine nicht ausreichende Enzymaktivität besitzen, um die Folsäure in die aktive Form der Tetrahydrofolsäure (THF) zu überführen, gibt es auch Produkte mit der bereits aktiven Form.

Um sicher zu gehen, sollten Sie beim Beratungsgespräch zu dieser Form raten, besonders wenn sich die Schwangere wegen Übelkeit nicht so gut wie gewollt ernähren kann. Auch sonst kann ein Folsäuremangel gefährlich sein. So ist ein Zusammenhang zwischen niedrigen Folsäurewerten und Herzinfarkten sehr wahrscheinlich. Hierbei kommt es zur verstärkten Oxidation des bereits „schädlichen“ LDL-Cholesterins zu noch gefährlicherem oxidiertem LDL, das sich besonders leicht an Blutgefäßwänden ablagert und einen Verschluss begünstigt. Bei ausreichendem Folsäurespiegel im Blut steigt hingegen der Wert des günstigen HDL-Cholesterins, das durch seinen „Staubsaugereffekt“ den Ablagerungen entgegenwirken kann.

Vitamin B12Das auch unter Cyanocobalamin bekannte Vitamin ist wieder mehr in den Blick der Öffentlichkeit gelangt, seitdem sich immer mehr vorwiegend fleischarm ernähren. Leider kann es bei überwiegend pflanzlicher Ernährung zu Mangelsymptomen kommen, da hieraus Vitamin B12 nicht gut in den Körper aufgenommen werden kann. Voraussetzung für die Resorption ist, dass der Magen einen Transportstoff, den sogenannten Instrinsic-Factor bildet. Ist dies durch bestimmte Erkrankungen nicht der Fall, muss Vitamin B12 unbedingt gespritzt werden. Ein Mangel äußert sich in einer Form von Blutarmut (perniziösen Anämie) mit dadurch bedingter Erschöpfung und Müdigkeit.

Außerdem kann es zu neurologischen Symptomen wie Kribbeln kommen. Auch gibt es scheinbare Altersdemenzen, die durch einen Vitamin-B12-​Mangel bedingt sind. Glücklicherweise kann der Körper Cyanocobalamin als einziges B-​Vitamin in der Leber speichern. Somit kann ein Mangel ohne Aufwand vermieden werden. Bei Ihrem Beratungsgespräch müssen Sie unterscheiden, ob es sich um reine Vorsichtsmaßnahmen handelt oder eine Krankheit gezielt angegangen werden soll. Im ersteren Fall können Sie zu einem Nahrungsergänzungsmittel raten, das so viele verschiedene B-Vitamine wie möglich, aber in geringer Dosierung enthält. Liegt allerdings eine manifeste Erkrankung vor, reichen die Konzentrationen in Nahrungsergänzungsmitteln meistens nicht aus. Dann müssen Sie die Beratung an das pharmazeutische Personal übergeben, um das passende Arzneimittel zu finden. Im Zweifelsfall sollten Sie Ihre Kunden immer zum Arzt schicken.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/2020 ab Seite 93.

Ute Kropp, Apothekerin und PKA-Lehrerin

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